
Bei dem Einbruch in den Tresorraum einer Sparkassenfiliale in Gelsenkirchen haben die Täter nach erster Schätzung von Ermittlern rund 30 Millionen Euro erbeutet. Es seien 3200 Schließfächer aufgebrochen worden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen. Mehr als 2500 Geschädigte seien betroffen. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.
Die Ermittler gehen inzwischen einer konkreten Spur nach. Zeugen gaben Hinweise auf mehrere Männer, die in der Nacht von Samstag auf Sonntag mit großen Taschen im Treppenhaus eines angrenzenden Parkhauses gesehen worden seien, teilte die Polizei mit. Von dort aus drangen sie offenbar mithilfe eines Bohrers in die Filiale ein.

Videobilder aus dem Parkhaus zeigten einen hochmotorisierten schwarzen Wagen, der am frühen Montagmorgen das Parkhaus verlassen habe. Im Auto hätten maskierte Täter gesessen, von denen einer die Schranke zur Ausfahrt betätigt habe, teilte die Polizei weiter mit. Das Kennzeichen an dem Fahrzeug sei zuvor in Hannover entwendet worden.
Es dauerte nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des Einbruchs, dann versammelten sich am Montag die ersten Kundinnen und Kunden vor der Gelsenkirchener Sparkassenfiliale. Ein älterer Mann sagte dem Sender ntv: „33 Jahre war ich unter Tage, habe gespart für die Zukunft meiner Kinder … alles ist weg, hört man jetzt.“ Inzwischen weiß man, dass der Mann wahrscheinlich recht haben könnte. 95 Prozent der Kunden-Schließfächer seien aufgebrochen worden, schreibt die Sparkasse Gelsenkirchen auf ihrer Website.
Und mit der Gewissheit scheint auch die Wut zuzunehmen. Am Dienstag, das zeigt ein Video von Bild, versammelten sich erneut etliche Kunden vor der verriegelten Filiale im Stadtteil Buer, laut einem dpa-Reporter sollen es zwischenzeitlich mehr als 200 gewesen sein. Zeitweise riefen einige in Sprechchören: „Wir wollen rein! Wir wollen rein!“ Bei anderen überwog schlicht die Sorge darum, welche materiellen und immateriellen Werte durch den Einbruch verloren gegangen sein könnten. Ein Mann berichtete einem Reporter von aufbewahrtem Gold, das er seinem Sohn zur Hochzeit schenken wollte. Eine Frau sprach von Versicherungspolicen, die in der Bank gelagert gewesen seien. Andere wirkten überfordert von der unklaren Lage. „Mir zittern die Knie“, sagte ein Mann.

Im Verlauf des Dienstagvormittags drohte die Lage zu eskalieren. Mehrere Menschen stürmten an Mitarbeitern einer Sicherheitsfirma vorbei in den Vorraum der Sparkasse. Die Polizei rückte mit mehreren Streifenwagenbesatzungen an und sicherte den Eingang. Die Polizei machte mehrfach eine Durchsage: „Die Bank bleibt heute geschlossen, Informationen auf der Website der Sparkasse. Gehen Sie nach Hause.“
Auf ihrer Internetseite bat die Sparkasse darum, von einem Besuch vor Ort abzusehen. „Aktuell klären wir mit der Versicherung, wie die Schadensabwicklung so kundenfreundlich wie möglich erfolgen kann. Dazu werden wir alle betroffenen Kundinnen und Kunden informieren“, hieß es. Die Sparkasse Gelsenkirchen hatte noch am Montag erklärt, Ziel sei es, dass die Filiale am Dienstag wieder öffne und Betroffene erste Informationen bekommen könnten.
Der Einbruch war in der Nacht zu Montag entdeckt worden, als Feuerwehrleute und Polizisten das Gebäude wegen eines Brandmeldealarms auf der Suche nach einem möglichen Feuer absuchten. Wie die Polizei jetzt mitteilte, gab es bereits am Samstag einen Brandmeldealarm in dem Bankgebäude. Damals seien Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr gegen 6.15 Uhr vor Ort gewesen, hätten aber nichts feststellen können, was auf einen Schaden schließen lasse. Die genauen Abläufe dieses Einsatzes würden bei den Ermittlungen geprüft.

Ersten Erkenntnissen zufolge erfolgte der Vorstoß über das Parkhaus, in dem Zeugen die Männer gesehen hatten. Der Weg führte durch mehrere Türen in einen Archivraum, an dessen Wand schließlich ein Durchbruch zu dem Tresorraum erfolgte. Dabei kam ein Spezialbohrer zum Einsatz. Wann genau der Einbruch erfolgte, ist unklar. Es wird von den Weihnachtsfeiertagen und dem anschließenden Wochenende ausgegangen. Zunächst sicherte die Polizei am Montag die Spuren am Tatort.
Sparkassen-Sprecher: Grundsätzlich jedes Fach mit 10 300 Euro versichert
Da Banken selbst keine Kenntnis über den Inhalt der Schließfächer haben, müssen zunächst Betroffene festgestellt und kontaktiert werden. Ein Sprecher der Bank sagte am Montag der dpa, die Sparkasse Gelsenkirchen habe jedes Fach mit 10 300 Euro versichert. Darüber hinaus bestehe für Kunden die Möglichkeit, eine höhere Versicherungssumme abzuschließen.
Der Bund der Versicherten rät bei Schließfächern, zuerst zu prüfen, ob für den Fall des Verlustes oder der Beschädigung eingelagerter Wertsachen ein Versicherungsschutz im Mietpreis des Schließfaches enthalten ist. Auch die maximale Entschädigungssumme sollte geprüft werden. Die Bandbreite der möglichen Versicherungssumme sei nach einem früheren Test enorm.
Bei den meisten Banken könne man den Versicherungsschutz zusätzlich über deren Versicherer erhöhen oder über einen Zusatzschutz neu abschließen, erklärt der Bund der Versicherten. Eine weitere Möglichkeit sei die Absicherung über die Außenversicherung des eigenen Hausratversicherungsvertrages.
Jahr für Jahr kommt es laut Polizei in Deutschland zu Hunderten Geldautomatensprengungen. Eher selten ist hingegen, dass Kriminelle Bankschließfächer aufbrechen oder die Schließfächer auf andere Weise Schaden nehmen – etwa durch einen Wasserrohrbruch. Der Bundesverband deutscher Banken riet bereits in der Vergangenheit: Weil die Bank den Inhalt des Schließfaches nicht kennt, sollten Kunden genau dokumentieren, was sich darin befindet.
