„Damit Riesenverluste gemacht“Meyer Werft scheiterte an „Zettelwirtschaft“
24.12.2025, 10:21 Uhr
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Kürzlich wird ein großer Auftrag für die stark angeschlagene Meyer Werft bekannt. Mehrere Jahre sei der Kreuzfahrtschiffbauer ausgelastet. Doch die Probleme sind tiefgreifend. Das Unternehmen verpasste die Digitalisierung offenbar komplett.
Die Sanierer des in schweres Fahrwasser gekommenen Kreuzfahrtschiffbauers Meyer Werft sehen noch viel Arbeit bei der Verbesserung der Effizienz des Traditionsunternehmens. Vor allem die Abschaffung einer im Unternehmen herrschenden „Zettelwirtschaft“ sei nötig, sagten Geschäftsführer Bernd Eikens, seit Dezember 2023 an Bord, und der im Frühjahr 2024 eingesetzte Chefsanierer Ralf Schmitz im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Ein Beispiel: Bislang würden Reklamationen zu Arbeiten von Zulieferern bei der Abgabe der Schiffe mittels gelber Zettel erfasst. „Wir sind dabei, das zu digitalisieren, wie es bei vielen Bauunternehmen längst Standard ist“, sagte Eikens. Kurz vor Fertigstellung der Schiffe entstehe immer eine große Hektik, um den Zeitplan einzuhalten, sagte Schmitz. Viele Beschäftigte seien sogar nach der Auslieferung des Schiffes während der Überführungsfahrt noch an Bord geblieben, um letzte Arbeiten durchzuführen. Er habe das immer als die „Phase der gelben Zettel“ bezeichnet.
„Wenn Sie unter großem Zeitdruck stehen und letztlich sagen: alles egal, Hauptsache das Schiff wird fertig, entstehen diese Probleme und es laufen einem die Kosten weg“, sagte Schmitz. Daher müssten diese Prozesse digitalisiert werden. Bei den jüngsten Lieferungen sei es schon „atemberaubend viel besser“ geworden: „Man muss ja keinen Hehl daraus machen: Hier sind Riesenverluste gemacht worden.“
In vielen Prozessabläufen habe es diese „Zettelwirtschaft“ gegeben. Gerade im kaufmännischen Bereich hätten in der Vergangenheit nicht alle Abteilungen mit den gleichen Zahlen und Fakten gearbeitet. Dies hätte teils nicht einmal einen ordnungsgemäßen Monatsabschluss ermöglicht. „Die Fertigmeldung von Bauteilen, Lagerentnahme und Ähnliches ist nicht ausreichend automatisiert gewesen“, so Schmitz. Bis Mitte 2027 solle SAP unternehmensweit stabil genutzt werden, erklärten die beiden Manager.
„Auftrag hätte man so nicht annehmen dürfen“
Die Werft habe in der Vergangenheit auch Aufträge angenommen, die sich nicht lohnen würden, sagte Schmitz in dem Gespräch mit der Zeitung. „Wir haben hier Aufträge vorgefunden, die hochdefizitär sind.“ So gebe es für den Bau von Offshore-Plattformen keine adäquaten Maschinen, weshalb man in provisorischen Zelten von Hand schweißen müsse – ein Vorgang, den Schmitz mit den Worten kommentierte: „Den Auftrag hätte man so nicht annehmen dürfen.“ Zu den Geldvernichtern gehöre auch der Bau von Marinetankschiffen, der in Rostock im Auftrag der federführenden NVL-Group aus Bremen erfolgt. „Dadurch häufen sich beachtliche Verluste an“, sagte Schmitz.
Den Stand der Sanierung würden die beiden derzeit zwischen 30 und 40 Prozent sehen, sagte Eikens. Aktuell hat die Werft laut Schmitz und Eikens rund 3200 Mitarbeiter – „und das wird auch so bleiben“, sagte Schmitz. „Personalabbau steht aktuell nicht an. Wir werden an einigen Stellen sogar Kapazitäten aufbauen.“
Der Bund und das Land Niedersachsen hatten vor gut einem Jahr jeweils 40 Prozent der Anteile an der finanziell angeschlagenen Meyer Werft übernommen. Dafür flossen insgesamt 400 Millionen Euro. Zudem gewährleisteten sie einen Kreditrahmen von insgesamt 2,6 Milliarden Euro.
Mitte Dezember hatten Bund und Land sowie die Meyer Werft einen Großauftrag der Reederei MSC Cruises vorgestellt: Bis 2033 soll die Werft vier Kreuzfahrtschiffe bauen, mit einer Option auf zwei weitere bis 2035. Der Auftrag hat einen Umfang von bis zu zehn Milliarden Euro.
