Es soll Menschen geben, die es nicht einmal eine Stunde lang ohne Reden, Lachen oder Streiten mit anderen aushalten. Und mit dieser Eigenschaft sind wir nicht allein: Auch Schimpansen leben in einer Welt voller Gesten, Gesichtsausdrücke und anderer sozialer Interaktionen. Eine aktuelle Studie im Fachmagazin Journal of Comparative Psychology beschreibt diese Kommunikation der Menschenaffen jetzt genauer.
Für Schimpansen ist Abstimmung zwischen Gruppenmitgliedern lebenswichtig, etwa um bei der Nahrungssuche zusammenzuarbeiten. Daher nutzen die Primaten Handbewegungen und andere Gesten, um zu bekommen, was sie wollen. Diese „Sprache“, so heißt es in der Studie, hilft dabei, Konflikte innerhalb der Gruppe zu lösen, indem die Schimpansen ihre Vorlieben und Bedürfnisse an andere weitergeben.
Forscher um die Primatologin Brittany Florkiewicz vom Lyon College in Arkansas untersuchten diese Interaktionen anhand von Videoaufnahmen von 18 Schimpansen im Zoo von Los Angeles. So entstand eine Datenbank aus 1300 Interaktionen mit 3500 Gesichtsausdrücken oder Gesten, zu Themen wie Nahrung, Spiel oder sexueller Aktivität.
„Schimpansen kommunizieren meist ihre unmittelbaren Ziele, wie ‚Putze mich‘, ‚Folge mir‘, ‚Spiel mit mir‘ oder ‚Hör auf‘“, sagt Florkiewicz. „Zum Beispiel kann ein Schimpanse den Arm ausstrecken, um einen anderen Schimpansen zu ermutigen, näherzukommen. Reagiert der andere nicht entsprechend, streckt er den Arm weiter aus oder nutzt zusätzliche Zeichen mit dem Gesicht oder der Stimme.“
Die Interaktion zwischen Schimpansen ähnele dabei einer Verhandlung, bei der beide Seiten Signale austauschen. So lange, bis ein Schimpanse bekommt, was er will – oder nicht. Laut den Beobachtungen führte etwa die Hälfte der Interaktionen zur Zielerreichung des initiierenden Schimpansen, die andere Hälfte scheiterte.
Besonders komplex wird es, wenn die Schimpansen spielen
Als entscheidend für den Verhandlungserfolg sehen die Forscher die Abfolge von Gesten an. „Das ähnelt menschlichen Verhandlungen, bei denen die Seiten zunächst Verschiedenes ausprobieren und sich langsam auf eine Einigung zubewegen“, sagt Anna Zamansky von der Universität Haifa. Die Informatikerin trainierte mit den Videoaufnahmen ein Computermodell, um den Erfolg von Interaktionen vorherzusagen.
Dafür ist neben den Gesten selbst auch der soziale Kontext entscheidend. „Kommunikationsmuster beim Spielen unterscheiden sich von denen bei einem Streit um Nahrung oder bei der Bitte um Pflege“, sagt Zamansky. Für jeden Kontext gebe es ein eigenes Wörterbuch und typische Abfolgen von Gesten.
Besonders komplex wird es, wenn die Schimpansen spielen. Fast jede dritte Geste oder Mimik fiel in diese Kategorie. Aus anderen Studien ist bekannt, dass Raufen, Kitzeln, Jagen und anderes spielerisches Verhalten soziale Bindungen unter den Primaten festigen. „Das Spiel ist ein unvorhersehbarer Prozess“, sagt Florkiewicz. Schimpansen spielen nicht nur in ruhigen Phasen, sondern auch in unsicheren Situationen, etwa wenn sich die Gruppe aufspaltet. Dann sind spielerische Interaktionen sogar besonders lang. Das könnte darauf hindeuten, dass spielerisches Verhalten den Schimpansen hilft, mit unvorhersehbaren Situationen umzugehen.
Die Vorliebe zum Spielen ist nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen Menschen und Schimpansen. „Ähnlich wie der Mensch kommuniziert der Schimpanse seine Absichten flexibel, um etwas zu erreichen“, sagt Florkiewicz. „In vielen Fällen kann ein bestimmtes Signal je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen haben.“
