Wahrscheinlich wären die Bad Homburger auch weiterhin ohne Windtelefon klargekommen. Genauso wie die Kasseler, die schon länger eines nutzen können. Aber die Spenderin der jüngst auf dem Waldfriedhof der Stadt im Taunus aufgestellten Zelle hat einen Punkt, wenn sie sagt: Viele Trauernde haben heute keinen Ort mehr, an den sie gehen können, um den Toten nahe zu sein. Leben, Lieben, Sterben, Trauern – das geschah früher oft im selben Dorf. Heute leben Familien und Freunde verstreut, und manche Gräber sind im schnellen Alltag kaum erreichbar. Hinzu kommen neue Bestattungsarten. Dann gibt es gar kein Grab.
Das Windtelefon soll Ersatz schaffen. Die Idee kommt aus Japan: Der Gartenkünstler Itaru Sasaki stellte vor Jahren eine ausgemusterte Telefonzelle auf, um darin im Klang des Windes den Verlust eines Cousins zu verarbeiten.
Ein Ort zum Trauern

Bald öffnete er das Windtelefon für die Angehörigen der Opfer eines Tsunamis. Auch die Bad Homburger Zelle soll der Gemeinschaft nutzen. Ob sie wirklich gefehlt hat, ist unwichtig, denn der Stadt sind dadurch keine Kosten entstanden. Das Spenderpaar hat die alte graue Box gekauft, das Fundament gegossen und den Weg dorthin gepflastert.
Mit dem Engagement bietet sich der Kommune eine doppelte Gelegenheit. Zum einen ist Bad Homburg jetzt eine der ganz wenigen Städte mit Windtelefon in Deutschland. Das ist nicht gerade ein knallharter Standortvorteil im Wettbewerb um Unternehmen, aber doch ein netter weicher Faktor oder wenigstens ein sehr gutes Smalltalk-Thema. Oder wussten Sie vor Lektüre dieses Textes schon, was ein Windtelefon ist?
Zum anderen könnte das Telefon ohne Anschlusskabel tatsächlich eine Anlaufstelle für Menschen sein, die um ihre Liebsten weinen oder bei denen die Tränen bisher nicht kommen wollten. Niemand muss in der Box so tun, als würde er einen Toten anrufen, es geht schließlich nicht um eine Séance, sondern um ein Symbol.
Wenn um den Raum mit den nahen Wänden die Taunusluft streicht, mag sich der Besucher geborgen genug fühlen, um der Beziehung zu einem Menschen nachzuspüren, der nicht mehr hier ist, aber trotzdem noch da. Vielleicht kennt jemand auch noch eine Nummer auswendig, die seit Jahrzehnten nicht an einem echten Telefon gebraucht wurde. Weil sie den Draht zum Opa herstellte, der seit Jahrzehnten tot ist.
