AFC Sunderland: Wiederaufstieg und Erfolgsgeschichte unter Kyril Louis-Dreyfus – Sport

Obwohl Kyril Louis-Dreyfus, 28, Eigentümer des AFC Sunderland ist, meidet er die Öffentlichkeit. Passend dazu steht in der Statuszeile seines Instagram-Profils: „No Facebook, No Twitter“. Auch Interviews gibt der jüngste Chairman der Premier League seit Jahren nicht – wenn überhaupt, veröffentlicht er mal Beiträge auf Instagram. Wie am vergangenen Samstag, als der Schweizer Milliardenerbe nach dem überraschenden, in der Nachspielzeit sichergestellten Erfolg seines Klubs beim FC Chelsea die Premier-League-Tabelle postete. Vermutlich traute er seinen Augen kaum: Die „Black Cats“ (schwarzen Katzen), die in der Vergangenheit alles Pech der Fußballwelt anzuziehen schienen, rückten als Liganeuling zwischenzeitlich auf Platz zwei vor.

Zwar fiel der Klub aus Englands Nordosten durch die Ergebnisse der Konkurrenz tags darauf um zwei Ränge zurück, dennoch steht er so gut da wie zuletzt im vorigen Jahrhundert. Das Team des französischen Trainers Régis Le Bris egalisierte seinen 26 Jahre alten Startrekord und ist mit 17 Punkten nach neun Spieltagen der sechstbeste Aufsteiger der Ligageschichte. Das Sunderland Echo, sechs Jahre älter als der 1879 gegründete Verein, notierte nun präzise, es hätten sich am Samstag „Szenen grenzenloser Euphorie“ abgespielt. Der Ausnahmezustand der Fans erinnerte an die sechs Meisterschaften (1892, 1893, 1895, 1902, 1913, 1936) – weil sie zwischenzeitlich fast jede Hoffnung aufgegeben hatten.

2017 und 2018 wurde der stolze Sunderland Association Football Club binnen zwei Spielzeiten aus der Premier League bis in die drittklassige League One durchgereicht – jeweils als abgeschlagener Tabellenletzter. Der Verein fiel ähnlich tief wie seine raue Heimatstadt, die Arbeit und Wohlstand verloren hat, seit in den Werften keine Schiffe mehr gebaut werden und die Kohleminen geschlossen sind. Das Schicksal der Black Cats lockte sogar den Streamingdienst Netflix an, der den Niedergang des Vereins und die Verzweiflung der Anhänger in der Serie „Sunderland ’til I Die“ dokumentierte. Sie beginnt in der St Mary’s Church, der Kirche im Zentrum Sunderlands, in der ein Priester um göttlichen Beistand für den Klub bittet – als könne nur das Beten helfen.

Viele meinten, der junge Louis-Dreyfus wolle nur mal eine Runde Fußballmanager in der Realität spielen

Die Fürbitten wurden quasi erhört: Dem AFC gelang die Wiederauferstehung – unter Louis-Dreyfus. Ende 2020 übernahm er, kurz nach seinem 23. Geburtstag, als Mehrheitseigner den seinerzeit hoch verschuldeten und vergleichsweise erschwinglichen Klub und baute seinen Einfluss aus. Mittlerweile gehören ihm 64 Prozent der Anteile; die restlichen 36 hält sein Geschäftspartner Juan Sartori. Der Sohn des 2009 im Alter von 63 Jahren verstorbenen Robert Louis-Dreyfus – hierzulande bekannt als ehemaliger Adidas-Chef und Strippenzieher rund um die WM 2006 in Deutschland – erkannte das Potenzial des chaotischen Vereins.

Für Sunderland machte Kyril eine Ausnahme, nachdem er zuvor der L’Équipe enttäuscht anvertraut hatte, seine Familie wolle mit Fußball nichts mehr zu tun haben, es sei ein „faules Geschäft“. Seine Entscheidung begründete er damit, der AFC Sunderland sei wegen seiner riesigen Anhängerschaft ein „besonderes Projekt“. Damit dürfte er auch die Aussicht gemeint haben, bei einer Renaissance des Klubs finanziell erheblich zu profitieren. In Sunderland begegnete man seinem Engagement anfangs mit Skepsis. Viele hielten ihn für einen jungen Mann, der mit ihrem Verein nur eine Runde Fußballmanager in der Realität spielen wolle. Zumal Louis-Dreyfus vorher sein Sportmanagement-Studium in England nach wenigen Semestern abgebrochen hatte.

Doch bald zeigte sich, dass Kyril Louis-Dreyfus, der sich selbst mit „KLD“ abkürzt, sehr wohl eine klare Vorstellung davon hatte, wie er Sunderland neu ausrichten wollte. Er setzte konsequent auf junge, unbekannte Spieler, weil sie deutlich günstiger sind als erfahrene Profis. Nach anderthalb Jahren stieg der Verein in die zweite Liga auf – und nach drei weiteren Spielzeiten in die Premier League. Den Erfolg widmete er seinem Vater, dessen Liebe und Gespür für Fußball ihn früh geprägt hatten. Auf Instagram teilte er ein Schwarz-Weiß-Bild des Seniors im Trikot von Olympique Marseille, den Klub hatte der Vater einst selbst gekauft. Dazu schrieb er: „Premier League. Das ist für dich. Deine Liebe zum Spiel lebt weiter. Wir vermissen dich.“

Leader aus Leverkusen: Granit Xhaka sorgt beim Aufsteiger für Ordnung im Mittelfeld.
Leader aus Leverkusen: Granit Xhaka sorgt beim Aufsteiger für Ordnung im Mittelfeld. (Foto: Jacques Feeney / Offside/Imago)

Auch im Oberhaus hat Sunderland seine Strategie nicht verändert. Im Sommer gab der Verein fast 200 Millionen Euro Ablöse aus – vornehmlich für Talente aus dem Ausland. Finanziert wurden die Ausgaben durch die hohen TV-Einnahmen und den Verkauf von Jobe Bellingham an Borussia Dortmund (30 Millionen Euro). Allerdings kamen Sportdirektor Florent Ghisolfi, sein Kollege Kristjaan Speakman und Trainer Le Bris, denen Louis-Dreyfus freie Hand lässt, zu dem Schluss, dass es in der Premier League auch erfahrener Anführer bedarf. So verpflichtete das Management den früheren Leipziger Nordi Mukiele aus Frankreich für die Abwehr und mithilfe der Kontakte von Louis-Dreyfus den Schweizer Granit Xhaka als neuen Kapitän aus Leverkusen. Beide tragen maßgeblich zum starken Saisonstart bei.

Der frühere Geschäftsführer des Klubs, Jim Rodwell, lobte im Athletic, Louis-Dreyfus habe nie die Absicht gehabt, den Reichtum seiner Familie in den AFC Sunderland zu investieren. Stattdessen wolle er den Verein organisch entwickeln. Eine seiner Stärken im Umgang mit dem unruhigen Klub sei es, „jeglichen Lärm auszublenden“. Auch jetzt bewahrt Louis-Dreyfus die Ruhe: In seinem jüngsten Post bedankte er sich für die Unterstützung der Fans und lobte das Team.