Zeit wurde es. Die noch gültige Standortvereinbarung bei BASF läuft Ende des Jahres aus. Nun haben sich Management und Betriebsrat auf eine neue Vereinbarung für den Standort Ludwigshafen geeinigt. Wie der Konzern am Montag mitteilte, beginnt die Laufzeit am 1. Januar. Die Verhandlungen zogen sich fast ein Jahr hin.
Wie die alte schließt die neue Vereinbarung betriebsbedingte Kündigungen aus. Ziel sei eine Laufzeit von fünf Jahren, garantiert seien allerdings nur drei Jahre, also bis Ende 2028. Sollten die vereinbarten Ziele zur „Herstellung der Profitabilität“ erreicht werden, werde sie automatisch um zwei Jahre verlängert. Wenn nicht, würden neue Verhandlungen aufgenommen, sagte Katja Scharpwinkel, Mitglied des BASF-Vorstandes, Arbeitsdirektorin und Standortleiterin in einer Pressekonferenz am Montag. Zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat seien konkrete Kennziffern vereinbart worden, die aber nicht veröffentlicht würden, so die Managerin. Im Fokus der Vereinbarung stehe die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Heißt aber auch im Umkehrschluss, Ludwigshafen ist nicht wettbewerbsfähig.
Die Vereinbarung gilt für die BASF SE, die im Wesentlichen den Standort Ludwigshafen widerspiegelt. Sie setzte 2024 mit 33 370 Mitarbeitenden 21,8 Milliarden Euro um. Operativ macht die BASF SE seit Jahren Verlust. 2024 halbierte sie das Ergebnis vor Zinsen und Steuern im Vergleich zum Vorjahr auf minus eine Milliarde Euro. 2023 und 2022 lag das Minus bei rund minus zwei Milliarden Euro.

Ludwigshafen ist immer noch der größte Standort des Konzerns. Mehr als 200 Produktionsstätten auf zehn Quadratkilometer Fläche. Ein Verbund: viele Hundert Kilometer Rohre verbinden ein Werk mit dem anderen. Die Vereinbarung sei ein „ganz klares Bekenntnis zum Standort Ludwigshafen“, so Scharpwinkel. Die chemische Industrie stecke in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten, eine Trendwende sei nicht in Sicht. Nur die wettbewerbsfähigsten Unternehmen könnten bestehen, so Scharpwinkel. „Wir konzentrieren uns auf das, was in unserer Kontrolle ist und was wir selbst beeinflussen können.“
Keine Übernahmegarantien mehr für Azubis
Betriebsratschef Sinischa Horvat zeigte sich zuversichtlich, dass die neue Standortvereinbarung fünf Jahre gelten werde. Seit 1997 gebe es bei BASF Standortvereinbarungen, ein Automatismus sei es nie gewesen. „Wir haben hier immer wieder die Aufgabe, den Zeitgeist der jeweiligen Zeit abzubilden“, so Horvat. Das sei auch in dieser Vereinbarung gelungen. BASF wolle weiter ausbilden, sagte Scharpwinkel. Die bisherigen Übernahmegarantien seien unter den aktuell schwer planbaren Bedingungen nicht mehr möglich.
Betriebsbedingte Kündigungen sind mit der Vereinbarung ausgeschlossen. Aber es gibt laut BASF ein Freiwilligenprogramm mit Aufhebungsverträgen. Und das Unternehmen setzt auf die „natürliche Fluktuation“, es gebe in Zukunft eine sehr hohe Zahl von Renteneintritten, „das hilft uns, die Veränderungen hier am Standort umzusetzen“, erläuterte Scharpwinkel. 2025 sei die Beschäftigtenzahl noch einmal deutlich reduziert worden und auch für 2026 sei mit einer „signifikanten Reduktion“ zu rechnen.
Vorstandschef Markus Kamieth ist bei diesem Termin nicht dabei, es geht ja um den Standort Ludwigshafen, für den ist Scharpwinkel zuständig. Am vergangenen Donnerstag in Berlin, bei der Auftaktveranstaltung zur Chemieagenda 2045, die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD steht, war Kamieth zugegen, genauso wie Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche. Danach verschickte der BASF-Vorstandschef einen Post über das Netzwerk Linkedin, das zeigt, wie er recht dynamisch an der Stahlskulptur im Ehrenhof des Bundeskanzleramtes vorbeiläuft.
Die Chemie sei eine „unverzichtbare Möglichmacher-Branche für Deutschland und Europa“, schreibt Kamieth in dem Post. Angesichts der „schwierigen Lage“ brauche es eine schlagkräftige industriepolitische Agenda der Bundesregierung, die der Industrie den Rücken stärke. Und dann folgen Forderungen, wie sie Manager wie Kamieth seit Monaten stellen: die Kosten müssen runter, beim Strom und der CO₂-Bepreisung, weniger Bürokratie, schlanke Regulatorik. Kamieth mag Hashtags. Diesen Post beendet er nur mir einem #makeitcount. Bis Frühjahr 2026 soll die Agenda stehen.
Im Konzern sucht Kamieth die Balance aus Sparen und Investieren, so formulierte er das in einem Post zur Hauptversammlung Anfang Mai. Damit wolle er den Konzern wieder auf die Erfolgsspur bringen. Der Ärger ist ihm anzuhören, dass über „falsche Behauptungen in den sozialen Medien über die Verlagerung der Produktion oder einer angeblich unaufhaltsamen Deindustrialisierung die Stimmung aufgeheizt“ werde. Vieles sei im Umbruch. Dafür brauchen „wir“ in der Gesellschaft keine Angst und keinen Pessimismus, „wir“ brauchen „Lust auf Neues.“ Mit „wir“, so klang er, sind sehr viel mehr Menschen gemeint als die Belegschaft des Konzerns.
Das ist gut sieben Monate her. Ängste und Pessimismus haben seither eher zugenommen. Dazu tragen auch Meldungen aus Kamieths eigener Branche bei. Vergangenen Mittwoch, einen Tag vor den Gesprächen in Berlin, zeichnete Markus Steilemann in Frankfurt ein düsteres Bild der Lage. Steilemann ist Präsident des Verbandes der chemischen Industrie (VCI) und Vorstandschef von Covestro, jener Konzern, dessen Übernahme durch den Staatskonzern Adnoc aus Abu Dhabi vor wenigen Tagen vollzogen wurde. Die Produktion stecke im „Dreißigjahrestief“, sagte Steilemann. Die Auslastung der Kapazitäten liege bei nur 70 Prozent, ein „historischer Tiefpunkt“.
Zwei Sparprogramme hatte Kamieths Vorgänger Martin Brudermüller angekündigt. Besonders hart treffen sie Ludwigshafen. Im Februar 2023 kündigte BASF den Abbau von weltweit 3300 Stellen bis Ende 2024 an, davon 2500 in Ludwigshafen. Mehr als eine Milliarde Euro soll das einsparen. Genau ein Jahr später kündigte der Konzern an, eine weitere Milliarde Euro allein in Ludwigshafen einsparen zu wollen. Kamieth sieht das Kostensparprogramm auf einem guten Weg. Bis Ende 2026 sollen die Kosten um jährlich 2,1 Milliarden Euro gesenkt werden, allein eine Milliarde Euro am Standort Ludwigshafen. Bis Ende 2025 sollen es 1,6 Milliarden Euro sein, teilte BASF beim Kapitalmarkttag im Oktober in Antwerpen mit. Seit 2024 sei die Zahl der Mitarbeiter um 3000 gesenkt werden.
