Abnehmtipps auf Instagram und Tiktok „10 Kilo Gewichtsverlust in zwei Wochen!“ – Influencer machen falsche Versprechen

Extreme Diäten, angebliche Superfoods, spezielle Ernährungsformen – in sozialen Netzwerken propagieren Influencer fragwürdige Abnehmtipps. Ein Ernährungsmediziner erklärt, welche Trends besonders gefährlich sind und was es stattdessen braucht.

Es klingt zu schön: Smoothies helfen gegen Entzündungen, Papaya gegen Pickel und Apfelessig macht schlank. „Auf Instagram, TikTok oder YouTube kursieren jede Menge Falschinformationen“, sagt der Lübecker Ernährungsmediziner Martin Smollich. In kaum einem anderen Bereich gebe es so viele Mythen und dubiose Influencer mit teilweise gefährlichen Falschinfos. Smollich findet: „Diese Entwicklung ist besorgniserregend.“

Reichweite und Geschwindigkeit von Social Media hätten den Nährboden für Ernährungsmythen „erheblich vergrößert“, erklärt der Experte, der am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck lehrt und forscht. Es gehe um extreme Diäten, angebliche Superfoods, spezielle Ernährungsformen oder unbewiesene „Wunder-Lebensmittel“. Extremaussagen („Das solltest Du nie wieder essen!“), unseriöse Versprechen („10 Kilo Gewichtsverlust in zwei Wochen!“) oder private Anekdoten („Bei meiner Freundin hat es geholfen“) der Influencer seien typische „red flags“, also Warnsignale.

Wesentliche Treiber der Fake-Infos seien Algorithmen, die Kontroversen und undifferenzierte Botschaften beförderten. Wissenschaftliche Fakten spielen da keine Rolle. „Ernährungsthemen polarisieren besonders, weil sie jeden Menschen betreffen und ideologisch aufgeladen sind“, so der Ernährungsmediziner weiter. Zu den häufigsten Fehlinformationen im Web zähle etwa, dass Kohlenhydrate oder Ballaststoffe grundsätzlich schlecht und Samenöle ungesund sein sollen.

„Low Carb“ und „Clean Eating“ – nicht per se gesund

„Insbesondere Rapsöl wird in den sozialen Medien als minderwertig dargestellt, was der gesamten Datenlage widerspricht“, sagt Smollich. Fachgesellschaften würden Rapsöl und Olivenöl als beste Speiseöle empfehlen. „Ballaststoffe aus Haferflocken, Gemüse und Obst zählen zu den meistunterschätzten Inhaltsstoffen von Lebensmitteln.“ Sie verbesserten die Verdauung, wirkten sich positiv auf Blutzucker, Cholesterinspiegel und Entzündungen aus und senkten das Krebsrisiko.

Besonders kritisch sieht Smollich den aktuellen Hype um ketogene Ernährung, in der fast vollständig auf Kohlenhydrate verzichtet werde: „Dadurch steigt das Risiko für Nährstoffmängel.“ Ärgerlich findet er auch die pauschale Negativ-Bewertung von verarbeiteten Lebensmitteln: „Das ist völlig unseriös, da die Qualität eines Lebensmittels von seiner Zusammensetzung abhängt.“ Wenn Haferdrinks mit Vitaminen angereichert würden, sei dies zwar ein hoch verarbeitetes Produkt, habe aber deutlich bessere Nährwerte.

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Der Konsum möglichst wenig verarbeiteter Nahrungsmittel, das sogenannte „Clean Eating“, ist seit Langem ein Trend auf Social Media – also der Verzicht auf Fertiggerichte, Zucker und industriell produzierte Lebensmittel mit Zusatzstoffen. Krankenkassen wie die Barmer betonen, dass diese Ernährungsweise gesundheitliche Vorteile bietet. Keinesfalls aber sollte auf ganze Lebensmittelgruppen verzichtet werden.

Längst ist Social Media zum gängigen Informationskanal über Ernährung geworden. Vor allem junge Menschen suchen Tipps auf TikTok: 87 Prozent von ihnen nutzen Ernährungs- und Gesundheitsratschläge, 57 Prozent gaben an, dass sie von TikTok-Ernährungstrends beeinflusst würden, wie eine internationale Umfrage der GesundheitsApp „MyFitnessPal“ aus dem Jahr 2024 ergab.

Ein Problem sei, dass es für Nutzerinnen und Nutzer kaum erkennbar sei, ob Influencer glaubwürdig seien oder nicht. Smollich rät, auf glaubwürdige Quellen und eine objektive Fachkompetenz wie ein abgeschlossenes Studium der Ernährungswissenschaften zu achten. „Seriöse Ernährungstipps sind wissenschaftlich belegt, nachvollziehbar, ausgewogen und frei von Panikmache oder Heilsversprechen.“

Sechs Regeln für Ernährungstrends auf Instagram und Tiktok

Die Stiftung Gesundheitswissen empfiehlt, auf sechs Punkte zu achten: Welche Absichten verfolgt die Information? Könnte es sich um Werbung handeln? Wer hat die Information erstellt – steckt dahinter ein Mensch mit Fachwissen? Wie aktuell ist die Information? Ist die Information neutral formuliert? Und schließlich sei wichtig: Werden Quellen angegeben?

Vielfach gefordert werden Ernährungsbildung in Schulen und die Förderung digitaler Kompetenz, um Manipulationstechniken erkennen zu können. Für Jana Fischer von der Verbraucherzentrale Hamburg ist das zu wenig: „Mit Bildung allein werden wir es nicht schaffen“, sagt die Fachreferentin. Sie fordert mehr behördliche Kontrollen.

„Die Regeln gegen werbliche Falschaussagen gibt es schon“, sagt Fischer, die selbst keine Tipps aus dem Web braucht. Für sie besteht gute Ernährung im Großen und Ganzen aus frischem Obst, Gemüse und Vollkorngetreide – „das ist doch eigentlich ganz einfach“.

epd/wb