Die Premier League bricht mit einer mehr als 100 Jahre alten Tradition. Nur eine einzige Partie ist für den Boxing Day vorgesehen. Es fehlt nicht an Schuldzuweisungen für diesen ungewöhnlichen Umstand.
Nick Woltemade kostet den Feiertag im englischen Fußball gleich in seinem Premierenjahr voll aus. Flutlichtspiel im ausverkauften Old Trafford am 26. Dezember? Besser geht es kaum. Doch außer Newcastle United und Manchester United kommt in der Premier League in diesem Jahr keiner in den Genuss, am Boxing Day anzutreten.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag findet in Englands Eliteliga notgedrungen lediglich ein Spiel statt – noch weniger, nämlich gar keins, gab es zuletzt im Jahr 1982. In diesem Jahrtausend wurden immer mindestens fünf Begegnungen am 26. Dezember ausgetragen, oft fand gar der gesamte Spieltag am Boxing Day statt. Es ist sogar von einem „Feigenblatt-Friday-Night-Match“ die Rede, das in diesem Jahr zur Aufführung kommt.
Bissige Stellungnahme an die UEFA
Noch im vergangenen Jahr wurde mit acht (!) Paarungen quasi von 12 Uhr bis 22 Uhr durchgespielt. Der US-Handelsriese Amazon sicherte sich über seinen Ableger „Prime Video“ die Live-Übertragungsrechte für diesen Spieltag, der wegen der hohen Zuschauerzahlen als der lukrativste im gesamten Spielkalender galt.
Der Boxing Day spielt eine besondere Rolle in Großbritannien und dem Commonwealth, benannt ist er nach den „Christmas Boxes“ (Geschenkboxen), die Arbeitgeber ihren Angestellten und Kirchen den Armen gaben. Dass populäre Sportarten am zweiten Weihnachtstag gut besuchte Wettkämpfe austragen, hat Tradition.
Als Ursache für den Bruch des seit 1888 gängigen Brauchs nennt die Liga die Ausweitung der Europapokalwettbewerbe durch die UEFA. „Die Premier League möchte die Umstände anerkennen, die zu einer reduzierten Anzahl von Spielen am Boxing Day geführt haben – und damit eine wichtige Tradition im englischen Fußball beeinträchtigen“, hieß es in einer bissigen Stellungnahme.
Die Liga hat das Problem selbst produziert
Die Anpassung des Spielplans sei eine Folge der gestiegenen Belastung durch die Champions League, Europa League und Conference League, deren Spieltage bis zum Beginn der K.o.-Phase immer mehr Termine erfordern. Zudem verwies die Liga auf Vorgaben des Weltverbands FIFA, die eine Mindestpause von 72 Stunden zwischen zwei Partien fordern.
Es seien „besondere Vorkehrungen“ getroffen worden, „um mehr Zeit zwischen den Spielen während der Feiertage zu ermöglichen“, hieß es. Zuletzt hatte Crystal Palace nur 46 Stunden nach dem Conference-League-Heimspiel gegen Kuopion PS (2:2) gleich wieder bei Leeds United (1:4) antreten müssen. Coach Oliver Glasner schmeckte das gar nicht. Dennoch wollte er die Schuld nicht bei der Ansetzung suchen, er hatte die Elf komplett durchgetauscht. „Es waren die Basics. Sie waren viel besser als wir“, sagte er.
Vertrag mit der FA ist bindend
So ganz kann die Premier League die Verantwortung für den abgespeckten Boxing Day nicht abwälzen, Schuld daran hat auch der selbst abgeschlossene Vertrag mit dem englischen Fußballverband FA. Demnach muss die Eliteliga ihren Medienpartnern garantieren, 33 der 38 Spieltage an Wochenenden auszutragen.
So ergibt sich aus Terminnot eben, dass der rund um den Boxing Day stattfindende 18. Spieltag zum Großteil am Wochenende stattfinden muss. Der zweite Weihnachtstag fällt diesmal auf einen Freitag. Sieben Partien sind am 27. Dezember angesetzt, darunter das Heimspiel des FC Liverpool mit dem deutschen Nationalspieler Florian Wirtz gegen Schlusslicht Wolverhampton Wanderers (16 Uhr).
Pep Guardiola stellt seine Profis auf die Waage
Entsprechend passten viele Vereine ihre lang erprobten Abläufe über die Weihnachtsfeiertage in diesem Jahr an. Pep Guardiola stellte seine Profis von Manchester City vor Weihnachten gar auf die Waage. Für den Fall, dass einige von ihnen beim Festtagsschmaus zu sehr zugeschlagen haben sollten, drohte der Coach, sie aus dem Kader für die Premier-League-Partie am Samstag (13.30 Uhr) bei Nottingham Forest zu streichen.
„Sie kommen am 25. zurück, und ich werde dort sein, um zu kontrollieren, wie viele Kilo sie zugenommen haben, ob sie fett geworden sind“, sagte Guardiola. Der 54-Jährige hat wahrscheinlich noch in guter Erinnerung, wie freudlos die Zeit rund um den Boxing Day war, als der Coach nach einem ernüchternden 1:1 gegen Everton verzweifelt nach neuen Spielern rief. Die Sinnkrise der „Citizens“, die in dieser Phase Omar Marmoush von Eintracht Frankfurt verpflichteten, war damals ein großes Thema.
Bei Woltemade besteht die Gefahr der Gewichtszunahme über die Feiertage wohl kaum. Schließlich muss er sich mit Newcastle auch an Heiligabend und am 25. Dezember vorbereiten, ehe es am zweiten Weihnachtsfeiertag (21.00 Uhr) beim von enormem Verletzungspech geplagten Manchester United um drei Punkte geht. Ab dem Jahr 2026 werden dann wohl nahezu alle Spieler wieder in den Genuss eines Boxing-Day-Spiels kommen, kündigte die Liga bereits an. Der Bruch der Tradition soll erstmal eine Ausnahme bleiben.
