Abschiebungen nach Syrien: Schon wieder schüren sie falsche Erwartungen

Als Friedrich Merz nach der Bundestagswahl die neue Regierung bildete, ließ er sich von diesem Gedanken leiten: Seine Union muss neben dem Kanzleramt zwingend zwei Ministerien besetzen, das Innenministerium und auch das Auswärtige Amt, obwohl es üblicherweise der Koalitionspartner bekommt. Allzu frisch war die Erinnerung an Ampelzeiten, in denen eine grüne Außenministerin noch die – aus Sicht der Union allzu zaghafte – Verhärtung der SPD-Migrationspolitik ausbremste. Nur so, mit den drei Schlüsselhäusern in einer Hand, könne man die versprochene Wende in der Asyl- und Migrationspolitik mit Leben füllen.

Diese Hoffnung auf Asylpolitik aus einem Guss war also durchaus begründet, doch sie hat sich, wie die vergangenen Tage gezeigt haben, nicht erfüllt. Die schrille Diskussion innerhalb von CDU und CSU über den Umgang mit syrischen Flüchtlingen führt vielmehr zu dieser Einsicht: Manchmal braucht die Union nicht einmal einen Konflikt mit der SPD, um die Regierung in eine missliche Lage zu manövrieren. Das schafft sie im nun eingetretenen Zweifelsfall auch ganz allein.

Außenminister gegen Innenminister, Fraktion gegen Außenminister, Außenminister abgetaucht, während die CDU-Spitze das alles zu einem „Scheinkonflikt“ herunterzumoderieren versucht. Vom Bundeskanzler ist erst gar nichts zu hören, seine Intervention erfolgt erst auf vielfache Nachfrage während eines Termins in Schleswig-Holstein, und sie wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Nein, niemand hat in diesem Streit eine gute Figur abgegeben.

Dabei ist die Frage, wie mit den knapp eine Million syrischen Flüchtlingen in Deutschland nach Ende des Bürgerkriegs umzugehen ist, relevant und drängend, sie bedarf einer Antwort. Und in der Sache liegen sie in der Union gar nicht einmal so meilenweit voneinander entfernt. Doch wieder einmal lassen verunglückte Kommunikation und im Übermaß vorhandenes Misstrauen Partei und Regierung schlecht dastehen. 

Wird so debattiert, wirken künftige Erfolge mickrig

Und nicht nur das, sie dürften auch einen großen Teil der gut 950.000 Syrer im Lande in noch größere Unsicherheit versetzen. Wer gehen soll, wer bleiben darf, das ist nach den Äußerungen von Kanzler, Außen- und Innenminister und nach diversen Erklärungsversuchen von Unionspolitikern am Dienstag noch unklarer als zuvor.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte am vergangenen Donnerstag in Syrien (genauer: im Damaszener Vorort Harasta, der in Schutt und Asche gelegt und mit Minen übersät ist) gesagt, in diese Umstände könne kaum ein Syrer bald zurückreisen wollen. Der Außenminister hatte da Rückkehrer im Sinn, also solche Syrer, die von sich aus die Entscheidung treffen, wieder ins Heimatland zu gehen, und nicht etwa abzuschiebende Straftäter, doch das war nicht eindeutig. Menschlich war die Äußerung inmitten einer dystopischen Szenerie verständlich, ja, er traf sogar einen selten empathischen Ton in einer Debatte, die viele in der CDU oft kühl führen. Doch bei einem Außenminister muss jedes Wort sitzen. Und wenn es das einmal nicht tut, dann muss er es rasch geraderücken. 

Das hat Wadephul versäumt, er scheint unbeeindruckt von der Kritik aus den eigenen Reihen. Erst am Montag ließ er seinen Sprecher die Unterschiede von freiwilliger Rückkehr und Abschiebungen beschreiben. Da tobte die Fraktion längst. Am Dienstag dann, fünf Tage nach den Sätzen von Damaskus, sprach Wadephul selbst. Nachmittags in der Fraktionssitzung erklärte sich der Außenminister, musste sich von Fraktionschef Jens Spahn rüffeln lassen – und blieb, so berichteten Teilnehmer, bei seiner Schilderung der dramatischen Zustände in Syrien.

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) wiederum, der die versprochene Migrationswende verkörpern will, tut so, als stünden massenhafte Abschiebungen nach Syrien bevor, während sein Ministerium gerade einmal 920 abzuschiebende Syrer zählt, die keinen Duldungsstatus haben. Der Innenminister sieht sich gezwungen, das Thema zu forcieren, aber er schafft hier Erwartungen, die er kaum erfüllen kann. Mehrere Unionspolitiker taten es ihm gleich, ganz so, als wären die rechtlichen Hürden für Abschiebungen in ein Land, dessen Sicherheitslage schwer abzuschätzen ist, nicht extrem hoch. Gerichte urteilen auf Grundlage von Lageberichten des Auswärtigen Amts, auch wenn es um die Abschiebung von Straftätern geht. Es wäre deshalb ein Erfolg, wenn bald einige Hundert Straftäter und Gefährder tatsächlich nach Syrien gebracht würden – doch das Resultat könnte angesichts der Äußerungen dieser Tage dann mickrig wirken.