Skispringer Felix Hoffmann: Überrumpelt vom größten Erfolg seiner Karriere – Sport

Felix Hoffmann war irritiert. Gerade hatte er erfahren, dass der zweitplatzierte Slowene Timi Zajc beim Auftaktspringen in Oberstdorf nach seinem zweiten Sprung und kurz vor der Siegerehrung disqualifiziert worden war. Wegen eines um drei Millimeter zu kurzen Anzugs, wie Chefkontrolleur Mathias Hafele später erklärte. Hoffmann dachte im Schanzenauslauf nur: „Was ist jetzt los? Dann habe ich schnell meine Startnummer wieder rausgekramt, drübergezogen und durfte glücklicherweise doch noch mit zur Siegerehrung mit aufs Podest.“

So kann man überrumpelt werden nach dem größten Erfolg seiner Karriere bei einem Wettkampf der Vierschanzentournee.

Hoffmann war auf der Schattenbergschanze vor 25 500 Zuschauern auf 132,5 und 136 Meter hinein ins deutsche Fahnenmeer gesprungen, was zunächst Rang vier hinter dem überragenden Domen Prevc, Zajc und Vorjahres-Tourneesieger Daniel Tschofenig bedeutete. Doch rund 30 Minuten später bestätigte Hafele die Disqualifikation für Zajc. Die seit dem Anzugskandal bei der WM in Trondheim strengeren und genaueren Messungen stoßen auf allgemeine Zustimmung, auch in Oberstdorf: „Man sieht, es wird keiner verschont. Wenn etwas nicht passt, dann passt es nicht“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher. Den Slowenen blieb nichts anderes übrig, als die Entscheidung hinzunehmen. „Es wurde mehrmals nachgemessen, jetzt haben wir keine Chance mehr. Das müssen wir leider akzeptieren“, sagte Cheftrainer Robert Hrgota: „Es tut mir leid für Timi. Er hatte endlich seine Form gefunden.“

Anfang November wurde Hoffmann plötzlich deutscher Meister, vor Philipp Raimund und Pius Paschke

Hoffmann, der 28-jährige Spätstarter vom Ski- und Wanderverein Goldlauter-Heidersbach aus Suhl, ist ebenfalls bestens in Form. Ausgerechnet im Olympiawinter springt er so gut wie noch nie in seinem Leben – und profitiert nun in Oberstdorf auch von Schludrigkeiten der Konkurrenz beim Material.

Dabei war dieser 1,70 Meter kleine, leichte Springer vor seinen guten Weltcup-Leistungen Ende November und im Dezember kaum in Erscheinung getreten. Der Bundespolizist, der in Duktus und Physis ein wenig an den einstigen Skisprungfloh Jens Weißflog erinnert, sprang seit seinem Weltcup-Einstieg vor neun Jahren zwar mit, aber vorne dabei war er eigentlich nie. Er wechselte vielmehr zwischen Weltcup und dem zweitklassigen Continental Cup hin und her. Auch bei der Vierschanzentournee erregte er bislang eher wenig Aufmerksamkeit. Bis Hoffmann Anfang November urplötzlich deutscher Meister wurde, vor Philipp Raimund und Pius Paschke. „Phasenweise lief es auch mal ganz gut, was einem aufgezeigt hat: Hey, eigentlich geht da noch mehr. Aber die Konstanz, der letzte Schritt, die waren noch nicht da“, sagt Hoffmann.

Der Felix ist ein ruhiger, introvertierter Typ. Der ist fast immer gleich. Da brauchst du eine Lupe, dass du in den reinschauen kannst.

Bundestrainer Stefan Horngacher

2017 zog er aus seiner Heimat an den Chiemsee, zur Sportfördergruppe der Bundespolizei in Rosenheim – und zur Trainingsgruppe um die beim Tournee-Auftakt in Oberstdorf enttäuschenden Paschke und Andreas Wellinger. Taugliche Schanzen in der unmittelbaren Umgebung gibt es dort zwar nicht, aber Innsbruck, Bischofshofen, Oberstdorf oder Stams sind nicht allzu weit weg. „Ich glaube, da hat er ziemlich viel rausgezogen über die zwei Profis, wie die trainiert haben, was die reden et cetera. Und da hat er sich sauber hochgekantelt“, sagt Bundestrainer Horngacher: „Er hat seine ganzen Hausaufgaben gemacht, die wir ihm aufgegeben haben. Skispringen kann er, das haben wir immer schon gewusst.“

Anders als der extrovertierte Raimund, der als Fünfter von Oberstdorf nur knapp hinter dem Podest liegt, ist Hoffmann eher ein leiser, zurückhaltender Vertreter seiner Zunft. Einer, der höflich lächelt, aber nicht viel von sich preisgibt in der Öffentlichkeit. Auf die immer schwierige Frage, wie er sich selbst einschätze, antwortete Hoffmann vor Weihnachten beim Weltcup in Engelberg: „Ich bin jetzt nicht wahnsinnig extrovertiert, dass ich auf Leute zugehe und das Gespräch suche. Ich höre auch gerne zu, verarbeite das und überlege mir, was sage ich jetzt oder sage ich halt einfach nichts und lasse das mal so stehen.“ Auch wenn dies manchmal gehemmt wirke: „Eigentlich probiere ich, die Dinge gut aufzunehmen.“

Felix Hoffmann auf dem Weg zu Platz drei in Oberstdorf.
Felix Hoffmann auf dem Weg zu Platz drei in Oberstdorf. (Foto: Kacper Staniec/Newspix/Imago)

Horngacher, der in seinem langen Trainerleben schon die ganze Bandbreite an Skisprung-Charakteren erlebt und geformt hat, muss schmunzeln, wenn er Hoffmann charakterisieren soll: „Der Felix ist ein ruhiger, introvertierter Typ. Der sagt nicht viel. Der ärgert sich auch nicht so schlimm. Der ist fast immer gleich. Da brauchst du eine Lupe, dass du in den reinschauen kannst.“ Aber vielleicht ist es ja gut, sich in diesen Tournee-Tagen, an denen viele Augen auf die Skispringer gerichtet sind, mit so einem leicht lächelnden Pokerface auszustatten, dem keiner böse sein kann.

Ein wenig erleichtert sei Hoffmann gewesen nach seinen beiden Springen in Oberstdorf. Was, wenn man mit der Lupe hinschaut, ein Zeichen dafür war, dass seine Anspannung groß gewesen sein muss. Es ist nicht so, dass er bislang oft als Mitfavorit vom Balken vor einer solchen Kulisse gesprungen ist. Im Grunde hatte er diese Rolle noch nie in seiner Karriere. Aber er findet sich erstaunlich gut zurecht. Auch weil er, bei aller Bescheidenheit, genau weiß, was er zu leisten imstande ist. Jetzt, da er mit 28 Jahren den letzten Schritt in die Weltspitze gegangen ist.

Am Dienstag erledigten Hoffmann, Raimund sowie die eher am Boden zerstörten Paschke, Wellinger und der in der Qualifikation gescheiterte Karl Geiger noch eine Krafttrainingseinheit in Oberstdorf. Dann machte sich der Tross auf nach Garmisch-Partenkirchen, in Richtung Neujahrsspringen. Hoffmann und Raimund trennen als Teil einer fünfköpfigen Verfolgergruppe des Überfliegers Prevc umgerechnet nur knapp einen Meter. Und dass zwei Deutsche im Kampf ums Podest vereint sind, das hat es lange nicht mehr gegeben. „Es ist einfach schön, einen Teamkollegen mit dabei zu haben“, sagte Raimund. „Wenn jemand dabei ist, den man gut kennt und mit dem man gut kann, gibt das noch mal ein positives Gefühl“, ergänzte Hoffmann. Die Schanze in Garmisch-Partenkirchen liegt Hoffmann wie auch Raimund besser als jene in Oberstdorf, wie Horngacher betonte: „Sie können jetzt frei aufspringen und haben eigentlich keinen Druck mehr.“ Wenn ihnen der Wind keinen Strich durch die Rechnung macht – es soll stürmisch werden am Neujahrstag.