Nachruf auf den Fußballer John Robertson: Der Picasso von gegenüber – Sport

Fußballfans, die bisweilen bereit sind, ihre Stars mit Zuneigung zu überschütten, legten bei diesem Spieler gern noch einen drauf. John Robertson, Held von Nottingham, wurde mit Liebe überflutet, und dafür gab es Gründe. Einen erkennt man sofort, wenn man die alten Siegerbilder anschaut. 1979, Olympiastadion München. Europapokal der Landesmeister. Nottingham gewann 1:0 gegen Malmö. Robertson servierte die Flanke zum Siegtor von Trevor Francis und schleppte danach den Pokal über den Rasen: ein kleiner, nicht ganz austrainiert aussehender Mann mit einem Fischerhut in den Vereinsfarben auf dem Kopf. Er hatte seinen Underdog-Klub gerade zum König von Europa gemacht – aber er sah aus wie ein Fan. Wie einer, der seinen Leib nicht auf dem Platz in Spielform bringt, sondern in der Kneipe. Dieser John Neilson Robertson, 1953 in Lanarkshire/Schottland geboren, war das Idol seiner Anhänger. Denn er erfüllte sich deren Träume.

Im Jahr darauf gleich noch mal. Nottingham verteidigte den Europapokal in Madrid gegen den Hamburger SV, der überlegen war und permanent drückte. Die große Zeit, noch unter Branko Zebec. Aber in Nottinghams Tor wartete – in einer atemberaubend gewagten Kombination aus grünem Shirt und roten Shorts – der an diesem Tag unüberwindbare Peter Shilton. Und das einzige Tor schoss: John Robertson, die Nummer 11. Ein Spurt von seinem linken Flügel in die Mitte, Gegenspieler Manfred Kaltz düpiert, ein Doppelpass am Strafraum, dann der Stich ins Herz der Hamburger Favoriten. Nottingham Forest, der Emporkömmling, war das dominierende Team in Europa, griffig, kompakt, angetrieben vom Trainer Brian Clough, Stratege und Menschenschinder.

Wie ein „little fat lad“ kam Clough sein Spieler Robertson vor. Ein kleiner dicker Junge. Er musste ihn bearbeiten, um das Talent zum Schimmern zu bringen, das in ihm steckte. Clough: „Gib ihm einen Ball und einen Meter Rasen, und er war ein Künstler, der Picasso unseres Spiels.“ Sucht-Typen waren beide, der Coach und sein Spieler. Wie die Times mal schrieb: „Clough wettete mit Robertson um 100 Pfund, dass er länger ohne Alkohol aushalten könne als der Flügelspieler ohne Zigarette.“

Was Fans natürlich auch nie vergessen: Wenn einer sich aufopfert, für den Verein und damit auch für sie. 1979 lieh Robertson seinem Bruder Hughie und dessen Frau sein Auto, sie verunglückten darin tödlich. Trotzdem spielte John Robertson wenige Tage später im Europapokal gegen Köln und erzielte sogar ein wichtiges Tor, per Flugkopfball. Das war eine Tragödie seines Lebens, die ihn nicht davon abhielt, alles für seinen Verein zu geben. Die andere: Eine Tochter kam mit Zerebralparese zur Welt, sie starb mit 13 Jahren. Und Robertson, der als Spieler nicht von den Zigaretten hatte lassen können, fand jetzt eine Gelegenheit, weiterzurauchen. Er ging regelmäßig zum Friedhof. Fünf Minuten Rauchpause, mit seiner Tochter. Erst später hat er mit der Qualmerei aufgehört.

Fast 400 Spiele für Nottingham, auch 28 Länderspiele für Schottland, unter anderem bei der Weltmeisterschaft 1982 in Spanien. Später bei mehreren Klubs Co-Trainer und Assistent seines ehemaligen Mitspielers Martin O’Neill. Er war eine Legende, die wirkte wie der Typ von gegenüber. John McGovern, sein Kollege aus Nottinghams kurzer, glänzender Ära, hat gesagt: „Er sah vielleicht nicht aus wie George Best, aber er war in jeder Hinsicht genauso gut wie er.“

Am ersten Weihnachtstag ist John Robertson, viel geliebt und viel geprüft, nach längerer Krankheit gestorben. Er wurde 72 Jahre alt.