Ex-Eintracht-Boss: Heribert Bruchhagen – „Der Job des Managers ist nicht anstrengend“

Heribert Bruchhagen im Frankfurter Stadion


interview

Stand: 25.12.2025 16:13 Uhr

Heribert Bruchhagen war von 2003 bis 2016 Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt. Im HR-Interview spricht er über den Beruf als Sportmanager, Markus Krösche und sein Handicap als Golfer.

hessenschau.de: Heribert Bruchhagen, herzlich willkommen zu einem Jahresabschlussgespräch und einem Interview über das, was Sportmanager zwischen den Jahren zu tun haben. Eins vorweg: Die Kommunikation ist noch viel schneller geworden als zu ihren aktiven Zeiten, die Medien sind in Lichtgeschwindigkeit unterwegs. Wären Sie heutzutage gerne nochmal Fußballmanager?

Heribert Bruchhagen: Fußball war immer mein Lebenselixier. Also jetzt zu sagen „Nein“, das wäre übertrieben. Aber die Zeiten haben sich doch gewaltig geändert. Und ich weiß auch gar nicht mehr, ob die Art und Weise, wie ich den Verein geführt habe, heute noch zeitgemäß wäre. Bei der Eintracht war ich mindestens neun Jahre lang in Personalunion für Medien verantwortlich, Manager und Vorstandsvorsitzender. Ich will zwar nicht von einer One-Man-Show sprechen, aber die Gesamtverantwortung lag bei mir. Und heute ist die Führung eines Bundesliga-Vereins auf gefühlt 20 Schultern verteilt. Und ob ich damit hätte leben können, das weiß ich nicht. Wahrscheinlich nicht.

hessenschau.de: Weil Sie das Zepter lieber alleine in der Hand halten wollten?

Bruchhagen: Nein, ich hatte ja auch Vertraute um mich herum. Im sportlichen Bereich habe ich mit Bruno Hübner sehr eng zusammengearbeitet und mit den jeweiligen Trainern. Aber die ganze Heerschar heute – bei jedem Einwurf, bei jedem Eckball oder irgendeiner strittigen Entscheidung springen da ja im Rücken von Toppmöller 40 Leute auf. Das hätte es zu meiner Zeit nicht gegeben, sondern der Trainer war die ultimative Kraft, mit der man sich ausgetauscht hat. Alles war viel enger, aber das bedeutet ja nicht, dass es besser war.

hessenschau.de: Was vermissen Sie denn an Ihrem Job im Fußballgeschäft und was fehlt Ihnen so gar nicht?

Bruchhagen: Was mir so gar nicht fehlt, ist der Einfluss der Berater. Bei den bestimmt 500 Verträgen, die ich gemacht habe in den 30 Jahren Bundesliga, habe ich nicht ein einziges Mal einen Berater an einem Transfererlös beteiligt. Das widerstrebte mir vollständig. Es ist ja nichts Verwerfliches, wenn man 20 Millionen an den Verein XY zahlt, das bleibt ja dann im Kreislauf der Bundesliga, denn der kauft dann auch wieder woanders ein und das Geld ist nicht weg aus dem Gesamtmarkt. Aber die Beratergelder sind komplett weg. Die gehen in eine dritte Ebene, und das hätte ich niemals machen können. Das war sicherlich auch ein Grund, dass ich nicht mehr zeitgemäß gewesen wäre mit dieser Position und mit dieser Einstellung. Und ich war jetzt nicht so flexibel, dass ich mich in meinen Einstellungen zum Fußball hätte ändern können.

hessenschau.de: Gut, dann nochmal zurück zu der Frage, was Sie vermissen?

Bruchhagen: Mir fehlt natürlich, häufiger im Stadion zu sein und wenn dann „Eintracht von Main“ gesungen wird. Aber ich habe eine Ehrenkarte von Eintracht Frankfurt, und das ist natürlich ein wunderbares Gefühl, auch auf dem Weg ins Stadion. Da gab es während meiner aktiven Zeit doch manch kritisches Wort, dass man angegangen wurde. Und das hat sich heute gedreht. Das heißt, mit der Milde des Alters bekomme ich doch sehr positiven Zuspruch auf dem Weg ins Stadion.

hessenschau.de: Jetzt kommt die Weihnachtspause, zumindest heißt die offiziell so. Gibt es irgendwie ein Gentlemen’s Agreement, dass sich die Berater an den Feiertagen nicht melden und die Sportmanager in Ruhe gelassen werden?

Bruchhagen: Das ist ein Trugschluss. Sicherlich gibt es an Heiligabend und am ersten Weihnachtstag eine Ruhepause. Aber dann geht es auch schon wieder los, und das ist eine hochaktive Zeit. Ein geöffnetes Transferfenster bedeutet, dass man wach sein muss von morgens acht bis abends um zehn. Das ist so die übliche Zeit.

hessenschau.de: Das sind 14 Stunden pro Tag. Ist das so die normale Arbeitszeit auch an Sonn- und Feiertagen?

Bruchhagen: Du bist ja kein Dachdecker und auch kein Automechaniker. Die Tätigkeit des Managers hat ja auch Pausen. Du liest in Ruhe den Pressespiegel, du kannst auch, wenn du Raucher bist, mal ein Zigarettchen rauchen, du führst auch Gespräche im Unternehmen. Man muss zwar zwölf, vierzehn Stunden präsent sein. Aber dass ich jetzt die Feststellung machen müsste, dass dieser Job besonders anstrengend gewesen wäre, da fehlt mir jede Fantasie. Ich glaube, kein Manager der Bundesliga ist überarbeitet, sondern es macht sich immer gut, wenn man sich im Trainingslager mit zwei Handys am Ohr, eins rechts, eins links, fotografieren lässt. Das gefällt den Medien, und damit kann man auch verkaufen, sehr beschäftigt zu sein. In Wahrheit ist dieser Job des Managers nicht anstrengend, nur die Verantwortung bedrückt einen. Aber körperlich kann man 14 Stunden wach sein, das ist kein Problem.

hessenschau.de: Wenn jetzt in diesem Transferfenster zwischen den Jahren so viel zu tun ist, wann macht ein Manager dann Urlaub? Gibt es das überhaupt?

Bruchhagen: Meistens ist die Urlaubszeit am günstigsten während der laufenden Saison. Niemals in den Transferfenstern, da muss man einfach mal den Mut haben, bei einem Spiel nicht dabei zu sein. So drei, vier Wochen Urlaub, das macht kein Manager, das hält man ja gar nicht aus, sondern man kann mal bei irgendeinem Auswärtsspiel in Hoffenheim oder so ruhig zu Hause bleiben. In der Länderspielzeit war eigentlich die beste Zeit, um Urlaub mit der Familie zu machen.

hessenschau.de: Was halten Sie von den Summen, die mittlerweile nicht nur im europäischen, sondern auch im deutschen Fußball gehandelt werden?

Bruchhagen: Meine bestverdienenden Spieler waren immer Ioannis Amanatidis und Alex Meier. Meier war Torschützenkönig in der Bundesliga, und der hat dann, kann ich auch ausplaudern, so knapp über eine Million verdient pro Jahr. Heute, also zehn Jahre später, liegt der nicht zum Einsatz kommende Reservespieler schon in dieser Größenordnung, ganz zu schweigen von den Spitzenspielern. Diese Summen sind gewaltig exponentiell gestiegen. Der Markt gibt es her. Die Fernsehgelder sind auch explodiert und werden immer höher, die Einnahmen werden höher, die Stadien sind ausverkauft, das Geld ist da, und dann wird es eben verteilt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ewig so weitergeht. Irgendwann muss man auch zur Ruhe kommen und das Ganze überdenken. Und jetzt kommt mein Lieblingssatz: die Flut hebt alle Boote. Das heißt, die Reservespieler und diejenigen, deren Qualität eigentlich nicht ein Millionengehalt rechtfertigt, steigen in ihrem Gehalt mit. Und wenn ein Verein auf Champions-League-Niveau spielt wie beispielsweise die Eintracht, dann steigen auch die Gehälter auf ein höheres Niveau. Das muss man natürlich bezahlen, denn man hat ja auch Zwei-, Drei-, Vierjahres-Verträge. Die Problematik ist also, dass man letztlich gezwungen ist, immer wieder internationalen Fußball zu erreichen. Ich wäre froh, ich hätte diese Probleme gehabt, aber es ist auch schwierig, mit diesem explodierenden Etat immer wieder alle Lizenzspieler zufriedenzustellen. Und das ist im Augenblick sicherlich ein lösbares, aber ein Problem der Eintracht.

hessenschau.de: Wie schätzen Sie denn die Arbeit von Markus Krösche bei der Eintracht ein?

Bruchhagen: Also da kann man nur sagen: Alle Achtung. Der Vorstand insgesamt arbeitet überzeugend. Aber ich weiß auch, dass es nicht ganz einfach ist, diesen Zustand zu erhalten. Wenn man in den letzten drei Jahren outstanding war im sportlichen Bereich, dann entsteht eine Erwartungshaltung. Der siebte Platz ist für Eintracht Frankfurt ein Riesenerfolg, und wenn man das im Umfeld nicht verinnerlicht, dann ist das schon der erste Schritt in die falsche Richtung und setzt die handelnden Personen derart unter Druck, dass sie möglicherweise nicht mehr souverän Entscheidungen treffen.

hessenschau.de: Aber um diese oben genannten Summen weiterhin zahlen und in diesem großen Orchester mitspielen zu können, muss man ja das internationale Geschäft erreichen. Und da ist der siebte Platz natürlich gerade so die Schnittstelle.

Bruchhagen: Man muss es in der Regel erreichen, ja, aber man muss dann auch wieder die Kosten zurückfahren, wenn man es nicht erreicht. Der siebte Platz ist und bleibt immer noch erstrebenswert. In meinen 13 Jahren Eintracht bin ich, glaube ich, zwei oder drei Mal Sechster, Siebter geworden, und das waren dann immer Erfolgsjahre. Und jetzt will man den siebten Platz als nicht erfolgreich verkaufen. Das halte ich für falsch. Man kann auch mal ein Jahr nicht international spielen, um das dann im nächsten Jahr wieder zu erreichen.

hessenschau.de: Weihnachten ist mit Geschenken verbunden. Was wünschen Sie der Eintracht?

Bruchhagen: Der Eintracht wünsche ich einfach nur Gelassenheit und das realistische Einschätzungsvermögen. Und dann hätte ich noch einen Wunsch, denn diese Pyro-Idioten haben mich immer aufgeregt. Es muss doch irgendwann mal eine Ultra-Generation heranwachsen, die einfach sagt, wir verzichten auf Pyro, und damit können wir trotzdem sehr viel erreichen und können viel, viel mehr für uns und für alle tun. Noch ist die nachfolgende Generation scheinbar nicht in der Lage, eine solche Entscheidung zu treffen, aber da sollte man die Hoffnung nicht aufgeben. Also wünsche ich der Eintracht sportlichen Erfolg und dass auch das tolle Fanverhalten nicht getrübt wird durch ein paar Vollidioten, die glauben, ein Fußballspiel müsse mit Illumination, mit Fackeln ergänzt werden. Welch ein Trugschluss.

hessenschau.de: Noch eine persönliche Frage: Wo liegt momentan Ihr Handicap im Golf?

Bruchhagen: Wir können über alles sprechen, aber bitte nicht über dieses Thema. Ich kann es nicht. Bitte lassen Sie es dabei. Ich spiele zwei, drei Mal die Woche Golf, und Fazit, ich kann es nicht.

hessenschau.de: Aber es macht ihnen anscheinend so viel Spaß, dass sie es nicht lassen wollen.

Bruchhagen: Ja, der Mensch quält sich und leidet ja auch gern.

Das Interview führte Markus Philipp.