Weihnachten: Lohnt es sich, aus alten Familientraditionen auszubrechen? – Gesellschaft

Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der „Süddeutschen Zeitung“, der jeden Freitagabend verschickt wird. Hier können Sie ihn abonnieren.

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor ein paar Wochen haben wir an dieser Stelle gefragt, ob es jemanden gibt, bei dem Sie sich gerne bedanken würden. Die Zuschriften, die uns daraufhin erreichten, erzählen kleine Heldengeschichten: Da ist die ehemalige Lehrerin, die immer im richtigen Moment zur Stelle ist, die Tochter mit dem besonderen Gespür für schwierige Zeiten, und – mein persönlicher Favorit – der fürsorgliche Nachbar Rolf, der Türen hält und wenn nötig auch Eimer. Ich möchte Ihnen den Artikel, der daraus entstanden ist (SZ plus), sehr ans Herz legen. Die Geschichten erzählen nicht nur über die Alltagshelden selbst, sondern auch über die Bedeutung ihrer Taten für die Menschen, denen sie geholfen haben – und damit über den Wert des füreinander da Seins an sich.

Füreinander da Sein muss dabei nicht unbedingt mit räumlicher Nähe zusammenhängen. Das gilt sogar an Weihnachten, wie mein Kollege Max Fluder gerade aufgeschrieben hat (SZ plus). Max ist Mitte 20 und hat die Feiertage in den vergangenen Jahren nicht mit seinen Eltern verbracht, sondern mit Büchern und später im Club mit Freunden. „Familiäre Liebe kann – wie partnerschaftliche Liebe – meinen, einander Raum zu geben und Abstand, wo nötig“, schreibt er. Und kommt zu dem Schluss, dass es auch ein Zeichen für guten Familienzusammenhalt sein kann, wenn man sich an Weihnachten mal nicht trifft – ganz ohne schlechtes Gewissen.

Ich halte das für eine bemerkenswerte Einsicht. Auch und gerade für betagtere Menschen wie mich, die mit Ende 30 überlegen, ob es nicht Zeit wäre, mal aus alten Weihnachtstraditionen auszubrechen. Nicht, weil sie Heiligabend unbedingt unter einer Diskokugel verbringen wollen, sondern weil es vielleicht Zeit für neue, eigene Familientraditionen ist. In diesem Jahr werde ich Weihnachten feiern wie die vergangenen 25 Jahre auch – mit meinen Eltern. Früher waren meine Omas und Opas dabei, jetzt sind es mein Partner und meine Kinder. Ich genieße das sehr, gerade wenn ich sehe, wie viel Stress manche meiner Freunde haben, die schon aus dem gewohnten Muster ausgebrochen sind und trotzdem versuchen, es sich selbst und allen anderen recht zu machen. Heiligabend mit der Kernfamilie, Feiertage bei verschiedenen Großeltern und Geschwistern, dazwischen Stunden auf der Autobahn.

So richtig erstrebenswert erscheint mir das nicht. Vielleicht fehlt mir aber auch nur die Fantasie. Wie verbringen Sie die Feiertage? Allein, zu zweit, mit der ganzen Familie? Daheim oder in der Ferne? Jeden Tag woanders? Schreiben Sie mir, vielleicht bin ich nach einem Vierteljahrhundert immergleicher Weihnachtsroutine ja doch bereit für Veränderung.

Zuletzt möchte ich mich im Namen des Familien-Newsletter-Teams bei Ihnen bedanken. Dafür, dass Sie uns auch 2025 gelesen haben – über Pflegefamilien, fernschauende Kleinkinder oder über  Themen, die 18-Jährige gerade bewegen. Mit diesen Zeilen verabschieden wir uns in die Winterpause – der nächste Familien-Newsletter erscheint am 2. Januar.

Frohe Weihnachten an alle, die feiern (wo und wie Sie das tun, verraten Sie mir ja vielleicht noch),

Felicitas Kock