
Skateboarderin Alisa Fessl sucht sich noch das letzte Stückchen Schatten, das sie finden kann da unten am Olympiasee. Ein ins Wasser gebautes Monstrum aus Stahl und Holz spendiert der Österreicherin aus Villach diesen Schatten, und der ist wichtig an diesem schwül-heißen Donnerstag, dem Tag vor dem Start des Actionsportfestivals Mash im Münchner Olympiapark. Fessl, 24, die die Olympischen Spiele in Paris vor einem Jahr knapp verpasst hat, die viel auf Reisen ist, vornehmlich nach San Diego, „wo es an jeder Ecke einen guten Betonpark gibt“, wie sie erzählt, ist zum vierten Mal beim Mash, den Munich Action Sport Heroes. Einmal war sie Dritte, gerne möchte sie wieder aufs Podium, doch die Konkurrenz ist hart: Bis auf sie und eine weitere Starterin „sind alle, die antreten, bei Olympia dabeigewesen“. Andererseits findet sie den Wettbewerb in München sympathisch, gerade weil er nicht so riesig ist wie die XXL-Contests in Paris 2024 oder bei den X-Games: „Das Publikum ist super, und es ist nicht so der Druck da.“
Ortsbegehung also, es wird einiges geboten sein. Zwar wurde die Qualifikation der Skateboarder wegen eines Wolkenbruchs auf Samstag verschoben, dafür kürten die Wakeboarder am Freitagabend das beste Team. Der in Köln lebende Allgäuer Nico von Lerchenfeld gewann den Contest zusammen mit dem Briten Liam Peacock. Am Samstag folgen die Finals im BMX-Teamwettbewerb, der Wakeboarderinnen und der Skateboarder. Am Sonntag starten die Skateboarderinnen mit ihrem Finale, gefolgt von BMX (wo in diesem Jahr nur die Männer am Start sind) und den Wakeboardern. Ein dichtes Programm, das umrahmt wird von Dutzenden Workshops und anderen Mitmachangeboten, von Salsa und Siebdruck bis zu Tanzen, Graffiti und Skateboarden.
Die Wakeboard-Profis, zwölf Männer und sechs Frauen, küren ihre Sieger wie üblich auf dem unteren See gegenüber dem Olympiaturm. Dort steht nun auch Felix Georgii aus Kranzegg im Allgäu auf dem Startpodest und blickt aufs Wasser, in dem vor den Hindernissen ein paar kapitale Karpfen ihre Runden drehen. „Der Kurs sieht ganz cool aus“, sagt Georgii, der nicht nur wegen seines für Wakeboarder gehobenen Alters von 32 Jahren fast schon zum Inventar gehört. Georgii hat auch kaum einen der bislang zehn Mash-Contests ausgelassen. Am meisten gespannt ist er auf die neue, geriffelte Metallröhre in der Mitte des Sees, über die die Athleten rutschen oder springen können. „Da müssen wir beim Training jetzt rausfinden, wie sie zu fahren ist“, sagt Georgii, „man kann daran hängen bleiben, das macht es schwieriger.“ Laut ist sie auch, wie man nach ein, zwei Trainingsfahrten deutlich vernehmen kann.

:„Wer bei Mash startet, hat es geschafft“
Am letzten Juni-Wochenende lockt das Actionsport-Festival wieder mit Weltklasse-Athleten in BMX, Wake- und Skateboard sowie szenetypischer Unterhaltung in den Münchner Olympiapark – in diesem Jahr allerdings wegen der parallel stattfindenden X-Games in Salt Lake City mit dezimiertem Teilnehmerfeld.
Ein paar Meter neben Georgii, der neben Nico von Lerchenfeld und dem Münchner Dominik Gührs die deutschen Hoffnungen trägt, hat es sich Courtney Angus bequem gemacht. Die Australierin, einst Weltmeisterin, ist gerade auf monatelanger Europa-Tournee, Langenfeld, Litauen, München, Spanien, aber Mash sieht sie als „einen der besten Contests der Welt“. Und Deutschland überhaupt als Wakeboard-Eldorado. „Bei euch gibt es 100 Anlagen, in Australien gerade mal acht.“
Zu Fuß geht es jetzt an der Olympiaschwimmhalle vorbei Richtung Hans-Jochen-Vogel-Platz. Dorthin also, wo unten am See Alisa Fessl den Schatten sucht. Ihr Kollege auf den vier Rollen, Tyler Edtmayer aus Lenggries, ist auch wieder dabei, im Sommer 2024 hatte er Mash noch wegen der Olympischen Spiele in Paris verpasst. Und BMX-Fahrer Dean Florian freut sich schon, vom Startpunkt auf rund 3,80 Meter Höhe die Bahn hinunterzusausen.
Noch hört man die Akkuschrauber und die Bohrer, das Set-up, wie es im Jargon der Rampenbauer heißt, wird weiter aufgehübscht. Es hat Schanzen, Vertiefungen und Wellen, und der Chefkonstrukteur Andreas Schützenberger wirft mit allerlei Szenebegriffen um sich: Hips, Jumps, Corners, Wallride, Bowl. Vor allem aber sagt er: „Der Parcours wird viel, viel Spaß bringen. Und eine bessere Location kannst du nicht haben.“ Gute Werbung ist das. Noch Fragen?
160 000 Euro hat die Stadt zugeschossen zum rund eine Million Euro umfassenden Budget, etwas weniger als 2024, der Eintritt ist wie immer frei. Der Geist der Freiheit, die die Skateboard-, BMX- und Wakeboard-Szene ausstrahlt, soll nun wieder durch den Olympiapark wehen. Ohne zu viel Kommerz und Schnickschnack. Die rund 60 000 Euro Preisgeld, die insgesamt ausgeschüttet werden, sind ebenfalls noch überschaubar. „Wir brauchen und wollen auch gar nicht dieses exponentielle Wachstum“, sagt Organisationschef Frank Seipp mit Blick auf Kommerz-Veranstaltungen wie Olympia oder die X-Games, „wir arbeiten lieber an den Feinheiten.“
Das vertrocknete Gras auf dem Olympiaberg werden sie in den nächsten Tagen nicht mehr saftig-grün bekommen. Und all die braun-schwarzen Hinterlassenschaften der Enten auf den Rasenstufen, von wo aus das Publikum BMX und Skateboard verfolgen soll, werden auch kaum zu kompostieren sein. Aber diese Feinheiten meinte Seipp auch nicht. Es geht ihm um ein schön abgestimmtes Gesamtpaket, von dem alle profitieren: Auch die Sportlerinnen und Sportler, für die es Hotels gibt, einen Shuttleservice und eine Ruhezone mit Catering und Physiotherapeut.
Das Fest ist jedenfalls angerichtet, auch das Wetter soll halten. 96 000 Besucher kamen im vergangenen Jahr, vielleicht wird in diesem Sommer erstmals die 100 000er-Marke geknackt. Das wäre doch ein kleines, aber feines Wachstum.