
Abhusten mit Folgen
Auch das Am-Kaffee-Verschlucken kann ein Arbeitsunfall sein
19.06.2025, 19:20 Uhr
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Darüber, wann ein Arbeitsunfall vorliegt, wird oft und ergiebig vor Gerichten gestritten. Denn nicht selten werden Verunglückten Leistungen verweigert. Doch manchmal kommt es auch anders, denn der Anlass der Tätigkeit zählt.
Nicht jeder Unfall, der sich während der Arbeitszeit oder dem Weg zum Job ereignet, ist automatisch ein Arbeitsunfall und damit ein Fall für die Unfallversicherung. Laut einschlägigen Gerichtsurteilen kommt es darauf an, ob dem Unfall eine betriebliche Tätigkeit zugrunde gelegen hat. Eine der wichtigsten Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung ist es, Unfälle zu verhüten. Leider gelingt das nicht immer. Kommt es doch zu einem Arbeitsunfall, sind die Betroffenen durch ein Betreuungs- und Entschädigungssystem der Unfallversicherungsträger abgesichert.
Darüber, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, wird aber oft und ergiebig gestritten. So auch in einem Fall, der vor dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt in Halle verhandelt wurde, welches entschied, dass wenn sich ein Arbeitnehmer beim Kaffeetrinken verschluckt und infolgedessen stürzt, dies im Einzelfall einen Arbeitsunfall darstellen kann (Az.: L 6 U 45/23).
Wie war der Fall?
Der Kläger war als Vorarbeiter auf einer Baustelle beschäftigt. Beim Kaffeetrinken während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer verschluckte er sich, ging hustend zur Tür, um sich draußen auszuhusten, dabei verlor er kurz das Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Das sei kein Arbeitsunfall, befand die zuständige Berufsgenossenschaft, denn das Kaffeetrinken habe keinen betrieblichen Zwecken gedient. Es sei vielmehr dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen. So sah es auch das Sozialgericht, das in erster Instanz über den Fall zu entscheiden hatte.
Das Urteil
Zu Unrecht, befand nun das LSG. Zwar erstrecke sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird.
Im vorliegenden Fall sei das Kaffeetrinken aber nicht auf das Grundbedürfnis des Durstlöschens gerichtet gewesen, sondern habe (auch) betrieblichen Zwecken gedient, so das LSG. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt. Zudem habe der Kaffee für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt.
Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, der sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert habe. Deshalb sei der Fall auch anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer zum Beispiel in der Frühstückspause an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und wurde zur Revision beim Bundessozialgericht zugelassen.