Als „historischen Event-Familienfilm“ bezeichnet die ARD „Bach – Ein Weihnachtswunder“. Neben Devid Striesow in der Rolle des Leipziger Kantors spielt Verena Altenberger als gesanglich ausgebildete Ehefrau Anna Magdalena eine Hauptrolle. Eine besondere Würdigung findet Bachs talentierter, erwachsener Sohn Carl Philipp Emanuel – besetzt mit Striesows eigenem Sohn.
AZ: Herr Striesow, Sie waren als historische Figur schon Luther, jetzt spielen sie Bach… alles protestantische Ikonen.
DEVID STRIESOW: Ich wollte vor allem immer mal einen Dirigenten spielen. Und dann kam meine Agentin und sagte: Du könntest Johann Sebastian Bach spielen. Das war die Chance. Wunderbar. Ein Student aus Weimar, der Dirigat studiert, hat mich dann eingewiesen. Das ist ja das Tolle am Schauspielen: Man kann Mäuschen sein und in andere Zeiten und Menschen blicken – und vor allem in andere Tätigkeiten. Es war fantastisch – und wenn man dann da vorne steht und um einen herum erklingt diese Musik, deren Taktgeber man ist…
Aber Bach war kein Dirigent in unserer heutigen Vorstellung vor einem Symphonieorchester, eher ein Kapellmeister.
Natürlich darf man sich Bach nicht vorstellen wie einen Karajan, aber Taktgeber und Einsätze sind schon da – und bei der Polyphonie Bachs auch extrem anspruchsvoll. Und natürlich ist er wohl nicht vorne gestanden, sondern saß am Cembalo und an der Orgel und hat von dort den Takt und die Einsätze gegeben….
Sind die Szenen historisch genau?
Wir sind keine Musikwissenschaftler gewesen, wir wollten den Geist dieser Musik einfangen, dazu von Bach erzählen, der ein unheimliches Pensum hatte: Familie, Liebe, die Thomaner-Jungen, die drüber wohnten und für die er verantwortlich war, Unterrichten, Komponieren, Verwalten.
Wie haben die das damals alles geschafft?
Sie waren weniger abgelenkt durch Medien, Werbung, telefonieren. Ich selber merke den Unterschied, wenn ich eins meiner Kinder in die Schule bringe, den anderen zum Kindergarten, dann kommt Taekwondo… Das ist wohl, was man Helikoptereltern nennt. Ich wollte Bach zwar in seiner immensen Belastung zeigen, aber nicht als mürrischen Menschen, nicht als Patriarchen, sondern als Mittelpunkt der Familie, mit einer großen Liebe zu seiner Frau Anna Magdalena, die ihn auch liebte, und die wohl auch noch lange miteinander ins Bett gingen. Bach hat das alles hinbekommen, er war immer auf Sendung und gleichzeitig in seiner Musik und seiner Inselbegabung gefangen – im positiven Sinne. Aber es war mehr als „Ora et labora“.
Ein bisschen half, dass er frühere Kompositionen wiederverwenden konnte.
Ja, eine Art Recycling…
…musikwissenschaftlich Parodieverfahren genannt…
Und trotzdem ist das Pensum des Neuen, das er geschaffen hat, schwer vorstellbar.
Wie sind sie in diese Rolle hineingekommen? Sie sollen ja 20 Kilo zugenommen haben…
Ja, es ging aber gar nicht so sehr um die Optik. Es ist einfach ein anderes Körpergefühl, und das wollte ich spüren und auch im Film leben und zeigen. Nur hat danach meine Familie gelitten wie ein Hund, weil ich 17 Kilo wieder abgenommen habe, und das war so hart, dass ich dauernd schlechter Laune war… Fünf müssen noch runter…
Was sich jetzt schlecht mit Weihnachten verträgt.
Stimmt, wir feiern Weihnachten in großer Runde und opulent, die ganze Familie und Freunde kommen zusammen. Ich habe – wie ja Bach auch – viele Kinder. Es ist alles festlich.
Erklingt da das Weihnachtsoratorium?
Auch. Und ich kann sagen: Wir haben den Film gerade in Essen in der Lichtburg gezeigt vor über 800 Menschen – und viel sind danach zu mir gekommen – tief berührt und haben gesagt: „Herr Striesow, ich habe geweint.“ Für viele war das ein überwältigendes Erlebnis. Das ist es, was diese Musik macht: Einen in höhere Sphären rücken, man spürt das Erhabene, Große. Es ist unglaublich, wie diese Musik jauchzt, aufbraust, in die Höhe schießt. Das erreicht jeden.
Die Eingebung für diese Musik war für Bach natürlich auch Gott selbst. Sind Sie religiös?
Nein, ich bin in der DDR atheistisch aufgewachsen. Ich glaube, man muss Religion von Kindheit auf lernen, damit Glaube funktioniert.
Der berühmte Atheist Friedrich Nitzsche hat gesagt, dass man mit Bach wieder das Evangelium spüren können.
Ja, auch ich spüre das Erhöhende in der Musik: Bach, Mendelssohn. In Orten und Städten, wo ich bin oder drehe, gehe ich immer in die Kirchen und lasse den Raum auf mich wirken. Auch das ist eine Art von Spiritualität.
Sind sie ein Barockmensch?
Irgendwie schon. Und am Set war alles bis in Details echt, so dass ich mich wirklich zurückfühlen konnte: Aus dem Glas am Tisch konnte man trinken…
Wie Bach: dauernd Dünnbier?
…. Nein, Tee war da drin, aber die Pfeife, die dalag, konnte ich rauchen und mit der Feder wirklich Noten schreiben. Und wenn wir in einer Szene noch einmal zurückgegangen sind, wurden wirklich wieder die richtigen Kantaten im Hintergrund zum Trocknen aufgehängt.
Aber der Film wurde im Merseburger Dom gedreht und nicht in der Thomaskirche in Leipzig.
Weil es um den Geist der Musik und der Zeit geht. Der Film kommt vom Herzen. Die Thomaskirche war für den Dreh nicht geeignet. Auch das Weihnachtsoratorium wurde ja zu Bachs Lebzeiten nie in einem Stück aufgeführt, sondern an sechs Sonn- und Feiertagen. Das ist künstlerische Freiheit
Nur sieben Jahre vor dem Weihnachtsoratorium hat Bach sein größtes Werk komponiert: die „Matthäuspassion“. Das wäre doch ein gutes Folgeprojekt.
Ich schlage das gleich mal vor! Allerdings werde ich mir nicht noch einmal 20 Kilo anfuttern, um es dann wieder runterzuhungern. Das war zu hart.
ARD, 20.15 Uhr und in der Mediathek
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