Ende November hat Anna-Maria Ferchichi bekannt gegeben, dass sie und ihr Ehemann, der Rapper Bushido, getrennt leben – eine „Zwischenphase“, keine endgültige Trennung. Paartherapeutin Anouk Algermissen erklärt, welche Chancen und Risiken solche Pausen haben.
SZ: Frau Algermissen, wie sinnvoll sind räumlichen Trennungen, wenn es in einer Beziehung kriselt?
Anouk Algermissen: Wenn Paare körperlich merken, wie viel zwischen ihnen steht, kann eine räumliche Trennung helfen. Denn wenn der Körper die ganze Zeit angespannt ist, das Nervensystem permanent aktiviert ist, kommen wir nicht mehr in einen Zustand, in dem wir überhaupt mal ein ordentliches Gespräch führen können, um Probleme zu klären. Es gibt aber auch Situationen, in denen ich eine räumliche Trennung nicht empfehlen würde.
In welchen?
Dann nicht, wenn mindestens eine Person mit Verlustängsten zu kämpfen hat. Dann kann das noch ganz andere Probleme hervorholen. Und ich würde es auch nicht empfehlen bei einem Paar, das die räumliche Trennung als einen Zweck zur Vermeidung nutzt. Die Haltung und der Zweck, wofür man diese räumliche Trennung vornimmt, sind ganz entscheidend.
Bei den Ferchichis ist der Zweck der räumlichen Trennung offenbar, die Beziehung zu stabilisieren. Man hält sich eine Weile voneinander fern – um die Kommunikationsfähigkeit wiederherzustellen. Welche Vorgehensweisen und Tipps gibt es da?
Es sollte auf jeden Fall die Regel geben, dass man alles individuell abspricht. Was auch eine gute Regel ist: Check-ins zu haben, also eine Liste von Beziehungsfragen, die man regelmäßig gemeinsam durchgeht und mit deren Hilfe man reflektieren kann, auf welchem Stand man gerade ist und wie es dem anderen geht. Dazu kommt, wenn man Kinder hat, die Frage: Wie kommuniziert man das, ohne ihnen Angst zu machen?
Und wenn man diese Kommunikationsregeln nicht befolgt?
Dann gerät man schnell in eine On-off-Situation: Man streitet, dann schöpft man in den Pausen Kraft und startet wieder in die Beziehung, ohne dass sich grundsätzlich etwas verändert hätte.
Paare wie die Ferchichis können sich eine räumliche Trennung leisten, man nimmt sich einfach eine zweite Wohnung und kann auch mal eine Nanny engagieren. Die Möglichkeit hat nicht jedes Paar.
Dann gibt es die Möglichkeit, dass ein Partner für einen Nachmittag oder ein Wochenende bei einer Freundin oder einem Freund unterkommt. Wenn das nicht geht, kann man Zeiten etablieren, in denen eine Person ganz in Ruhe zu Hause sein kann. Das muss bewusst kommuniziert werden.
Und wenn man einander ohne Absprache Freiraum gibt?
Wenn ich immerzu denke, oh, da könnte gleich die Tür aufgehen – dann sitze ich trotzdem auf heißen Kohlen.

Ein Aspekt der räumlichen Trennung ist, dass die Partner auch mal wieder Zeit für sich haben. Was also anfangen mit dem Freiraum?
Da herrscht ein großes Missverständnis: Viele denken nämlich, sie müssen schweigsam dasitzen und im besten Fall ein Buch lesen. Nein. Wenn herunterkommen heißt, ich unterhalte mich mit einer Freundin, oder ich gehe auf den Rummel, dann darf das so sein.
Die Ferchichis haben 2014 schon einmal eine räumliche Trennung durchlebt. Wie stabil sind Beziehungen nach solchen Phasen?
Es gibt das Sprichwort: Zeit heilt alle Wunden. Das stimmt nicht. Zeit heilt gar nichts. Das, was in der Zeit passiert, ist entscheidend.
Also die Arbeit an der Beziehung, möglicherweise in Kombination mit einer Paartherapie. Wie helfen Sie Paaren in einer solchen Situation?
Manche Paare bekommen es als Hausaufgabe, Check-ins zu machen. Ich vergleiche das immer mit der Arbeit. Wenn es bei der Arbeit einmal die Woche ein Jour fixe gibt, würde keiner anzweifeln, dass das sinnhaft ist.
Also ist eine Beziehung wie eine kleine Firma?
Ja und nein. Man kann bestimmte Strukturen entlehnen, aber Liebe, Romantik, Nähe, Vertrauen – all das Zwischenmenschliche hat nichts mit dem Arbeitskontext zu tun.
Und was können Paare außer Check-ins noch tun?
Einmal haben wir die Säule „Probleme bewältigen“ und einmal haben wir die Säule „Nähe aufbauen“. In Kombination können die eine Beziehung retten.
Haben Sie da konkrete Tipps?
Für die Säule Problembewältigung gelten die Fragen: Wie ist unsere Kommunikation? Wie ist unsere Streitkultur? Spreche ich Sachen an, oder behalte ich sie für mich? Mache ich mich verletzlich, oder haue ich einfach nur mit Angriffen um mich? Weiß ich überhaupt, was wir verändern müssen? Und bei der Säule Näheaufbau gilt: Zeige ich meine Wertschätzung, oder nehme ich die andere Person als selbstverständlich? Können wir auch mal einen Schritt zurückgehen und zusammen lachen? Oder vermeiden wir das alles, weil die Probleme da sind?
Das sind viele Fragen.
Das Bewusstsein, mit dem man an eine Paartherapie herangeht, ist wichtig. Worte finden und klären, was diese Worte bedeuten. Das beste Beispiel ist das Rachel-Ross-Phänomen aus der Serie „Friends“: In der Folge „We were on a break!“ waren zwei Menschen, die ganz unterschiedliche Ideen davon hatten, was diese Beziehungspause bedeutet. Das heißt, dieselben Worte können für unterschiedliche Menschen verschiedene Dinge heißen.
Das bedeutet: Liebe allein reicht nicht?
Liebe ist nicht genug, sie ist die Voraussetzung.
