Als Svetislav Pesic schon einmal Trainer der Bayern-Basketballer war, empfing er Gäste gerne in seinem Büro, in einem Seitengebäude der Rudi-Sedlmayer-Halle. Einmal, zum Ende des Jahres 2012, ging es in einem Interview auch um die Festtage. „Weihnachten feiern wir sogar zweimal, meine Frau ist katholisch und ich bin orthodox“, sagte er, „daher verbringen wir Heiligabend mit Verwandten, und in zwei Wochen machen wir noch einmal dasselbe. Mein Enkelkind freut das: Es gibt doppelt Geschenke.“ So ähnlich dürfte es auch jetzt laufen, denn so viel ist 13 Jahre später gar nicht anders.
Pesic, 76, ist jedenfalls seit Montag zurück als Coach der Münchner, er springt wieder einmal in bekannter Umgebung ein, nachdem am vergangenen Wochenende Gordon Herbert mitten in der Saison gehen musste. Dem aktuellen Weltmeistertrainer (Herbert mit dem DBB 2023) folgt ein früherer (Pesic mit Jugoslawien 2002), einem ehemaligen Bundestrainer folgt einer seiner Vorgänger, der Basketball in Deutschland mit dem EM-Titel 1993 überhaupt erst populär machte. Es ist eine in vielerlei Hinsicht kuriose Wendung, die sich bei den Bayern abspielt, denn kaum ein Name prägt diesen Verein so wie jener der Pesics.

:„Ich bin über meine Grenzen gegangen“
Nach 14 Jahren Verantwortung hört Marko Pesic bei den Basketballern des FC Bayern auf. Er erklärt, wie ihn Uli Hoeneß geprägt hat, wie die Mannschaft in der kommenden Saison aussieht – und ob er Vizepräsident der Münchner werden will.
Sein Sohn Marko initiierte 2011 im Verbund mit dem damaligen Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß das Münchner Basketballprojekt. Svetislav Pesic holte bei seiner ersten Trainerstation an der Isar 2014 dann die Meisterschaft, er blieb insgesamt vier Jahre, bis 2016. Und jetzt? Kehrt der Vater in akuter sportlicher Not zurück, während der Sohn zum Jahresende nach 14 Jahren aus dem Amt des Geschäftsführers scheidet. Die Bayern-Basketballer und die Pesics, it’s a family thing – und wenn man bedenkt, dass zwischenzeitlich sogar Svetislav Pesics Schwiegersohn Jan Jagla für die Mannschaft spielte, wird es noch erstaunlicher.
Wie groß das Schlamassel ist, aus dem Pesic senior das Team nun hieven soll, lässt ein Blick in die Euroleague erahnen, die dem Klub fast noch wichtiger ist als die Bundesliga. Acht Niederlagen hintereinander, vorletzter Platz, verheerende Chancenlosigkeit, das erforderte von der sportlichen Leitung einen Wachrüttler. Die Playoffs sollten es schon sein mit einem Kader, den man stärker einschätzt, als es fünf Pleiten mit teils mehr als 25 Punkten Rückstand vermuten lassen. „Wir wollen auf keinen Fall Ziele aufgeben“, sagte Präsident Herbert Hainer bei Pesics Vorstellung am Montagabend. Schon am Dienstagabend gegen Hapoel Tel Aviv soll er zum ersten Mal auf dem Parkett stehen.
Dass sein Sohn Marko als Geschäftsführer aufhört, kommentiert Svetislav Pesic schlitzohrig: „Zwei wären zu viel.“
Der neue Trainer, den sie in München gerne „den Alten“ nennen, führte sich mit gewohnter Schlitzohrigkeit ein. Schon okay, dass sein Sohn ausgerechnet jetzt aufhöre, denn: „Zwei wären zu viel.“ Wobei auch zur Geschichte gehört, dass Marko Pesic in beratender Funktion weiter verfügbar bleibt.
Für Sentimentalitäten ist allerdings nicht der Zeitpunkt, es gelte vielmehr im Schnelldurchlauf „die Spieler kennenzulernen“, sagte Svetislav Pesic und deutete an, wo sein Fokus liegt: „Ich glaube an Disziplin und Verantwortung.“ In beiden Bereichen gibt es dem Vernehmen nach Nachholbedarf, denn in der Mannschaft tun sich nach den vielen Pleiten offenbar erste, leistungshemmende Risse auf.

Unter Gordon Herbert fehlte eine klare Rollenverteilung, Spieler wie der hochbegabte NBA-Zugang Spencer Dinwiddie rotierten zwischen Positionen, und es mangelte – auch verletzungsbedingt – an Führung. Pesic, der bis Saisonende übernimmt, wird also die ganze Palette seiner nicht zimperlichen Trainerkunst brauchen, um bei den Bayern aufzuräumen; um die Spieler so einzusetzen, dass sie gegen die Besten Europas funktionieren und eine Aufholjagd starten. Von Platz 19 muss es in der zweiten Hälfte der Euroleague-Saison mindestens bis auf Platz zehn gehen, damit eine Chance auf die Playoffs besteht. Und die Bundesliga, wo die Münchner Tabellenerste sind, muss nebenbei auch ohne Unfälle weiterlaufen. Unter diesen Voraussetzungen definiert Pesic sich als Adhoc-Einsatzkommando: „Ich habe nur ein Ziel hier, dass wir uns so schnell wie möglich verbessern.“
Der ewige Pesic, er geht damit ein letztes Mal in die Verlängerung seiner Trainerkarriere, die ihm zuletzt noch mal einige Jahre als serbischer Nationaltrainer beschert hatte. Olympiabronze 2024 galt eigentlich als sein letzter Höhepunkt, aber jetzt ist sein mitunter autoritärer Führungsstil eben noch einmal gefragt. Die Münchner setzen mit ihm auf Altbewährtes, man weiß, was man kriegt. Und andere Prominenz auf dem Trainermarkt wie Ettore Messina, Andrea Trinchieri oder Zeljko Obradovic war so kurzfristig nicht zu haben.
„Svetislav kennt München, er kennt Bayern. Einige von uns kennen ihn sehr gut – die Eingewöhnungszeit dürfte kurz ausfallen“, sagte Sportchef Dragan Tarlac. Mit „einige“ meinte er auch sich selbst, denn er arbeitete zuletzt drei Jahre mit Pesic als „Managing Director“ des serbischen Nationalteams zusammen. Und falls sich noch jemand fragt, was aus Pesics Enkel wurde, der sich 2012 über das doppelte Weihnachtsfest freute: Er spielt mittlerweile in der zweiten Mannschaft der Bayern-Basketballer.
