Presse, Popcorn, großes Kino: Schmid startet emotionale Abschiedstournee

Katharina Schmid gab bei einem Pressetermin ihr Karriereende bekannt


Reportage

Stand: 28.12.2025 09:58 Uhr

Skispringerin Katharina Schmid hat ihr Karriereende angekündigt. Nach der Saison ist Schluss, vorher aber beginnt ein emotionaler Abschied für die Athletin.

Von Ann-Kathrin Rose, Oberstdorf

Als der Applaus aufbrandete, senkte Katharina Schmid erst ihren Blick und dann ihren Kopf, fast so, als wolle sie sich verneigen. Am Ende eines langen Tages, vielleicht aber auch zum Ende einer langen Karriere. Dass sie die nach dieser Saison beenden wird, hat die Skispringerin schon im Sommer entschieden. Nach dann 18 Jahren auf der großen Bühne soll Schluss sein – die Entscheidung, „wohl überlegt“, sagt Schmid. Als sie ihren Kopf wieder hebt und ihr Gesicht unter der leuchtend roten Mütze zu erkennen ist, strahlt die 29-Jährige.

Abschied von „etwas ganz Besonderem“

Schmid wirkt an diesem Abend in einem Kino in Oberstdorf beinahe erleichtert. Der Medienrummel des Tages, den sie in all den Jahren pflichtbewusst absolviert, selten aber wohl wirklich gebraucht hat – scheint schon Teil des Abschieds zu sein. Für Schmid von einer beeindruckenden Karriere. Nach 263 Weltcup-Starts, WM-Medaillen und zwei Mal Silber bei Olympischen Spielen. „Der Sport wird immer etwas ganz Besonderes bleiben. Ich habe gemerkt, dass ich zufrieden bin, mit dem, was ich habe“, hatte sie wenige Stunden zuvor auf einer Pressekonferenz erklärt, vor Mikrofonen und Kameras hörbar emotional ihr Karriereende verkündet. „Es hat sich einfach gut angefühlt. Ich habe immer gesagt: Es muss sich richtig anfühlen.“

Schmids Stimme bebte, ihre Worte aber wählte die 29-Jährige mit Bedacht, sprach von großen Erfolgen, all den Medaillen und Titeln, aber auch von Rückschlägen, Tiefpunkten. Für einen Moment blieb auch das Klicken der Kameras aus, Schmid ganz bei sich – gab Einblicke, in die Entscheidung, den Prozess. Schon im vergangenen Jahr hatte die Skispringerin über ein Karriereende nachgedacht, das auch offen kommuniziert – die Lust auf eine weitere Weltcupsaison und die Olympischen Spiele im Februar auf der Schanze im italienischen Predazzo war aber zu groß.

Schmid: Entscheidung bereits im Sommer

In Gesprächen schafften Trainer und Verantwortliche damals noch sie umzustimmen. „Mir war schon klar, das geht nicht so oft“, sagt Horst Hüttel, Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV). Ihre Entscheidung müsse der Verband nun akzeptieren: „Obwohl natürlich sportlich wie menschlich, die Lücke da sein wird.“ Denn mit Schmid verliert das deutsche Team nicht nur eine Top-Athletin – sie war Vorbild, ging und sprang voraus, gab Teamkolleginnen die Möglichkeit, von ihr zu lernen, sich zu entwickeln. „Es war gut, dass sie uns noch ein paar Jahre Zeit gegeben hat“, sagt etwa Agnes Reisch.

Schmid lächelt. Vielleicht auch, weil sie weiß, dass mit Reisch die nächste Generation Skispringerinnen in der Spur und bereit ist. Sie selbst habe von Jahr zu Jahr gemerkt, dass sie mehr investieren müsse. „Ich wollte nie nur einfach dabei sein, sondern die Leistung bringen, um auch vorne mitzuspringen.“

Vorkämpferin für die Vierschanzentournee

Das hat sie geschafft: Schmid ist Weltmeisterin, holte sieben goldene Medaillen, bei den Weltmeisterschaften zudem ein Mal Silber, zwei Mal Bronze. „Ich durfte so viel erleben, durfte bei so vielen ersten Malen dabei sein.“ Viele erste Male aber, mussten sich Schmid und die Skispringerinnen erst erkämpfen, werben für das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Sichtbarkeit. Präsenz. Medial und sportlich. Schmid hat auch hier klar Position bezogen, unmissverständlich. Sie hat eben jene erste Male erkämpft – und vielleicht auch deshalb eine Generation Skispringerinnen und Skisprung-Fans geprägt und inspiriert.

Was andere als Wunsch formulierten, forderte Schmid – nicht ungehalten, aber mit Nachdruck: die Vierschanzentournee für die Skispringerinnen. Als es mit der Two-Nights-Tour schließlich eine Art Mini-Tournee gab, machte Schmid gemeinsam etwa mit der Österreicherin Eva Pinkelnig klar, dass das eine Art „Bare Minimum“ ist, mehr aber auch nicht. Ab der Saison 2026/27 soll es sie tatsächlich geben, die Vierschanzentournee für die Skispringerinnen – wieder ein erstes Mal. Das aber ohne Schmid. „Ich würde sonst nie aufhören“, sagt sie und lacht.

Presse und Popcorn

Die Frage danach aber muss sie öfter beantworten. Schmid antwortet geduldig, ruht scheinbar in sich – die Entscheidung steht, emotional ist sie trotzdem. „Ich bin einfach nah am Wasser gebaut“, sagt sie mit zittriger Stimme. Die erste Vierschanzentournee für die Skispringerinnen werde sie natürlich trotzdem verfolgen. An den nächsten Winter aber denkt sie jetzt noch nicht. „Ich freu mich erst einmal auf die Two-Nights-Tour, das Springen zuhause, mit meiner Familie und meinen Freunden. Ich glaube, das wird noch einmal ziemlich emotional.“

Die Wellen der Emotionen, Schmid nimmt sie mit an diesem Tag, springt auch nach der Pressekonferenz von Interviewposition zu Interviewposition – und steht nur ein paar Stunden später auf der Bühne des Kinos in Oberstdorf. Hier gibt es an diesem Abend die Premiere der ARD-Skisprung-Doku „Fly – Skispringen hautnah“. Mit dabei auch Schmid und ihre Teamkolleginnen, die wie die deutschen Skispringer, in der vergangenen Saison vom Dokuteam begleitet wurden, Einblicke gewährten.

Tränen, Trubel, Trainerin?

Große Erfolge und bittere Momente sind so an diesem Abend auf der großen Kinoleinwand zu sehen. Popcorn raschelt und nach dem Trubel des Tages, den Interviews auf dem roten Teppich – auf dem etwa Andreas Wellinger und Karl Geiger Schmid noch einmal für ihre Erfolge, vor allem aber für all das, was sie erreicht hat, für eine besondere Karriere und die gemeinsamen Momente feierten – wird es für 45 Minuten still im Saal. „Es ist natürlich mega, die Bilder zu sehen. Man ist direkt wieder in dem Gefühl drin“, sagt Schmid und freut sich auf alle Folgen von „Fly“. „Ich werde mir natürlich alles anschauen und werde wahrscheinlich auch nochmal mitheulen“, sagt sie. „Ich habe es heute ganz gut geschafft, noch nicht zu heulen. Aber, ich werde die Tränen nicht zurückhalten können.“

Noch aber ist nicht Schluss – für die Skispringerin Katharina Schmid. Mit Two-Nights-Tour, Skifliegen und den Olympischen Spielen stehen bis zum Saisonende noch ein paar Highlights an. „Ich freu mich auf den Rest der Saison. Ich will bei den Olympischen Spielen nicht nur dabei sein – ich will um die Medaillen kämpfen“, sagt Schmid und grinst, fast so als sei das kein Wunsch, sondern ein Versprechen. „Ich habe gemerkt, dass es noch ganz viel mehr für mich gibt, dass ich gern erleben möchte.“ Ihren Schein als Trainerin hat sie schon. Vielleicht ist nach dem Karriereende also doch noch nicht Schluss mit Skispringen.