Eisschnelllauf-Aktkalender: Ohne Hülle in der Halle – Sport

Eisschnellläufer nehmen das Rad mit auf Reisen, auch wenn sie zum Wettkampf fliegen. Das mag erstaunen, wenn man glaubte, dass es für die Runden im 400-Meter-Oval nur Klappschlittschuhe braucht. Allerdings benötigt auch ein Töpfer mehr als einen Klumpen Ton, etwa Geld für sein Atelier. Es gibt also einen logischen Zusammenhang von Eisoval und Frachtkosten: Das hilft zu verstehen, warum sich sechs Athleten des Eisschnelllauf-Teams Erfurt vor der Fotolinse aus ihren hautengen Anzügen pellten.

Sie haben es wieder getan: Wie schon im vergangenen Jahr verkaufen die Erfurter Eisprofis einen Aktkalender: zwölf knallbunte Seiten unter dem Motto „Eis, Eis, Baby 2026“. Das Wort „Nacktkalender“ behagt ihnen nicht, weil es die Sache aus ihrer Sicht nicht trifft. Erstens geht es nicht um Flitzen, sondern um Finanzen. Außerdem nehmen es Hendrik Dombek, Max Strübe, Stefan Emele,  Felix Maly, Konstantin Götze und Sophie Warmuth, alle Mitglieder der Nationalmannschaft, auf die entschieden humorvolle Art, wenn sie sich gemeinsam von ihrer, wie sie sagen, „Schokoladeneisseite“ zeigen.

Eisschnelllauf ist wie jeder Hochleistungssport kein billiges Vergnügen. Faszinierend, aber auch finanziell fordernd: Diese Beschreibung, so findet das Erfurter Kalenderteam, treffe es ganz gut. „Die Kosten für Trainingslager, Sportmaterial und teilweise auch Wettkampfreisen tragen wir größtenteils selbst“, berichten die Athleten. Der Verband kommt für vieles auf, der Verein hilft. Aber es bleibt eine Finanzierungslücke – etwa wenn das erwähnte Trainingsrad zum Weltcup in Übersee befördert werden muss, weil die Athleten es beim Wettkampf zum Aufwärmen benötigen. Der Radkoffer ist Sperrgepäck, erläutert Dombek, 28, das könne bei einem Langstreckenflug leicht 250 Euro extra ausmachen.

Anfangs fehlte den Athleten der Mut, aber dann ist ein Spaß daraus geworden

Das Erfurter Sextett hatte zunächst den Gedanken, per Crowdfunding Geld zu sammeln. Diese Methode findet im Sport abseits des Millionengeschäfts Fußball zunehmend Freunde: Die Eiskunstläufer, ebenfalls keine Großverdiener, baten 2001 um kollektive Zuwendungen zur Anschaffung von Teamjacken. Der Erfurter Eisschnellläufer Felix Maly schlug den Kollegen dann das Fotoshooting vor. Anfangs fehlte ihnen noch der Mut, berichtet Dombek, aber dann sei ein großer Spaß daraus geworden.

Im vergangenen Jahr, das Motto hieß damals „Ohne Anzug durch die Kurve“, nahmen sie etwa 3500 Euro durch den Kalender mit den Bildern der Fotografin Enya Aßmann ein. Das Geld geht direkt an den Verein, den Eissportclub Erfurt, der auch den Verkauf organisiert. „Das Administrative“, sagt Geschäftsführer Marian Thoms, „nehmen wir den Sportlern ab.“ Die Hälfte der Athleten, die in diesem Jahr zu den Weltcup-Rennen entsandt wird, trainiert in Erfurt. Manche Kosten, die die Sportler zu tragen haben, kann der Verein laut Thoms mit dem Kalendergeld begleichen, etwa für ein Sommertrainingslager.

Es läppert sich einiges zusammen für Spitzensportler, auch wenn sie Bundeswehrsold beziehen und zusätzlich 150 Euro monatlich von der Deutschen Sporthilfe erhalten: Miete, Unterhalt, Material. Athletensprecher Dombek ist gerade in den Sporthilfe-Aufsichtsrat aufgenommen worden, er weiß deshalb, wovon er spricht: Ein paar Schlittschuhe, rechnet er vor, kosten 1500 bis 2000 Euro, Kufen etwa 700 Euro. Er selbst erhält Kufen vom FES, dem Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten, aber viele Kollegen, sagt er, zahlen selbst.

Es ist unbestritten, dass Eisschnelllauf die Massen nicht mehr bewegt wie früher. Seit 2014 haben deutsche Athleten bei der olympischen Jagd durchs Oval keine Medaillen mehr gewonnen. Dennoch investieren die Kufenprofis in ihre Leidenschaft, und der Aktkalender aus Erfurt, auch das ist die erklärte Absicht, soll den Sport auf heitere Weise einem größeren Publikum näher bringen. Wer weiß schon, dass Eisschnellläufer samt Rad verreisen? Eben!