Die Welt, nah und fern, steckt voller Schmerz. Wer die Augen und sein Herz nicht verschließt, sieht sich regelmäßig mit Bildern von Menschen in Not konfrontiert. In den Nachrichten sind es Fotos oder Filme von Kindern, Frauen und Männern, die in Kriegsgebieten um ihr Überleben und ihre Würde kämpfen. Oder es sind unmittelbare Begegnungen in den Straßen des Heimatortes, wo Menschen in Armut um Almosen betteln. Sehr häufig ist es nur die kleine Not, die angesichts der großen, existenziellen Katastrophen in der Welt im Vergleich banal wirken mag und dennoch das Herz rührt: zum Beispiel die Verzweiflung eines Kindes, wenn es von seinen Freunden ausgeschlossen wurde.
So verschieden diese Situationen und Bilder auch sind, sie alle vermögen eine urmenschliche Reaktion auszulösen, nämlich Mitgefühl. Die Empfindung lässt Menschen das Leid anderer wahrnehmen. Sie trägt dazu bei, diese Not zum Teil nachzuempfinden, ernst zu nehmen und liefert den Antrieb, um tatsächlich zu helfen und Schmerz zu lindern. Mitgefühl also löst Reaktionen aus, die sehr gut unter die Überschrift „Mitmenschlichkeit“ passen.
Über die Kausalität können die Forscher kaum Aussagen treffen
Zudem verändert diese Empfindung auch den Seelenhaushalt jener, die sie im Angesicht des Leids anderer spüren. Wie Wissenschaftler um die klinische Psychologin Corina Aguilar-Raab von der Universität Mannheim berichten, steht Mitgefühl mit einem erhöhten subjektiven Wohlbefinden in Zusammenhang. Es handele sich um eine robuste, moderate Korrelation, schreiben die Forscher im Fachjournal Scientific Reports, in dem sie eine Meta-Analyse publiziert haben, die auf der Auswertung von 42 einzelnen Studien basiert. „Das klingt fast paradox“, sagt Aguilar-Raab, „Mitgefühl richtet sich auf das Leid anderer und hat zugleich positive Effekte auf jene, die es spüren.“
Mitgefühl für andere geht mit einem erhöhten Wohlbefinden einher? Derart nackt ausgesprochen, klingt die Aussage fast provozierend. So als ließe sich Mitgefühl bald als Selbstoptimierungstechnik oder eine Art Wellness-Anwendung nutzen, um es polemisch auszudrücken. Doch aus einer evolutionären Perspektive ergibt der Zusammenhang Sinn. Mitgefühl für andere ist eine Vorbedingung, um zu helfen sowie zu kooperieren. Und davon haben im Laufe der Menschheitsgeschichte Individuen und Gruppen enorm profitiert, weil es half, Überleben zu sichern. „Da liegt es neurobiologisch auf der Hand, dass diese Empfindung mit einer Belohnung einhergeht, die letztlich prosoziales Verhalten verstärkt“, sagt Aguilar-Raab.
Der in der Meta-Analyse beobachtete positive Effekt steht insbesondere mit der sogenannten eudaimonischen Variante des subjektiven Wohlbefindens in Zusammenhang. Diese beschreibt Gefühle von Sinnhaftigkeit, sozialer Verbundenheit, persönlichem Wachstum und Selbstwirksamkeit und weniger Faktoren wie Vergnügen, Ausgeglichenheit oder andere Formen emotionaler Leichtigkeit. Über die Kausalität können die Forscher kaum Aussagen treffen. Was sie aber schreiben: „Mitgefühl für andere ist verlässlich mit einem gelingenden menschlichen Leben verbunden.“
