Afghanistan: Bundesregierung plant erstmals direkte Gespräche mit den Taliban

Das Bundesinnenministerium plant, im Oktober erstmals direkte Gespräche mit der Taliban-Regierung in Afghanistan zu führen. Beamte des Ministeriums werden dazu nach Kabul reisen, um über die Abschiebung von Straftätern aus Deutschland zu verhandeln. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte am Sonntag einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte bereits mehrfach angekündigt, Abschiebungen von ausländischen Straftätern nach Afghanistan deutlich auszuweiten. Ziel sei es, diese nicht nur per Charter-, sondern auch per Linienflügen durchzuführen. Bislang waren solche Rückführungen vor allem mithilfe des Emirats Katar organisiert worden.

Die Pläne stoßen auf scharfe Kritik aus der Opposition. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Marcel Emmerich, warnte, ein Abkommen mit den Taliban mache Dobrindt abhängig von einer islamistischen Organisation und werte sie auf. Cansu Özdemir von der Linken sprach von einer „äußerst bedenklichen Normalisierung eines islamistischen Terrorregimes“ und kritisierte, dass jahrelanger Krieg gegen die Taliban nun durch Verhandlungen legitimiert werde.

Unterstützung aus der Koalition

Unterstützung erhält Dobrindt dagegen aus der Koalition. CDU-Innenpolitiker Alexander Throm bezeichnete die Rückführung von Straftätern nach Afghanistan als richtig, SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese betonte die Notwendigkeit solcher Abschiebungen, mahnte aber ein „sensibles Vorgehen“ ohne offizielle diplomatische Kontakte an.

Auch die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Sonja Eichwede befürwortet Kontakte auf technischer Ebene, warnte jedoch, dies dürfe „keinesfalls dazu führen, dass der Kontakt zu einem Terrorregime normalisiert wird“.

Geplante Verhandlungen markieren Kurswechsel

Die geplanten Verhandlungen in Kabul markieren einen Kurswechsel: Erstmals setzt die Bundesregierung bei Abschiebungen nicht mehr nur auf die Vermittlung über Drittstaaten wie Katar, sondern führt direkte Gespräche mit den Machthabern in Afghanistan.

Seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 hat Deutschland erst zweimal Straftäter nach Afghanistan abgeschoben. Der erste Flug erfolgte im August 2024 unter der damaligen Ampelregierung, der zweite Mitte Juli 2025 unter der neuen schwarz-roten Koalition. Anfang September hatte es nach Angaben des Innenministeriums zunächst Gespräche „auf technischer Ebene“ mit afghanischen Vertretern in der katarischen Hauptstadt Doha gegeben.

Die Bundesregierung betonte damals, diese Kontakte stellten keine De-facto-Anerkennung der Taliban-Regierung dar. Auch für die nun geplanten Gespräche in Kabul betont das Ministerium, dass es sich um pragmatische Verhandlungen über Rückführungen handle.