

Die Insel Zakynthos ist ein beliebtes Reiseziel für Partytouristen. Die vor allem von jungen Briten frequentierte Feiermeile im Ort Laganas gilt als Ballermann von Griechenland. Doch die Insel hat ein schmutziges Geheimnis: Mitten in einem Naturschutzgebiet befindet sich eine illegale Mülldeponie. Rund 530.000 Tonnen Abfall hat die Gemeinde Zakynthos dort über Jahrzehnte aufgehäuft. Bereits 2017 ordnete der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Schließung und Sanierung der Deponie an. Doch bislang ist wenig geschehen. Deshalb verhängte der EuGH Anfang Oktober eine Strafe von 5,5 Millionen Euro sowie ein tägliches Zwangsgeld von 12.500 Euro. Es wird so lange fällig, bis die Deponie vollständig verschwunden ist.
Griechenland steuert in diesem Jahr einen neuen Tourismusrekord an – den dritten in Folge. In den ersten neun Monaten stieg die Zahl der ausländischen Besucher der griechischer Zentralbank zufolge um vier Prozent. Deutschland stellt die größte Urlaubernation, gefolgt von Großbritannien und Italien. Für Griechenland ist der Tourismus ein zentraler Wirtschaftsfaktor: 2024 trug er laut World Travel and Tourism Council (WTTC) 21,7 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei, mehr als doppelt so viel wie im weltweiten Durchschnitt.
Infrastruktur auf den griechischen Inseln kurz vor dem Kollaps
Doch eine aktuelle Studie der National Bank of Greece (NBG) kommt zu einem alarmierenden Ergebnis: In vielen Regionen, besonders auf den Inseln, steht die Infrastruktur kurz vor dem Kollaps. Zakynthos ist kein Einzelfall. Illegale Deponien gibt es auch auf Hydra, Santorini und Kalymnos. Seit 2014 musste Griechenland 74 Millionen Euro Strafen für solche Müllhalden zahlen und weitere 75 Millionen Euro für fehlende Kanalisationen und Kläranlagen. Auf Mykonos traten im Sommer 2023 stinkende Fäkalien aus der völlig überlasteten Kanalisation aus und überschwemmten Cafés und Boutiquen am Hafen.
Die Autoren der NBG-Studie mahnen: Griechenland müsse massiv in Verkehrs- und Versorgungsnetze sowie in Abwasser- und Müllentsorgungssysteme investieren, um die Attraktivität der Inseln zu bewahren. Doch während die Touristenzahlen rapide steigen, stagnieren die Investitionen. Durchschnittlich flossen in den vergangenen fünf Jahren nur zwei Milliarden Euro pro Jahr in den Sektor. Notwendig wären jedoch bis 2035 rund 35 Milliarden – also 3,5 Milliarden Euro jährlich.
Zahl der Inseltouristen massiv gestiegen
Griechenland steht wie kaum ein anderes Land für Inseltourismus: Fast die Hälfte der ausländischen Urlauber verbringt ihren Aufenthalt dort. Zwischen 2003 und 2024 hat sich die Zahl der Inseltouristen von acht auf 16 Millionen verdoppelt. Sieben griechische Inseln gehören zu den 30 beliebtesten Destinationen weltweit, elf Prozent des globalen Inseltourismus entfallen auf Griechenland. Viele Inseln können den Ansturm aber kaum mehr verkraften. In der Hochsaison beträgt die tägliche Touristendichte auf den Inseln 33 Besucher pro Quadratkilometer – gegenüber zwei auf dem Festland und drei im Mittelmeerraum insgesamt. Santorini empfängt jährlich 3,5 Millionen Urlauber, das 200-fache seiner Einwohnerzahl. Mykonos kommt sogar auf das 300-fache. Trotzdem lagen die Pro-Kopf-Investitionen in die Inselinfrastruktur in den vergangenen 20 Jahren nicht über denen des Festlands.
Fortschritte gibt es vor allem bei der Flughafen-Infrastruktur. Der Athener Flughafen investiert derzeit 1,3 Milliarden Euro, um die Kapazität auf 40 Millionen Passagiere zu erhöhen. 2024 nutzten ihn knapp 32 Millionen Reisende. Seit 2017 betreibt das Frankfurter Unternehmen Fraport 14 Regionalflughäfen und investierte mehr als zwei Milliarden Euro in die Konzessionen, Modernisierung und Ausbau. Doch zwei Dutzend staatlich betriebene Kleinflughäfen sind dringend sanierungsbedürftig. Sie sollen im kommenden Jahr privatisiert werden.
Auch im Fährverkehr gibt es Investitionsbedarf. Viele Inselhäfen stammen noch aus den 1960er-Jahren. Seither hat sich die Zahl der Touristen um das 65-fache erhöht. Moderne, größere Fährschiffe können vielerorts kaum anlegen. Eine Erdbebenserie auf Santorini im Frühjahr machte gefährliche Versäumnisse deutlich: Die Vulkaninsel verfügt über keinen geeigneten Hafen, der im Ernstfall Evakuierungen oder Hilfseinsätze bewältigen könnte.
Finanzielle Engpässe der Inselgemeinden verschärfen die Situation. Zwar erhebt Griechenland seit 2023 neue Abgaben – eine Klimaabgabe von zwei bis 15 Euro pro Übernachtung sowie bis zu 20 Euro pro Landgang für Kreuzfahrtgäste. 2024 brachten diese Gebühren rund 420 Millionen Euro ein, in diesem Jahr dürften es mindestens 500 Millionen Euro werden. Doch nur ein Drittel davon erreicht tatsächlich die Kommunen, der Großteil fließt in die Regierungskassen nach Athen.
Die NBG-Analysten fordern, sämtliche Einnahmen vollständig für lokale Infrastruktur zu nutzen. Die Balearen, Venedig und die Seychellen zeigten, dass zweckgebundene Einnahmen Transparenz und Rechenschaftspflicht stärken. Zudem solle die Regierung privates Kapital, EU-Fördermittel und Kredite der Europäischen Investitionsbank mobilisieren. Eine spezialisierte Behörde für Inselinfrastruktur könne Ressourcen bündeln, Prioritäten setzen und Projekte per Fast-Track-Verfahren beschleunigen, empfehlen die Verfasser der Studie. Die Investitionen von 35 Milliarden Euro seien gut angelegt, heißt es in der Studie: Sie könnten die Tourismuseinnahmen bis 2035 um 45 Prozent steigern und jährlich zusätzliche fünf Milliarden Euro generieren. Zudem empfehlen die Autoren, die Saison zu verlängern, um die Investitionen wirtschaftlicher zu machen – Ziel seien nicht mehr Ankünfte, sondern höhere Wertschöpfung pro Besucher und eine gleichmäßigere Auslastung übers Jahr.
