
Ohne Zuwanderung aus
Drittstaaten würde es längst kein Wachstum mehr am Arbeitsmarkt geben, sagt Daniel
Terzenbach, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA). Von 2023 bis Ende 2024 war
er für die Ampelregierung auch Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die
Integration von Geflüchteten in Arbeit.
DIE ZEIT: Herr
Terzenbach, kaum eine Woche vergeht, in der nicht Unternehmen Stellenabbau
verkünden. Wie blicken Sie auf das Krisenjahr 2025 am Arbeitsmarkt?
Terzenbach: Es sind schon mehr dunkle Wolken am Himmel als heller Sonnenschein. Wir sehen einen Stellenrückgang in der Industrie. Im verarbeitenden Gewerbe gehen jeden Monat mehr als 10.000 Jobs verloren. Positiv ist trotzdem, dass die Zahl sozialversicherungspflichtiger Jobs in diesem Jahr sogar leicht gestiegen ist. Dieses Wachstum kommt allerdings ausschließlich aus Teilzeit, Vollzeitbeschäftigung geht zurück.
ZEIT: Das klingt
jetzt wenig zuversichtlich.
Terzenbach: Jein. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt zwar leicht, bleibt im EU-Vergleich aber eine der niedrigsten. Aber am Ausbildungsmarkt beobachten wir eine Schere, die sich nach einer langen Phase wieder mehr und mehr schließt. Es gibt weniger Ausbildungsplätze und mehr Bewerberinnen und Bewerber, die keine Stelle finden. Die führenden Institute, darunter unser Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), erwarten auch für das nächste Jahr keine starke Erholung, das Credo ist: Es wird nicht einfacher.
ZEIT: Es ist vor allem der öffentliche Dienst, der Stellen
schafft. Ist das gesund?
Terzenbach: Nicht nur die öffentliche Verwaltung, sondern überwiegend die Bereiche Erziehung, Pflege und Gesundheit, die suchen zum Beispiel intensiv Personal. Hier ist der Personalaufbau dauerhaft, weil die alternde Gesellschaft mehr Versorgung braucht und weil mehr Kinderbetreuung benötigt wird. Das Personalplus in den Verwaltungen ist aus meiner Sicht dagegen ein Übergang: Mit der Digitalisierung, Automatisierung und künstlicher Intelligenz, die in der Verwaltung ehrlicherweise noch eher die Ausnahme ist, werden viele Standardprozesse schneller und schlanker – dadurch flachen die Personalbedarfe mittelfristig ab.
ZEIT: Sie sehen tatsächlich
schon konkrete Effekte von KI auf Beschäftigung?
Terzenbach: Tendenziell werden wir bedingt durch KI zunächst vor allem Produktivitätsgewinne sehen: mehr Leistung pro Kopf, nicht zwangsläufig mehr Köpfe. Erst wenn die Konjunktur wieder anzieht und die Nachfrage steigt, wird auch die Zahl neuer Stellen wachsen. Bislang sind die Effekte von KI eher anekdotisch, aber in einigen Bereichen schon messbar. Übersetzungstätigkeiten und Textzusammenfassungen werden zunehmend von KI-Tools übernommen. In den Branchen Medien, Grafik und Design übernehmen KI‑Tools Routinearbeiten. Teams werden also kleiner, freie Aufträge seltener. In der Industrie sind wir in einer Art Testphase: Es gibt viele Projekte mit KI, die jetzt schon bei Qualität, Wartung und Planung helfen, Teile von Prozessen werden effizienter, sodass Aufgaben mit weniger zusätzlichen Stellen bewältigt werden können.
ZEIT: Das klingt
mittelfristig nach Stellenabbau.
Terzenbach: So eindeutig ist
das aber nicht. Das hängt erstens davon ab, ob die Firmen die
Produktivitätsgewinne nutzen, um zu wachsen und neue Produkte anzubieten, und zweitens,
wie schnell sie ihre Leute qualifizieren, damit Beschäftigte in Tätigkeiten mit
Zukunftsperspektive wechseln können. Speziell Deutschland steht an einer
entscheidenden Schwelle: Die breite Umsetzung von KI braucht jetzt Investitionen,
IT-Sicherheit und neue Abläufe, das kostet Zeit und sollte so bürokratiearm wie
möglich passieren. Die USA und China sind viel weiter, auch weil sie weniger regulatorische
Hürden haben.
