Katzen sind gar nicht so. Sind nicht bloß niedlich und struppig, nicht bloß ewig possierliche Stars auf Instagram und TikTok. Katzen sind auch politische Tiere, wie spätestens im letzten US-Wahlkampf überdeutlich wurde. Da war die Demokratin Kamala Harris vom Republikaner J. D. Vance als „cat lady“ geschmäht worden, verbittert, kinderlos, nur ums eigene Haustier kreisend. Woraufhin sich Harris und viele weitere Unterstützerinnen diesen Titel selbstbewusst aneigneten, darunter auch Taylor Swift. Es wurden Mützen mit Katzenohren gestrickt, „Pussyhats“, und damit auf den Straßen protestiert. Die Katze, ein Tier des Widerstands.
Daran erinnert gerade die große Ausstellung KATZEN! in Hamburg, die sich der keineswegs samtpfotigen Geschichte der Katze widmet. Von den sogenannten LOLcats, Meme-Pioniere der späten Nullerjahre, sowie anderen kultigen Internetphänomenen geht es einmal quer durch die jahrtausendealte Kultur, die Mensch und Katze fest verband, dabei immer die eine Frage im Blick: Was ist es, das viele an diesem Tier so fasziniert?
Auch Katzen mussten auf den Scheiterhaufen
Sie war ja nie eine treue Begleiterin, kein Ersatzkind wie der Hund. Nein, die Katze könnte eigenwilliger kaum sein. Und das imponiert vielen Menschen – als solch selbstbestimmte Wesen wollen sie sich schließlich auch verstanden wissen. Und womöglich prädestiniert genau das die Katze als Wappentier so vieler politischer und ideologischer Konflikte.
So wurden bei den Hexenverfolgungen nebst den angeklagten Frauen deren Katzen gleich mitverbrannt. Und selbst hunderte Jahre später verhöhnte man die Suffragetten auf Postkarten als zahme, flauschige Kätzchen.
Lange war die Katze jedoch in den unterschiedlichsten Kulturen als geradezu heiliges Tier verehrt worden. In KATZEN! ist eine kleine Bronzefigur aus der ägyptischen Spätzeit zu sehen: ein stehender Frauenkörper in einem langen Kleid mit einem Katzenkopf. Dargestellt ist die ägyptische Fruchtbarkeits- und Schutzgöttin Bastet. Die Katze symbolisiert hier also reichen Nachwuchs und – so ist zumindest eine Lesart – auch den Schutz der Kornspeicher und Vorratskammern als Mäusefängerin. Ein kleines hellbraun mumifiziertes Katzenpäckchen eine Vitrine weiter verweist auf die unzähligen Opfergaben, die der Göttin und dem geschätzten Tier zur Zeit der Pharaonen dargebracht wurden.
Einst Göttin, heute Kawaii
© MARKK
Auch chinesische Rollbilder, hinduistische Gemälde, Tongefäße, Keramiken und Skulpturen aus aller Welt zeugen von dem einzigartigen Status der Katze. Die Gegenwart der Katzenverehrung leuchtet uns hingegen pinkplüschig entgegen. Aus kleinen Augen in gigantischen Kopfovalen beobachten eine Vielzahl japanischer Hello-Kitty-Figuren die umherstreifenden Besucher und eine ganze Armee von Maneki-neko genannten Winkekatzen, ebenfalls japanischer Herkunft, lockt in den nächsten Saal. Mit ihren erhobenen, ständig vor und zurück schwenkenden linken Tatzen versprechen sie Wohlstand und Glück, heißt es.
Diese popkulturell aufgepusteten Katzengestalten werden vor allem wegen ihrer grotesk übersteigerten Niedlichkeit geliebt: weg von göttlicher Huldigung hin zu profanem Kitsch. Die japanische Popkultur, offensichtlich Kommandozentrale der Katzenhysterie, hat für diese Ästhetik auch ein Wort: Kawaii. Es beschreibt die stark stilisierten, mimisch reduzierten Figuren, die sich auch in Mangas und Animes finden und eine kindlich-unschuldige Anmutung haben. Dass Hello Kitty-Puppen keinen Mund haben, scheint zugleich den feministischen Verdacht zu bestärken, dass von asiatischen Frauen vor allem eines erwartet wird: den Mund zu halten. Da taucht sie also aus dem ganzen Pinkplastikfuror wieder auf – die Katze als politische Figur.
Die Katze ist Chronistin unserer Menschheitsgeschichte, das illustriert die Hamburger Ausstellung auf eindrucksvolle Weise. Sie war immer schon Projektionsfläche für unterschiedliche Kulturen, Gesinnungen und Geschmäcker. Und doch gelingt es ihr zuverlässig, sich eindeutigen Zuschreibungen zu entziehen – mal ist sie Symbol antifeministischer, dann wieder feministischer Impulse; mal gilt sie als göttlich, dann wieder als profane Mieze; sie ist Internettrend und Kulturerbe in einem. Ein Tier der Ambivalenzen, zutiefst individualistisch, das sich auch nach vielen Jahrtausenden Menschheitsgeschichte nicht vollständig hat zähmen lassen.
Die Ausstellung läuft bis zum 29. November 2026 im MARKK in Hamburg.
