Die große Belastungsprobe in der Vorweihnachtszeit entsteht in vielen Fällen ja durch jene Dinge, die genau jetzt, also unbedingt vor Heiligband, noch passieren müssen. Eines dieser Muss-dringend-noch-passieren-Dinge ist die sagenumwobene Weihnachtsfeier in Firmen, Unternehmen, Betrieben.
Es gibt sie in allen Geschmacksrichtungen und Intensitätsstufen, vom mühsamen „Get-together“ auf grauem Büroteppich („Puh, ich weiß jetzt auch nicht, worüber ich sprechen soll …“) über das „ganz Besondere“ – warum also nicht bei minus vier Grad mit den Kollegen aus der Buchhaltung mal im Hochseilgarten klettern?
Eine unbelegte, nie überprüfte Behauptung: Weihnachtsfeiern rufen unter allen Beteiligten mehr Stress als Vergnügen hervor, also einfach lassen! In jenen Teams, in denen man sich wohlgesonnen und sympathisch ist, soll es sowieso vorkommen, dass Zusammenkünfte auch außerhalb der Arbeits- respektive Weihnachtszeit geschehen.
Ob man die Weihnachtszeit gesund oder fiebrig im Bett verbringt, könnte sich erst in den nächsten Tagen zeigen
Da dies vermutlich eher die Ausnahme als die Regel ist, wurde auch in diesem Jahr wieder fröhlich mit den Kollegen angestoßen, die allermeisten Weihnachtsfeiern scheinen mittlerweile überstanden, und am Ende muss man sagen: Ach, war doch eigentlich ganz nett. Und, vielleicht, das zum Trost, sollte man sich doch mit dem Gedanken anfreunden, dass die Kollegen, auch wenn der ein oder andere eine verquere Sicht auf die Welt hat, irgendwie auskömmlich sind. Man lacht gemeinsam, trinkt gemeinsam, isst gemeinsam, ist – nun ja – halt zusammen.
Das ist gar nicht so übel, der Independent jedenfalls hat diesem Thema sogar einen ganzen Artikel gewidmet. Die Überschrift: „Warum Ihnen der heutige Besuch Ihrer Weihnachtsfeier später im Leben helfen könnte“. Ein großes Versprechen, besonders für alle Betriebsfeiermuffel. Der Text wiederum verweist auf eine unlängst erschienene Studie zu der Frage, ob und wie soziale Isolation und Einsamkeit eine Gefahr für die Gesundheit darstellen. Die Arbeit der Forscher liegt dem Fachjournal The Journals of Gerontology vor, ist aber noch nicht begutachtet.
In der Studie haben die Forscher untersucht, ob und wie soziale Isolation die kognitive Funktion älterer Erwachsener im späteren Leben beeinträchtigt. Der Independent macht daraus: Wer Kollegen und Freunde meidet, erkrankt im späteren Leben eher an Alzheimer.
Nun, ganz so einfach ist das natürlich nicht, streng genommen wurden in der Arbeit weder Weihnachtsfeiern noch Alzheimerrisiken untersucht. Dazu waren die befragten Probanden bis zu 94 Jahre alt – mutmaßlich also nicht mehr von der Frage betroffen, ob man abends im Feuerbräukeller noch mit den Kollegen aus dem Marketing anstößt. Macht aber nichts, die Überschrift steht im vorweihnachtlichen Internet, und die Grundaussage von Independent-Text wie Studie passt ja auch ganz schön in die Zeit: Es kann Menschen nun mal guttun, wenn sie unter Menschen kommen. Das gilt fürs Bürofest wie für die Verwandtschaft, also könnten sich alle einfach mal ein bisschen locker machen. Die Weihnachtsfeier und die Kollegen doof finden, kann man auch noch den Rest des Jahres.
Als Differenzialdiagnose darf man an dieser Stelle natürlich nicht vergessen, dass die Inkubationszeit zahlreicher Atemwegsviren – Influenza, Sars-CoV-2 oder Schnupfen – bis zu einer Woche betragen kann. Heißt: Ob man Weihnachten gesund oder fiebrig im Bett verbringt, könnte sich schon am Tag der Weihnachtsfeier entscheiden, aber eben erst kurz vor den Feiertagen zeigen. Sollte man sich also beim gemeinsamen Punschtrinken im Feuerbräukeller angesteckt haben, immerhin ein triftiger Grund – trotz überwältigender Evidenz für den positiven Effekt menschlicher Interaktion – nächstes Jahr mit gutem Gewissen zu Hause zu bleiben.
