Hundert Jahre Kreuzworträtsel: Warum sind deutsche Rätsel so humorlos? – Panorama

Im Jahr 1925 veröffentlichte die Berliner Illustrirte Zeitung, ein Blatt, das auch schon mal Reichspräsident und Reichswehrminister in Badehosen auf dem Titelblatt abbildete, das erste deutschsprachige Kreuzworträtsel. Als Vater der beliebten Knobel-Form gilt der in Liverpool geborene US-Redakteur Arthur Wynne (18711945). Wynne hatte bereits zwölf Jahre zuvor das erste „Word Cross Puzzle“ geschaffen, publiziert wurde es in der Weihnachtsausgabe der Zeitung New York World. Die Unterschiede zwischen beiden Rätseln, dem deutschen und dem US-amerikanischen, könnten nicht auffälliger sein.

So lautete das erste Wort in der New York World schlicht: „fun“. Bei der deutschen Premiere indes wurde bereits auf 1, senkrecht nach „Deutschlands drückender Verpflichtung“ gefragt. Antwort: „Reparation“. Weitere Lösungswörter in der Berliner Illustrirten Zeitung: „Alimente“, „Lorbeer“, „Astronomie“ und die auch heute noch gefragten Buchstabendreier „Uri“ und „Don“. Das englische Denkspiel wirkt entspannter: Das Wort „dove“ diente unter 34 gesuchten Wörtern gleich zweimal als Lösung. Und für „Moral“ gab’s die raffinierte Umschreibung „such and nothing more“.

Ein französischer Rätselautor fragte nach „Eigentümerwechsel“, die Antwort lautete: Diebstahl

Bis heute unterscheiden sich Kreuzworträtsel international, nicht nur, was ihr Layout angeht: In Italien etwa ist vor allem die rechteckige Freiform mit schwarzen Füllkästen gefragt, wodurch auch komplexere Umschreibungen möglich sind, die nicht in kleine Kästchen passen. Beispiel: „Fu il logo della decima Triennale?“ (Was war das Logo der zehnten Triennale? Die Antwort, schlicht: „XT“). Auch der inhaltliche Ansatz unterscheidet sich. So wurde in einer französischen Zeitung einmal sehr originell nach „Eigentümerwechsel“ („changement de propriétaire“) gefragt. Die Lösung: „vol“ (Diebstahl). Für deutsche Verhältnisse wäre das womöglich etwas zu sehr um die Ecke gedacht.

Während im angloamerikanischen Raum Rätsel-Autoren wie Will Shortz von der New York Times Stars sind – Shortz durfte schon als Zeichentrickfigur bei den Simpsons auftreten und half „The Daily Show“-Moderator Jon Stewart bei dessen Heiratsantrag mit einem personalisierten Quiz –, bleiben deutsche Autoren meist ungenannt. Noch mehr Beachtung als ihre Schöpfer aber finden des Rätsels Löser: Man denke an die Figur des denkfreudigen Pater Brown etwa, aber auch an den Kreuzworträtsel-fanatischen Butler von Dagobert Duck sowie jene 90-jährige Seniorin, die im Jahr 2016 im Neuen Museum Nürnberg während eines Rundgangs ihren Kugelschreiber zückte, um leere Stellen auf einer Denkspiel-Collage des Fluxus-Künstlers Arthur Køpcke zu füllen. Später hieß es, die Seniorin habe hier nicht zwischen interaktiver Museumsmitmachkunst und dem Berührungsverbot wertvoller Exponate unterscheiden können.

Als der aus dem Elsass stammende Zeichner und Kinderbuchautor Tomi Ungerer (19312019), er war ein großer Freund von englischen und französischen Rätseln, einmal von der Süddeutschen Zeitung gefragt wurde, ob er auch deutschsprachige Kreuzworträtsel gerne löse, antwortete er: „Ungern. Die sind nie lustig.“ Daran könne man aber arbeiten, so Ungerer weiter und nannte als Beispiel: „Testament mit zehn Buchstaben? Erbensuppe.“