Gewalt gegen Einsatzkräfte ist erschreckend normal geworden

Wer sich beruflich oder ehrenamtlich bei Feuerwehr und Rettungsdiensten für andere einsetzt, hat Respekt verdient, keine Beschimpfungen, schon gar keine tätlichen Angriffe. Man sollte annehmen, das sei eine Selbstverständlichkeit. Die Wirklichkeit sieht anders aus, wie sich wohl leider auch diesmal wieder vielerorts am Jahreswechsel zeigen wird.

Zum krassesten Sinnbild für das Phänomen Silvesterkrawalle wurde die Attacke auf einen Reisebus auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln zum Jahreswechsel 2022/2023. Junge Männer zündeten das unter einer Hausdurchfahrt abgestellte Fahrzeug an und behinderten dann die Löscharbeiten mit taktisch-kriegerischer Massivität. Feuerwehrleute berichteten, sie seien von der Gruppe gezielt in einen Hinterhalt gelockt und mit Feuerwerkskörpern beschossen worden.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.



Ähnliches trug sich vor drei Jahren im Bonner Stadtteil Medinghoven zu. Dort hatten sich Jugendliche über Messengerdienste zum Straßenkampf gegen den Staat verabredet, sie steckten Müllcontainer sowie extra herbeigeschaffte alte Autoreifen an und beschossen die herbeieilenden Einsatzkräfte mit Raketen. Ihr Motiv: Lust an der Randale und Gier nach medialer Aufmerksamkeit. Die Mitglieder der Bonner Chatgruppe wollten „Athena“, einen Netflix-Hit, „nachspielen“. Er handelt von sozial abgehängten Jugendlichen in einer Pariser Banlieue.

In den vergangenen Jahren hat die Politik mit immer ausgefeilteren Strafrechtsverschärfungen reagiert, um Einsatzkräfte besser zu schützen. Anfang 2025 machte sich die damalige Bundes­innenministerin Nancy Faeser von der SPD in ihren letzten Wochen im Amt noch einmal dafür stark, auch „hinterlistige Überfälle“ wie in Berlin und Bonn mit Strafandrohung bis zu fünf Jahren Haft ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Der Vorstoß für diese zum Glück doch sehr speziellen Fälle ist berechtigt, wird das Gesamtproblem aber nicht lösen.

Ganzjährig erschreckendes Grundrauschen

Denn meistens handelt es sich nicht um gemeinschaftliche, womöglich von langer Hand geplante Taten wie die oben beschriebenen, sondern um Übergriffe von Einzeltätern aus situativer Erregung heraus. Bei ihnen haben alle bisherigen Strafrechtsverschärfungen keinen Abschreckungseffekt entfaltet. Die regis­trierten Attacken auf Einsatzkräfte nehmen vielmehr weiter zu, wie exemplarisch ein in diesem Monat vom Landeskriminalamt Niedersachsen veröffentlichtes Lagebild zeigt.

Gewalt gegen Einsatzkräfte ist zum ganzjährigen erschreckenden Grundrauschen geworden. Und oftmals verzichten Rettungskräfte auf eine Anzeige, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass das schlicht nichts bringt, wie eine repräsentative Umfrage der Forschungsabteilung der Berliner Feuerwehr unter 3500 Einsatzkräften aus ganz Deutschland ergab. Ein vereinfachtes Meldeverfahren wäre nicht nur für die konkret Betroffenen wichtig, es würde auch helfen, das offensichtlich enorme Dunkelfeld zu erkunden.

Attacken auf Feuerwehrleute und Rettungssanitäter müssen effektiv verfolgt werden – in großen Städten am besten mit Schwerpunktermittlern bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Der Rechtsstaat muss sich bei den meist jugendlichen Tätern mit raschen Verfahren Respekt verschaffen.

So wie im Fall von zwei 18 und 19 Jahre alten Männern, die sich aktuell wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Bonn zu verantworten haben, weil sie im Juli in Troisdorf einen Rettungssanitäter am Rand einer Schulfeier brutal attackiert und lebensgefährlich verletzt haben sollen.