Hitlergrüße und Frauenhass: Ermittlungen bei den Fallschirmjägern

Fallschirmjäger der Bundeswehr üben im Rahmen der NATO-Luftlandeübung „Swift Response“ die Rückeroberung eines Flugplatzes in Rumänien. Laut NATO war „Swift Response“ die größte Luftlandeoperation in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.Foto: Picture Alliance

Zwei Soldatinnen des Fallschirmjägerregiments 26 schickten im Juni einen Bericht an die Wehrbeauftragte. Er sollte die Luftlandetruppen der Bundeswehr erschüttern. Ebenso wie weitere Meldungen, die das Kommando Heer in Strausberg erreichten, legten sie nahe, dass in Teilen des Eliteregiments unhaltbare, ja kriminelle Zustände herrschten. Seither wird ermittelt. Es geht um Rechtsextremismus, sexualisiertes Fehlverhalten, Gewaltrituale und harte Drogen. Mehrere Dutzend Fallschirmjäger sind beschuldigt, etliche bereits aus der Bundeswehr entlassen worden. 

Die Fallschirmjäger sind eine besondere Truppe. Wer sich freiwillig an einem dünnen Tuch hinter feindlichen Linien absetzen lässt, zeigt hohe Opferbereitschaft. Oder auch gloriosen Übermut. In Deutschland gibt es das Fallschirmjägerregiment 26 im rheinland-pfälzischen Zweibrücken und das Regiment 31 im niedersächsischen Seedorf. Wo immer es ernst wird, in Afghanistan, an der NATO-Ostflanke oder bei Evakuierungsmissionen, sind zuerst Fallschirmjäger zur Stelle. Etwa in Sudan, wo sie die Evakuierung Hunderter Europäer aus dem Bürgerkrieg sicherten. „Schreiende Kinder, Hitze, überall Zivilisten. Wir mussten ununter­brochen improvisieren. Immer wieder Lageänderungen“, so berichtete ein Angehöriger des Regiments 26 später. In seiner Einheit dienen etwa 1800 Soldaten. Sie werden als Retter, als Helden gefeiert. Der Wehrbeauftragte Henning Otte warnt denn auch vor „Vorverurteilungen oder pauschalen Schuldzuweisungen“. Doch auch er weiß, dass bei den Fallschirmjägern vieles im Argen liegt, und verlangt rasche Aufklärung. 

Die Niederauerbach-Kaserne des Fallschirmjägerregiments 26 in Zweibrücken.Foto: Archiv

Mehreren Dutzend Beschuldigten im Regiment werden sexuelle Übergriffe und Mobbing gegen Frauen vorgeworfen. Mindestens 30 Soldaten sollen an rechtsextremen und antisemitischen Vorfällen beteiligt gewesen sein. In der schon baulich üblen Niederauerbach-Kaserne sollen zudem Saufgelage bis zum Erbrechen getrieben worden sein, der Missbrauch von Kokain ist gut dokumentiert. Insgesamt werden derzeit mehr als 200 straf- und disziplinarrechtliche Vorwürfe untersucht, bis zu 63 Beschuldigte standen im Zentrum der Ermittlungen. An die zwanzig Soldaten wurden bereits aus der Bundeswehr entlassen, weiteren ist es derzeit verboten, eine Uniform zu tragen. Dazu zählen auch Unteroffiziere. 

Seit Monaten wird in aller Stille ermittelt, in Zweibrücken und anderswo. Die Untersuchungsakten zählen mehr als 6000 Blatt, Teile davon konnte die F.A.Z. einsehen. Je tiefer Staatsanwälte, Wehr­dis­zi­pli­nar­an­wäl­te, Militärischer Abschirmdienst und das Kommando Heer im Gebälk der Luftlande­brigade bohren, desto morscher wirkt das dortige „Wertegerüst“. Am 8. Oktober wurde der bisherige Regimentskommandeur, Oberst Oliver Henkel, ausgetauscht. Bei der eilends vollzogenen Kommandoübergabe rief er, zuletzt würden „Wahrheit und Gerechtigkeit siegen“. Er habe ein reines Gewissen, beteuert Henkel im persönlichen Gespräch. 

Der Dreisternegeneral Harald Gante dagegen zeigt sich erschüttert. Als Kommandeur des Feldheeres, seit 43 Jahren bei der Bundeswehr, ist er jetzt für eine Neuausrichtung der Luftlandetruppen verantwortlich. „Als wir dahintergekommen sind, was in Zweibrücken vorgeht, waren wir schier sprachlos“, sagt er der F.A.Z. im Hauptquartier des Deutschen Heeres in Strausberg bei Berlin. „Über die Ereignisse, aber auch über die Art und Weise, wie man damit umgegangen ist. Im Heer gilt: Schlechte Führung ist kein Dienstvergehen, wird aber nicht geduldet.“ So viel zur Ablösung des alten Kommandeurs. Die wird in Strausberg als unumgänglich, vor Ort aber teilweise als unverständlich, ja ungerecht empfunden. 

Die Ausbildung der Fallschirmjäger ist hart, der Zusammenhalt enorm. Über Zeiten hinweg. Das Fallschirmjägerlied „Rot scheint die Sonne“ trugen bereits Wehrmachtskameraden in die Lüfte, wenn es hieß: „Klein unser Häuflein, wild unser Blut / wir fürchten den Feind nicht und auch nicht den Tod.“ Ihr Wahlspruch „Treue um Treue“ wurde ihnen vor ein paar Jahren amtlich untersagt – und wird in ihrem Freundeskreis dennoch weiter genutzt. Das „wilde Blut“ mancher Fallschirmjäger offenbarte sich im Kasernenalltag in diversen Fällen von Nazitümelei. 

Links: Niederaucherbach-Kaserne. Rechts: „Wurfecke“ in der Kaserne nach einer Feier: Alle Feiernden schmeißen ihre Flaschen in eine ausgewählte Ecke. Auf der Wand: Eine stilisierte Landung von Wehrmachts-Fallschirmjägern mit einer Aufschrift nach Art der NS-Schriftart Tannenberg.Foto: Archiv

Regimentsinsider geben zu, dass es in Zweibrücken eine „rechtsextreme, offen antisemitische Clique“ gegeben habe, inklusive Rädelsführer. Geschildert werden „Judensau“-Beschimpfungen, Hitlergrüße und eine angebliche Nazi-Party. Als die herauskam, behaupteten Soldaten gegenüber der Zeitung „Rheinpfalz“, die Fete habe nur das Motto einer harmlosen Netflix-Serie gehabt: „Peaky Blinders“ über das Birmingham der Industrialisierung. Doch auf einem Gruppenfoto sieht man ein Dutzend Soldaten, die in stilisierter NS-Kleidung in die Kamera grinsen. Sie tragen einheitlich dunkle Hosen in Stiefeln, hellblaue Hemden und dazu eine rote Armbinde. Keine Spur von Birmingham. Allerdings fehlt das justiziable Hakenkreuz. In ihrer Mitte posiert eine Frau im schwarzen Paillettenkleid. 

Der Umgang mit Frauen in den Kampfkompanien beschäftigt die Ermittler. Frauen erlebten dort Exhibitionismus und mussten sich Pornowitze und Vergewaltigungsphantasien anhören. Wenn eine sich nicht anbaggern ließ, so wird es berichtet, wurde sie möglichst weggemobbt. Sex-Sprüche von Vorgesetzten gehörten zumindest in einzelnen Kompanien zum Alltag und finden sich nun in den umfangreichen Ermittlungsunterlagen. Sie reichen von sexueller Belästigung bis zu Eselsbrücken, um sich Parolen aus dem NATO-Alphabet wie „Alpha-Foxtrott“ oder „Victor-Hotel“ zu merken, die dann laut Ermittlungsakten als „Arschfick“ und „Vergewaltigung von hinten“ übersetzt wurden. Konsequenzen hatte derlei selten. Generalleutnant Gante sagt: „Vieles war, vorsichtig ausgedrückt, unter dem Radarschirm abgearbeitet worden.“ 

Fallschirmjägerinnen, deren Anteil im Regiment bei etwa fünf Prozent liegt, hatten es nicht nur in Zweibrücken schwer. In Seedorf wurde das Etablissement „Kates Dirty Club“ lange von einem Ex-Kameraden betrieben und von den Soldaten als Freizeitoase genutzt, auch in Uniform. In internen Wettbewerben sei ausgetragen und belohnt worden, welche Kompanie dort am häufigsten verkehre, heißt es. Ältere Offiziere bestätigen das. Zum Auslandseinsatz in Mali gab es für die Soldaten Club-T-Shirts. Auch warb der schmutzige Club im Internet, wöchentlich gebe es „Titten bis zum Abwinken“, danach hätten ja „viele Soldaten des Regiments 31 geschrien“. Die Soldatinnen wohl eher nicht.

Die Einladung zum „Titten Donnerstag“ ist nur ein Beispiel von vielen: Das Fallschirmjägerregiment 31 wird auf der Website von „Kates Dirty Club“ regelmäßig erwähnt.Foto: Kates Dirty Club

Es dauerte lange, bis die brodelnde Suppe überkochte. Durch Eingaben mehrerer Frauen an die damalige Wehrbeauftragte Eva Högl bekamen immer höhere Dienststellen allmählich mit, was insbesondere in Zweibrücken los war. Generalleutnant Gante ist nun beauftragt, bis Jahresende einen Bericht zu schreiben, vom Heer werden umfangreiche Personal- und Bildungsmaßnahmen eingeleitet: ein „Aktionsplan Luftlandetruppe“. Frühe Mahnungen etwa der Wehrbeauftragten scheinen in Zweibrücken dagegen nur Trotz bewirkt zu haben. Eine Soldatin schrieb: Seit bekannt geworden sei, dass „die Vollziehung des Hitlergrußes angeprangert und gemeldet wurde“, werde „der Hitlergruß als gängige Begrüßung beim Betreten einer Stube genutzt“. Oder man habe „Sierra-Hotel“ für die Buchstaben S und H aus dem NATO-Alphabet gerufen – „Sieg Heil“. Etliche Frauen, die seit Ende vorigen Jahres Meldung machten, haben inzwischen die Bundeswehr verlassen. 

So wie Frieda Krüger (Name geändert), die in einer Kampfkompanie diente und der F.A.Z. ihre Erlebnisse geschildert hat. Nach einem freiwilligen Wehrdienst hatte es sie zunächst zur Marine gezogen. Doch sie suchte intensivere Herausforderungen – und kam zu den Fallschirmjägern. Den Umgangston dort beschreibt sie im Gespräch als rau, teils übergriffig, oft vulgär. Dennoch und trotz der Risiken liebte Krüger das Fallschirmspringen. Nach gut einem Jahr wurde sie zur zweiten Stellvertreterin des Zugsprechers gewählt, als erste Frau in der Kompanie – ein Vertrauensbeweis. 

Nach Dienstschluss trainierte und lernte sie für das Auswahlverfahren der spezialisierten Kräfte. Während dieser Vorbereitungszeit erfuhr sie im Januar 2025, dass in der Zeitschrift „Playboy“ ein Artikel über die Fallschirmjäger erscheinen sollte. Sie kannte das Magazin von den Postern mit nackten Frauen in Stuben ihrer Kameraden. Legte das Regiment es darauf an, über den „Playboy“ Personal zu rekrutieren? Frieda Krüger war das unangenehm. Sie wandte sich an die Gleichstellungsvertrauensfrau des Regiments. Die war nicht überrascht. Krügers Kompanie gelte als „Frauenhasserkompanie“, erzählte sie der Soldatin. Doch offiziell gemeldet würden die Vorgänge dort fast nie. 

Nicht nur in den Stuben gibt es angeblich Nacktbilder: Auch an der Innenseite von Stromkästen wie diesem in Zweibrücken sollen sich Fotos nackter Frauen befinden.Foto: Archiv

Legte das Regiment es darauf an, ausgerechnet über den Playboy Personal zu rekrutieren? Frieda war das unangenehm. Sie wollte mit der Gleichstellungsvertrauensfrau sprechen, doch die Angaben auf dem Kasernenaushang waren veraltet: falsche Telefonnummer, falscher Raum, falsche Person.

Im Gespräch mit der Vertrauensfrau tauchte Frieda langsam aus dem auf, was sie alles verdrängt hatte. Die Ankündigung des Playboy-Artikels war der Funke am Pulverfass ihrer Erlebnisse im Regiment. Friedas Kompanie gelte als „Frauenhasserkompanie“, erzählte ihr die Frau. Doch offiziell gemeldet würden die Vorgänge fast nie.

Das Gespräch machte der Soldatin Krüger bewusst, welche Erlebnisse sie zuvor alle verdrängt hatte. Ihr wurde auch klar, dass viele Dinge, die ihren Alltag geprägt hatten, Straftaten waren. Zum Beispiel der Vorfall eine Woche zuvor auf einer Geburtstagsfeier: Sie war die einzige Frau unter ihren Kameraden – Freunden, wie sie dachte. Bis einer seine Hose öffnete und sein Geschlechtsteil entblößte. Frieda Krüger drehte sich um, wollte den Raum verlassen. „Stell dich nicht so an“, rief ein anderer Soldat, „es ist ja nur ein Penis!“ – oder, im Strafrecht, eine exhibitionistische Handlung. 

Natürlich gab es auch offiziöse Aufnahmerituale, wie beim Springerlehrgang. Wer nicht mitmachte, wurde ausgegrenzt. Also ließ sich auch Frieda nach ihren ersten erfolgreichen Sprüngen die Anstecknadel mit dem Springerabzeichen in die Brust rammen. Jeder Lehrgangsteilnehmer durfte auf die Nadel schlagen. Sie grub sich in die Haut, es blutete. Frieda Krüger sagt, sie habe dazugehören wollen, unbedingt. Nur auf die Nadeln der anderen wollte sie nicht schlagen. Die Kameraden hänselten sie dafür. Am meisten schockierte Krüger, welchen Spaß manche ihrer Vorgesetzten an dem Ritual hatten. 

„Wild unser Blut“: Springerabzeichen einer Soldatin des Fallschirmjägerregiments 26. Nach dem Springerlehrgang wird es den Soldaten in die Brust gerammt.Foto: Archiv

Solche Gewaltrituale stellen Straftaten nach dem Wehrstrafgesetz dar, teilt eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums dazu mit. Auch „eine mutmaßliche Einwilligung der Untergebenen“ könne das Fehlverhalten nicht rechtfertigen. Auch anderswo in der Bundeswehr wird derzeit zu solchen Vorfällen ermittelt. 

Wenn Krüger allein mit Vorgesetzten war, wurde sie oft über ihr Privatleben ausgefragt, über ihren Beziehungsstatus. Bei einer Fahrt im engen Bundeswehr-Wolf etwa baggerte ein Hauptfeldwebel sie an. Dabei „hatte er ein süffisantes Grinsen auf dem Gesicht“, schrieb Krüger der Wehrbeauftragten. Ein anderer Feldwebel riet ihr, sie solle sich bei einer Kameradin, Partnerin eines Unteroffiziers, danach erkundigen, „welche Aufgaben man als Frau in der Kompanie so hat“. Ein weiterer Vorgesetzter wartete regelmäßig auf die Soldatin, wenn sie vom Sport kam, oder stand vor ihrer Stube. Einmal ging er sogar hinein – Krüger berichtet, sie habe instinktiv den Raum verlassen. Die ranghöheren Männer auf ihr Verhalten anzusprechen, wagte sie nie. Man hätte es, sagt sie, als Befehlsverweigerung deuten können, und schließlich wollte sie Berufssoldatin werden. 


„Es wird nur gefickt, was gefickt werden will. Und denken Sie daran: Nein heißt Ja, und Ja heißt anal.“

Aussage eines Feldwebels bei einer Wochenendbelehrung während des Abschlussantretens im Februar 2025


Außerdem machten dieselben Vorgesetzten „Witze“ über Vergewaltigungen. Etwa bei der Wochenendbelehrung, wenn den Soldaten beigebracht wird, wie sie sich im Ausgang richtig verhalten. Da habe ein stellvertretender Zugführer erklärt: „Es wird nur gefickt, was gefickt werden will. Und denken Sie daran: Nein heißt Ja, und Ja heißt anal.“ Solche Auftritte und Übergriffe hatten oft keine oder geringe disziplinarrechtliche Konsequenzen. Das ist wohl einer der Gründe, warum dem Regimentskommandeur Henkel die Führung nicht mehr zugetraut wurde. Niemand bestritt seine militärische Kompetenz. Doch Führung bedeute auch, so das Heer, demokratische Werte vorzuleben und zu vermitteln. Es reiche nicht aus, nur ein professioneller Kämpfer zu sein. Das unterscheide, so Gante, die Bundeswehr „ja von den russischen Soldaten“. 

Gerade in Zweibrücken hätten sie längst sensibilisiert sein müssen. Keine zwei Jahre zuvor hatte das dortige Landgericht zwei Fallschirmjäger wegen Vergewaltigung einer Kameradin verurteilt. Einen von ihnen zum zweiten Mal – er hatte dieselbe Frau bereits drei Monate vor der zweiten Tat in ihrer Stube vergewaltigt. Der „Pfälzische Merkur“ berichtete 2023 über die Fälle. Im November 2025 sendete das ZDF eine Reportage über die zweifach vergewaltigte Frau, die immer noch unter den Folgen leidet. 

Wenige Tage nach den ersten Meldungen zu den neuen Vorkommnissen wurde die Gleichstellungsvertrauensfrau ersetzt. Warum, weiß Frieda Krüger nicht – nur, dass sich die engagierte Zugführerin für sie eingesetzt hatte. Die Entscheidung wurde kurz darauf widerrufen. Später hieß es, es sei eine Fehlkommunikation gewesen. Der Vorfall ließ die Soldatin dennoch zweifeln: Wollten die Offiziere überhaupt aufklären? Dagegen sprach in ihren Augen auch, was eine weitere Fallschirmjägerin erlebte, die fast zur gleichen Zeit, Ende Februar 2025, ein Sexualdelikt meldete. Die Kameradin habe zur Befragung keine Begleitperson ihrer Wahl hinzuziehen dürfen. Sie musste sich allein mit dem Kompaniechef und zwei weiteren männlichen Offizieren in einem kleinen Zimmer offenbaren. 

Nach der Beschwerde wurde für Krüger und ihre Kameradin das Leben in ihrer Einheit unerträglich. Man bezeichnete sie als „Verräterin“ und „Kameradenschwein“. Sie wurde aus Whatsapp-Gruppen entfernt, auf Fotos in der Kaserne mit schwarzem Filzstift unkenntlich gemacht. Schließlich wurde sie in eine andere Einheit versetzt – eine sogenannte Schutz- oder Spannungsversetzung, sagt sie. Das wurde allerdings im Versetzungsantrag nicht vermerkt. Eine Feldärztin habe Krüger erzählt, das sei doch klar – sonst würde der Fall offiziell gemeldet und in die Statistik einfließen. Also nicht „unterm Radar bleiben“, wie General Gante es nennt. Krüger argwöhnt, man sei dort zum Schluss gekommen, dass man keine Frauen mehr in der Kompanie wolle. 

Mehrere weitere Soldatinnen des Regiments wurden versetzt. Die beschuldigten Männer hingegen blieben in der Kompanie, durften weiterhin auf Lehrgänge und Freizeiten. Der „Playboy“-Artikel erschien in der Mai-Ausgabe zwischen zwei Fotostrecken nackter Frauen. Genehmigt hatten den Beitrag das Verteidigungsministerium und das Kommando Heer wohl höchstselbst – wie Unterlagen aus dem Regiment belegen, die der F.A.Z. vorliegen. Krüger sah nur noch eine Möglichkeit: die Eingabe an die Wehrbeauftragte. 

Die frühere Wehrbeauftragte Högl hatte bereits früh Wind von den Missständen in beiden Fallschirmjägerregimentern bekommen. Im Oktober 2024 besuchte sie einen der Standorte und ermutigte Soldatinnen, sich zu melden. Die Wehrbeauftragte war der Meinung: „Jeder unangemessene Spruch und jeder sexuell aufgeladene Witz kann zur Folge haben, dass sich eine Soldatin oder ein Soldat diskriminiert oder entwürdigt fühlt, das Vertrauen in die Einheit oder die Vorgesetzten verliert und die Kameradschaft leidet.“ Einige Frauen offenbarten sich dann, allerdings zunächst anonym. Namentliche Eingaben wie die von Frieda Krüger sind selten: Im Jahr 2024 erreichten die Wehrbeauftragte gerade einmal 48 Eingaben zu sexualisiertem Fehlverhalten. Doch über den Dienstweg wurden 376 Verdachtsfälle auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gemeldet. Und die Zahlen steigen: seit 2020 nicht nur die Gesamtzahl der Verstöße, sondern auch ihr Anteil an allen erfassten Sachverhalten und die Quote je tausend Soldaten. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat Högl vor fast anderthalb Jahren eine wissenschaftliche Dunkelfeldstudie dazu versprochen, die sich in den Anfängen befindet. Wann sie fertig wird, vermag sein Ministerium nicht zu sagen. 

Frieda Krüger hat die Bundeswehr zum Herbstanfang verlassen. Sie ist in therapeutischer Behandlung – wie weitere Soldatinnen. Sie alle haben erlebt, wie sich ihr soziales Umfeld von einem auf den anderen Tag gegen sie gewendet hat. Heute sagen sie, sie hätten Angst vor Racheakten ihrer ehemaligen Kameraden. Im Gespräch mit der F.A.Z. merkt man Frieda Krüger nichts von alledem an. Ihre Stimme ist fest, sie behält immer die Fassung. Über manche Absurditäten muss sie sogar lachen. 

General Gante sagt: „Ich bin den beiden Frauen, die versucht haben, Abhilfe zu schaffen, und die das schließlich alles an die Wehrbeauftragte gemeldet haben, zutiefst dankbar. Wir als Streitkräfte haben uns darum zu kümmern, dass sich Frauen genauso als Teil des Teams fühlen, wie ich mich als Teil des Teams fühle. Mir fehlt da jedes, wirklich jedes Verständnis, dass man sich im Jahr 2025 noch so benehmen kann, wie das geschildert wurde.“ 

Oberst Henkel, der sein Kommando abgeben musste, dient nun im Operativen Führungskommando in Potsdam-Geltow. Sein Nachfolger ist Oberst Martin Holle, 42 Jahre alt, ebenfalls Fallschirmjäger. Jemand anderes werde in Zweibrücken gar nicht erst akzeptiert, wäre schon bei seiner Ankunft „tot“, sagt ein Veteran der Truppe. Holle, der mehr als 300 Tage in Afghanistan war, dort gefochten hat, kennt aber auch anderes. Er diente im Ministerium, beim NATO-Militärausschuss, in den Vereinigten Staaten. „Man kennt sich, man schätzt sich, das ist ein bisschen wie nach Hause kommen“, sagte Oberst Holle bei seiner Ankunft. 


„Ich bin den beiden Frauen, die versucht haben, Abhilfe zu schaffen, und die das schließlich alles an die Wehrbeauftragte gemeldet haben, zutiefst dankbar.“

Generalleutnant Harald Gante, Kommandeur Feldheer. Das Bundeseverteidigungsministerium beauftragte ihn mit dem Bericht über die Vorkommnisse im Fallschirmjägerregiment 26.


Gante sagt zu den Fallschirmjägerinnen, die sich das alles nicht länger gefallen ließen: „Ich bin den beiden Frauen, die versucht haben Abhilfe zu schaffen und die das schließlich alles an die Wehrbeauftragte gemeldet haben, zutiefst dankbar. Wir als Streitkräfte haben uns darum zu kümmern, dass sich Frauen genauso als Teil des Teams fühlen, wie ich mich als Teil der Teams fühle. Mir fehlt da jedes, wirklich jedes Verständnis, dass man sich im Jahr 2025 noch so benehmen kann, wie das geschildert wurde.“

Oberst Henkel, der sein Kommando abgeben musste, dient nun im Operativen Führungskommando in Potsdam-Geltow. Sein Nachfolger, Oberst Martin Holle, 42 Jahre alt, ist ebenfalls Fallschirmjäger. Jemand anderes werde in Zweibrücken gar nicht erst akzeptiert, wäre schon bei seiner Ankunft „tot“, sagt ein Veteran der Truppe. Holle, der mehr als 300 Tage in Afghanistan war, dort gefochten hat, hat aber auch anderes gesehen: Das Ministerium, den NATO-Militärausschuss, das US-Marine Corps in Quantico. Dass er das Regiment ohnehin übernehmen würde, lag für ihn bereits in der Luft. Der Mann, den der Vorsitzende des Fallschirmjägerfreundeskreises einen „absoluten Macher“ nennt, hatte dennoch einen schweren Start. „Man kennt sich, man schätzt sich, das ist ein bisschen wie nach Hause kommen“, sagte er vor ein paar Wochen.

Inzwischen muss er Briefe schreiben, sich öffentlich entschuldigen: Auf dem Zweibrücker Weihnachtsmarkt sollten einige Soldaten kürzlich Erbsensuppe ausgeben. Stattdessen spazierten drei Fallschirmjäger bis an die Zähne bewaffnet mit einem MG4-Maschinengewehr, einem G36-Sturmgewehr und geladenen Pistolen über den Weihnachtsmarkt. Angeblich auch mit Nikolaus-Verkleidung. Verschreckte Passanten riefen die Polizei, die dem Spuk ein Ende bereitete. Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) sagte der F.A.Z., der Suppenstand sei stets ein Highlight, die Bundeswehr sei willkommen. Doch das Mitführen von Waffen sei „unangebracht und nicht gut durchdacht“. Den Auftritt habe die Stadtverwaltung nicht genehmigt, und er wäre auch „nicht genehmigungsfähig gewesen“. Regimentskommandeur Holle schreibt an die F.A.Z., der Darbietung habe „eine grobe Fehleinschätzung und In­stinktlosigkeit zugrunde“ gelegen. In der Kaserne sei aufgearbeitet worden, dass beim Auftreten in der Öffentlichkeit „eine besondere Sensibilität geboten“ sei. 

Das Bundeswehrzelt auf dem Zweibrücker Weihnachtsmarkt, vier Tage nachdem dort bewaffnete Soldaten auftauchten: Kommandeur Holle begrüßt Anita Schäfer (CDU), ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages.Foto: Mario Moschel

Vielleicht hat Holle dabei auch auf Generalleutnant Christian Freuding verwiesen, den Heeresinspekteur. Der warb kürzlich für eine Führungskultur und Stärke, „die nicht in Panzerstahl und Strategie liegt, sondern in Kameradschaft, die uns trägt, in Werten, die uns leiten, und in der inneren Haltung, die uns prägt. Ohne dies ist alles andere nichts.“