
In unserer Kolumne „Grünfläche“ schreiben
abwechselnd Oliver Fritsch, Christof Siemes, Stephan Reich und Anna Kemper über die Fußballwelt und die Welt des
Fußballs. Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende,
Ausgabe 11/2025.
Ich stand mit Faschos auf dem Platz. Warum? Ich war Fußballer und bin aus Deutschland, da kommt das zwangsläufig vor. In meinem hessischen Heimatort Laufdorf, für dessen TSV ich einst auflief, wurde die AfD bei dieser Bundestagswahl mit gut 27 Prozent stärkste Kraft.
Von einem ehemaligen Mitspieler weiß ich, dass er sie gewählt hat. Bei anderen könnte ich es mir denken. Zwei weitere frühere Mannschaftskameraden, anderer Ort und anderer Verein, die mir noch im Gedächtnis sind, sicher auch, falls die AfD ihnen nicht zu moderat war. Ich habe vor allem gute Erinnerungen an diese Zeit: Spiele gewonnen, Siege gefeiert haben wir zusammen.
Die Frage, die aktuell über vielem schwebt, nämlich ob man mit Rechtsextremen kooperieren kann, würde ich aus dieser Erfahrung auf dem Platz heraus vorsichtig bejahen. Allerdings ist es schon etwas her, dass ich Stollenschuhe trug. Damals gab es die AfD noch nicht, die Zeiten waren weniger anstrengend, weniger politisch. Es war damals kein großes Thema, die Faschos galten als gestrige Auslaufmodelle. Ich weiß nicht, wie ich mich heute verhalten würde.
Bislang schloss der FC Bundestag, die Hobby-Fußballmannschaft des Parlaments, AfD-Abgeordnete aus. Die wollen jedoch mitspielen und haben sich nun reingeklagt, das Landgericht Berlin hat ihnen vorerst recht gegeben.
„Wir freuen uns, bald wieder mit dem Adler auf der Brust auf dem Spielfeld unser Bestes für den FC Bundestag zu geben“, sagen Jörn König und Malte Kaufmann, zwei der vier Kläger. Kann also sein, dass man sie demnächst im selben Trikot sieht wie die, die sie nicht dabeihaben wollen.
Im Kader des FC Bundestag hat die SPD die absolute Mehrheit. „Die Frage ist, ob du mit Rechtsextremen, Nazis oder Rassisten nackig unter der Dusche stehen willst“, sagt Kassem Taher Saleh von den Grünen. Er spricht für seine Mitspieler. Für ihn stellt sich die Frage noch mal anders als für mich früher, da er jetzt gezwungen sein könnte, mit Leuten zu spielen, die ihn gerne abschieben wollen, mit Rassisten also.
Der FC Bundestag ist kein gewöhnlicher Sportverein. Was dort geschieht, lässt sich nicht ohne weiteres auf die Basis der 24.000 deutschen Fußballvereine übertragen. Die Betriebsmannschaft des Parlaments hat keine Jugendabteilung und muss sich nicht mit der Suche nach Ehrenamtlichen herumschlagen. Ganz davon abgesehen, dass Bundestagsabgeordnete einen größeren Hebel im Kampf gegen die AfD hätten: ein Verbotsverfahren.
Der Konflikt des FC Bundestag steht dennoch symbolisch für den, der Politik, Gesellschaft und Fußball die nächsten Jahre beschäftigen wird: Wie sehr darf man einen beträchtlichen Teil seiner Mitmenschen schneiden? Wie mit denen umgehen, die extrem wählen? Muss ein Verein Mitglieder akzeptieren, die die Demokratie bekämpfen? Und andersrum: Welche Rechte haben die kickenden AfD-Fans? Und sollte man zuschauen, wenn sie auf die Mittel des Rechtsstaats setzen, den sie sonst verhöhnen?
Ausgrenzen oder einfangen? Für beides gibt es Argumente. Wo ich mir nicht unsicher bin: Das Problem kann die Politik nicht allein lösen. Es ist Aufgabe der Zivilgesellschaft, zu deren Träger der Sport zählt, die Wähler damit zu konfrontieren, welchen Schaden sie mit ihrem Kreuz anrichten – für den Verein, für das Gesamte.
Der Prozess hat begonnen und er wird Jahre dauern. Ich weiß von Amateurvereinen, die gerade ihre Satzung umschreiben, um sich gegen Nazis zu wappnen. Dass man die blauen Kameraden auf Platz beim Kombinieren ausgrenzt oder im Training zur Blutgrätsche ansetzt, kann nicht die Dauerlösung sein.
Beim FC Bundestag kann man sich von dem Problem vielleicht befreien, indem man die Knalltüten auf die Bank setzt. „König ist ein völliger Nichtskönner, am Ball kann er überhaupt nichts. Das Einzige, was er hinbekommt, ist aufrecht stehen“, sagt der Grüne Saleh über einen rechten Mitspieler.
Ist auch meine Erfahrung. Die Extremen, Rechts wie Links, haben mit den Feinheiten, auf die es auf dem Platz ankommt, nicht viel zu schaffen. Meine Hoffnung ist deshalb, dass man sie am Ball stolpern lassen kann, damit sie in der Politik keinen größeren Schaden anrichten.