Nach der Schlusssirene lagen Abschieds- und Aufbruchsgefühle in der Luft. Der Hallensprecher wünschte einen guten Rutsch raus aus 2025, einem Jahr, in dem viele der Spieler unten auf dem Parkett Deutschland zur Europameisterschaft geführt hatten. Der SAP Garden, die neue Aushängehalle des deutschen Basketballs, war in den Weihnachtsferien zum Bundesliga-Spitzenspiel ausverkauft, die Überraschungsmannschaft aus Trier hatte 600 frenetische Fans mitgebracht. Die Bayern siegten freilich mit 94:83 (56:42). Und bescherten dem Rückkehrer ein erfolgreiches Bundesligaheimdebüt. 3439 Tage lang war Svetislav Pesic den Bayern lediglich eng verbunden gewesen, jetzt hat er wieder als Trainer Verantwortung übernommen. Der „neue Alte“, so nennen ihn viele gerade, soll mit seinen 76 Jahren reparieren, was in den vergangenen Wochen kaputtgegangen war.
Nun ist es ja nicht so, dass sich Pesic, als er vor neun Jahren die Bayern verließ, zur Ruhe gesetzt hätte. Noch im vergangenen Sommer war er als Nationaltrainer mit Serbien zur EM gefahren, allerdings schied die Mannschaft überraschend früh im Achtelfinale aus. Pesic lebt in München und saß bei den Spielen der Basketballer oft als Zuschauer in der ersten Reihe. So war seine Verpflichtung nach der Beurlaubung von Gordon Herbert im Wortsinn naheliegend – die erste Wahl war er allerdings nicht. Die Bayern machten kein großes Geheimnis daraus, dass zuvor zwei weitere Trainer abgesagt hatten, vor allem wohl deshalb, weil der deutsche Meister ihnen lediglich Kurzarbeit bis Saisonende angeboten hatte.

:Die Bayern sind die Reichsten – und die Wütendsten
Neue Zahlen der BBL zeigen den immensen finanziellen Vorsprung des Meisters. Die Münchner kritisieren daraufhin die Liga – und lösen eine Debatte über das ungenutzte Potenzial des deutschen Basketballs aus.
Es ging also nicht primär darum, mit einem autoritären Trainer alter Schule auf die Schludrigkeit zu antworten, die sich in den vergangenen Wochen eingeschlichen hatte. Eher schon ist es ein typischer FC-Bayern-Reflex, in Zeiten, in denen es nicht gut läuft, einen ins Rampenlicht zu stellen, der vollstes Vertrauen genießt, weil er quasi zur Familie gehört. In diesem Fall mit dem emotionalen Sidekick, dass Pesics Sohn Marko am Sonntagabend sein letztes Heimspiel als Bayern-Geschäftsführer erlebte.
Zunächst hatte sich Pesic senior so angehört wie früher, als die Mannschaft kurz vor Weihnachten auch unter ihm in der Euroleague verlor. „Ich hatte das Gefühl, Hapoel spielt manchmal fünf gegen null“, sagte er über das siegreiche Team aus Tel Aviv. So schien er nahtlos anzuknüpfen an seine finalen Arbeitswochen im Sommer 2016. Zu seinen letzten Amtshandlungen gehörte es damals, dass er sich mit den BBL-Schiedsrichtern anlegte oder unter anderem über seinen eigenen damaligen Center John Bryant sagte: „Er hat mehr geweint als gespielt.“

Umso überraschender war jetzt sein altersweiser, fast väterlicher Auftritt im SAP Garden. Zu Beginn des Spiels saß Pesic noch auf der Bank, oft stand er an der Seitenlinie mit den Händen in den Hosentaschen, Proteste in Richtung der Unparteiischen verdienten diese Bezeichnung gar nicht. Und hernach lobte er doch tatsächlich erst mal den Gegner. „Dieses Tempo, Tempo, Tempo der Trierer zu kontrollieren, das ist nicht einfach“, sagte er, und über mehrere Phasen war es den Bayern tatsächlich auch nicht gelungen, eigentlich hatten sie nur das zweite Viertel dominiert. Zufrieden gab sich Pesic trotzdem. Entscheidend für den Sieg war eine Auszeit im dritten Abschnitt, als Trier, eigentlich schon abgeschlagen, noch einmal bis auf sechs Punkte herankam. Da schien Pesic die richtigen Worte gefunden zu haben, denn keine zwei Minuten später waren die Bayern wieder 14 Zähler vorn.
„Es wäre nicht intelligent, jetzt viel zu experimentieren“, sagte der Routinier mit Verweis auf vier Jahrzehnte Trainertätigkeit. Wichtig sei vor allem, dass die Spieler etwas ändern wollten, und das sei nach dem Spitzenspiel gegen Trier „definitiv“ so. Pesic redete positiv über die absenten Spieler wie zum Beispiel Spencer Dinwiddie, der sich in einer „schwierigen Situation“ befinde. Der NBA-Routinier war aus familiären Gründen in die USA gereist. Seine Erfahrung werde dem Team aber guttun, sagte Pesic. Er bedankte sich sogar für die Unterstützung des Publikums, die sei in den kommenden Wochen nötig.
In der Bundesliga ist Bayern Erster, in der Euroleague Vorletzter
„Ich glaube, wir sind ein bisschen zu schludrig geworden“, sagte Oscar da Silva, der am Sonntag 13 Punkte zum Sieg beisteuerte. Was der Trainer laut seiner Erklärung macht, klingt nicht nach Hexenwerk: „Wir haben das Spiel ein bisschen vereinfacht. Wir haben als Maxime, jedes Spiel hart zu spielen, zu rennen und auf Details zu achten.“ Nach dem Silvester-Auswärtsspiel in Rostock kommt am 2. Januar Maccabi Tel Aviv als nächster schwieriger internationaler Gegner nach München.
Und was will der FC Bayern mit Pesic? Zurzeit sind die Münchner Spitzenreiter in der Bundesliga und Vorletzter in der Euroleague. Die Langeweile im nationalen Wettbewerb ist verkraftbar, eine mögliche Langeweile in der Euroleague für Bayern unerträglich. Pesics Ziel ist es, defensiv konsequenter zu arbeiten und offensiv variabler zu werden, kurz: wieder etwas unberechenbarer zu sein. „Ich sehe keinen Spieler, der diese Saison wirklich einen Schritt nach vorne gemacht hat“, hatte sein Sohn zuvor noch als Grund genannt, warum Gordon Herbert gehen musste. Das ist ein klarer Arbeitsauftrag für den Papa.
