Wo soll das alles noch hinführen? Beim letzten Besuch in der Olympiahalle baute Apache 207 (mit Über-Hit „Komet“) noch eine Tankstelle auf die Bühne. Für die aktuelle Tour setzte er einen drauf: An drei ausverkauften Abenden in München parkte er ein echtes, ehemaliges Passagierflugzeug als begehbare Bühne mitten in der Halle. Respekt vor so viel Kreativität, Mut und Show-Willen. Dabei hätte der Mega-Star diese Riesenrequisite gar nicht nötig. Er würde die Hallen wohl auch ohne Flugzeug mit seiner Mischung aus 80er, Pop und Hip-Hop füllen. Doch die Botschaft ist klar: höher, schneller, weiter. Im musikalischen Bordservice verteilt der Mannheimer keinen langweiligen Tomatensaft, sondern Hits wie „Roller“ oder „Morgen“ – millionenfach gestreamt. Bitte anschnallen: In gut zwei Flugstunden schwebte der „Apache-Airbus“ (eigentlich ein Bombardier CRJ-200) quer durch eine beeindruckende Karriere.
Bevor der wilde Ritt unter dem Zeltdach begann, tönte eine stilechte Kabinen-Durchsage durch die Halle: „Willkommen an Bord“. Mit Turbulenzen sei zu rechnen, warnte die Stimme. Die gab es aber nur draußen vor der Tür. Die Tickets waren personalisiert. Ein vergessener Ausweis oder der falsche Name auf der Karte sorgten bei manchen Fans für Wartezeiten und fragende Gesichter.
14.351 Fans beim ersten von drei Apache-207-Konzerten in der Olympiahalle
Die Videowand vermeldete dann aber 14.351 Passagiere, die auf den Abflug warteten. Und wo sonst als auf dem Pilotensitz sollte der Star seine Show starten? Die AZ beobachtete vor dem Start, wie der Sänger in einer großen Bühnen-Box zwischen ahnungslosen Zuschauern zur Bühne geschoben wurde. Schon beim Opener „Ein Song für dich“ waberte dieser typische Apache-Synthie-Pop durch die Halle. Breit, melancholisch, sofort hallentauglich. Dazu jene unverkennbare Stimme zwischen Piloten-Coolness und dem Schmerz aus dem Ludwigshafener Plattenbau.
Volkan Yaman, so der echte Name, zeigte sich dabei menschlich: Trotz wohl nahender Erkältung und kleiner Räusperer ließ er es sich nicht nehmen, bei der Fahrt auf einer riesigen Wolke eine Zigarette anzustecken („Wolken“). Zwischendurch nippte er immer wieder an seinem Tee-Getränk und ließ sich, fast unbemerkt, von einem Mitarbeiter einen Löffel Honig für die strapazierten Stimmbänder reichen.
Im Autotune-Aufwind flog dann sprichwörtlich das Dach weg – nämlich das vom Flieger. Die Decke des Jets hob und senkte sich, der ehemalige Passagierraum wurde zur Bühne. Als Zuschauer wusste man kaum, wo man zuerst hinschauen sollte: Zum Star, der im eleganten Anzug auf dem Seitenruder balancierte („Loser“)? Ins Feuergewitter oder auf die rauchenden Turbinen bei „Fühlst du das auch“? Oder auf das Lichtermeer der tausenden LED-Armbänder im Publikum?

© Gerd Wallhorn
von Gerd Wallhorn
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Erstmals mit vier Live-Musikern auf der Bühne
Ein entscheidender Unterschied zu früher: Erstmals hatte Apache vier Live-Musiker dabei. Die Hits kamen nicht mehr nur vom DJ-Pult, sondern bekamen mit Keyboard, Gitarren und Drums echten Band-Charakter. Es war vielleicht eines der wenigen Konzerte in der Olympiahalle, bei dem ein Platz in den hinteren Rängen der bessere war. Der Blick von oben auf den riesigen, perfekt ausgeleuchteten Flieger inmitten der leuchtenden Reihen war schlicht spektakulär.
Die schönsten Szenen entstanden jedoch immer dann, wenn der Sänger das Cockpit verließ. Umringt von drei Security-Mitarbeitern suchte er bei „Neunzig“ die Nähe der Fans im Innenraum. Die vier großen Leinwände fingen glückliche Gesichter ein, die einen Handschlag, eine Umarmung oder ein Küsschen ergatterten. Riesenjubel brandete auf, als der wohl jüngste Fan des Abends auf Papas Schultern eine extra lange Begrüßung bekam oder Fan Karl den Song „Miami“ ansagen durfte.
Der Beat zog über die Show hinweg an, als würde jemand den Schubhebel nach vorne drücken. „Fame“ und „200 km/h“ sorgten für Tempo. Zum Ende verausgabte sich der Star bei „Coco Chanel“ oder „Mann muss“ in Lederkluft. Die Songs klangen dabei überraschend oft wie ein Landeanflug bei Nacht: bunt, grell, sofort sichtbar und trotzdem hing ein Rest Einsamkeit und Stille in der Luft. Eine Mischung aus Party und Melancholie, die nicht immer für ekstatischen Jubel sorgte, aber eben für diese besondere Atmosphäre.
Eine Nacht wie Kondensstreifen im Kopf
Hinter dem Spektakel steckt enorme Logistik: Rund 30 Lkw warteten vor der Tür, um die Show von Ort zu Ort zu transportieren. In neun Teile wird allein der Flieger zerlegt, verrieten die Veranstalter auf AZ-Nachfrage. Der Bombardier-Jet wurde vor dem Tourstart in den USA demontiert, zwei Wochen lang in Containern über den Atlantik verschifft und für die Bühnenshow umgebaut.
Spektakel hin oder her: Am Ende trägt nicht das Flugzeug die Show, sondern die Songs. Das war kein Billigflieger-Ausflug, sondern erste Klasse Entertainment mit einem richtig guten Sänger und Rapper. Eine Nacht wie Kondensstreifen im Kopf: Einmal gezogen, verschwinden sie nicht so schnell.
