Deutsche Handballerinnen ziehen sensationell ins WM-Finale ein – Sport

Die deutschen Handballerinnen sind nicht nach Rotterdam gefahren, um die berühmte Erasmusbrücke zu besichtigen oder eine jener Hafenrundfahrten zu bestreiten, bei der sie die berühmten Speckpfannkuchen servieren. „Wir sind nicht als Touristen hergekommen“, hatte Bundestrainer Markus Gaugisch vor dem Halbfinale der Weltmeisterschaft in der niederländischen Hafenstadt bekräftigt. Touristinnen, die nebenbei ein bisschen Handball spielen, hätten in ihrem Halbfinale jedenfalls gewiss nicht die Französinnen überrumpelt und das Endspiel der Weltmeisterschaft erreicht. Dass die deutschen Handballerinnen das am Freitagabend geschafft haben, gleicht einer Sensation.

32 Jahre nach dem bislang letzten WM-Endspiel mit deutscher Beteiligung, als 1993 in Oslo sogar überraschend der Titel gewonnen wurde, hat die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) den amtierenden Weltmeister und Olympiazweiten Frankreich 29:23 (15:12) besiegt. Die Silbermedaille ist damit bereits gesichert, am Sonntag (17.30 Uhr, ARD) geht es nun sogar um Gold. Gegner ist der amtierende Olympiasieger und Europameister Norwegen, der sein Halbfinale 35:25 gegen Gastgeber Niederlande gewann.

Dabei wird es am Sonntag nicht nur um Gold gehen, sondern auch um eine ordentliche Summe Geld. Denn die Prämien für die Frauenmannschaft hatte der Deutsche Handballbund vor der WM im Vergleich zu früheren Turnieren massiv erhöht. Für den Silbergewinn bekäme die Mannschaft 300 000 Euro, ein WM-Titel wäre 425 000 Euro wert.

Erstmals bei dieser WM auch ohne Heimvorteil und erstmals gegen eine absolute Topnation machte die deutsche Auswahl in Rotterdam einfach dort weiter, wo sie drei Tage zuvor beim Viertelfinalsieg gegen Brasilien in Dortmund aufgehört hatte. Mit einer durchgängig herausragenden Leistung, mit neun Treffern der zur Spielerin des Spiels gewählten Kapitänin Antje Döll, mit je fünf Toren von Emily Vogel und Viola Leuchter sowie mit elf Paraden der Torhüterin Katharina Filter gewann die Auswahl auch erstmals seit 2005 wieder ein Pflichtspiel gegen Frankreich. Noch 2024 bei den Olympischen Sommerspielen in Paris war das deutsche Team im Viertelfinale an den Französinnen gescheitert. Und nun also: achter Sieg im achten Spiel binnen 17 Tagen.

Als die Schlusssirene in Rotterdam ertönte, gab es bei deutschen Spielerinnen, wie schon nach dem Viertelfinalsieg, Tänze und Tränen. Wohlverdient nach allem, was sich in den 60 Spielminuten zuvor zugetragen hatte. „Man sieht wie cool sie sind“, lobte Bundestrainer Markus Gaugisch am ARD-Mikrofon und fügte an, selbst ganz gerührt: „Sie haben Vertrauen in ihre Stärke und diese Stärke ist die Defensive.“ Sein Team hatte nicht viele Gegenstoßtore zugelassen gegen eine französische Mannschaft, die sich sonst so für seine Konterstärke rühmt. „Schon die ganzen letzten Wochen waren phantastisch“, sagte Gaugisch, „man kommt aus der Euphorie gar nicht mehr raus – die Mannschaft zeigt wahren Teamgeist.“

Die Spielerinnen konnten es kurz nach dem Spiel noch gar nicht richtig glauben. „Wahnsinn!“, schwelgte die 21 Jahre junge Viola Leuchter, „das waren sechzig Minuten purer Kampf – ich kann nicht mehr. Wer mir das vorher gesagt hätte, dem hätte ich einen Vogel gezeigt.“ So ging es selbst der 37 Jahre alte Kapitänin Antje Döll. „Phänomenal“, man sei „füreinander gestorben“, so lautete ihre erste Rezension: „Wir haben die Leistungen aus der Hauptrunde mit nach Rotterdam genommen und sind den Französinnen mit Bravour auf die Nerven gegangen.“

Neben Gold geht es im Finale auch um eine ordentliche Summe Geld

Das Fundament legte eine fabelhafte erste Viertelstunde, in der das Team extrem stabil ins Spiel starte, rasch eine 10:6-Führung herausspielte. Fünf Treffer von Döll, drei von der Rückraumschützin Leuchter und vier Paraden von der Torhüterin Filter zeigten die Stärken und das Selbstvertrauen dieser Mannschaft auf Anhieb auf. Filter hielt auch anschließend wichtige Bälle fest, während die gerade mal 21 Jahre junge Rückraumspielerin Nieke Kühne immer wieder aggressiv in die französische Deckung einbrach. Beim 15:12 zur Pause standen die Chancen auf das Finale bereits gut.

Zu Beginn der zweiten Hälfte brachte die für einen Klub in Brest spielende Annika Lott mit drei Treffern die Französinnen noch tiefer in die Bredouille (21:17). Als die quirlige Kühne in der 45. Minute die Hand von Oriane Ondono ins Gesicht geklatscht bekam, sah die Französin die rote Karte. Zwar konnten die deutschen Spielerinnen gar nicht alle Chancen in der Offensive nutzen, doch sie sicherten sich die Führung durch eine beherzte Deckung. Vor allem Xenia Smits und Aimée von Pereira zeigten in der Zentrale eine Weltklasseleistung. Sie waren längst nicht die Einzigen, die herausstachen.

Am Ende erlaubten sich die Französinnen nervliche Fehler, während die deutschen Handballerinnen ihr Spiel durchzogen, ohne jegliche Einbrüche. Sie werden nun also nicht in Rotterdam verweilen, um sich einen schönen Sonntag zu machen. Sie ziehen auch nicht als Touristinnen ins Endspiel der Weltmeisterschaft ein. „Jetzt sind wir im Finale“, sagt Trainer Markus Gaugisch noch: „Jetzt wollen wir es auch gewinnen“