Wie die Regierung in Thüringen auf ihr erstes Jahr blickt

Die gute Nachricht zum ersten Geburtstag der Thüringer Brombeer-Regierung verkündet am Freitag Katja Wolf, die stellvertretende Regierungschefin und Finanzministerin in Erfurt. „Dass wir hier stehen, ist nicht selbstverständlich“, sagt die BSW-Politikerin. Und sie wundert sich sogar ein bisschen, „dass wir ein Jahr durchgehalten haben“. Der bundesweit einmaligen Koalition aus CDU, BSW und SPD, der eine Stimme zur Mehrheit im Landtag fehlt, hatten manche Beobachter ein rasches Ende vorausgesagt. Doch bisher regiert sie stabil.

Mario Voigt von der CDU, der vor einem Jahr zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, lobt denn auch seine Regierung in den höchsten Tönen für das, was sie alles geschafft habe. Der Unterrichtsausfall an Thüringer Schulen sei verringert worden, nämlich von rund elf auf neun Prozent, und es seien mehr Lehrer eingestellt worden als ausgeschieden. Thüringen verzeichne gegen den Bundestrend ein Wirtschaftswachstum und sei nun sogar der „Stabilitätsanker im Osten“. Nicht zuletzt preist Voigt das „wunderbare Miteinander“ mit seinen Koalitionspartnern. „Wir führen dieses Land lösungsorientiert und streitfrei.“

Koalition plant Investitionsprogramm für Kommunen

Das ist Wolf, die von Sahra Wagenknecht und der BSW-Bundesspitze immer wieder für das Regieren in Thüringen attackiert wird, dann doch der Harmonie zu viel. Sie erwähnt „nächtliche Telefonanrufe und Krisensitzungen“, schließlich handele es sich in der Koalition doch um sehr unterschiedliche Parteien. „Das Tempo, das der Ministerprä­sident angeschlagen hat, macht uns manchmal atemlos“, erläutert Wolf die neue Normalität, auch um Mitternacht noch einen Anruf vom Chef zu bekommen. Doch sei es gelungen, nicht das Trennende, sondern das Verbindende in den Mittelpunkt zu stellen.

Besonders stolz zeigt sich die Finanzministerin auf das kommunale Investitionsprogramm in Höhe von einer Milliarde Euro, die in den kommenden vier Jahren den Kommunen in Thüringen zur Verfügung stehen würden. Das sei die größte Investition in Thüringen „seit der Wende“. Sie zeige, „dass wir davon überzeugt sind, dass kommunale Selbstverwaltung Verfassungswert hat“, so Wolf. Das Programm sieht vor, dass die Landesregierung Schuldendienst und Zinslast für Kredite übernimmt, welche die Kommunen aufnehmen können. Das sei schon ein „bundesweites Vorbild“, sagt Wolf.

Unter SPD-Mitgliedern ist das Bündnis unbeliebt

Über die Harmonie in der Koalition spricht auch Georg Maier, Innenminister von Thüringen. „Dass wir uns verstehen, ist keine Selbstverständlichkeit“, sagt er. Maier, Landesvorsitzender des kleinsten Koalitionspartners SPD, hat es schwer. Denn unter den eigenen Mitgliedern ist das Bündnis nicht beliebt. Der Chef der Regierung, also Voigt, habe bisher „keine Ansagen“ gemacht, sagt Maier zum Miteinander in der Koalition. Da muss Wolf lachen. Über Wolf sagt Maier, die Finanzministerin könne „schon eine eiserne Lady sein, hat aber einen weichen Kern“.

Zu früheren kritischen Äußerungen zum BSW, insbesondere zu Wagenknecht, sagt Maier, für ihn sei entscheidend, was das Thüringer BSW mache. Er schätze Wolf und die anderen beiden BSW-Minister, die Zusammenarbeit sei „schon beispielhaft“. Wenn man streite, dann tue man das nicht öffentlich, und es gehe immer um die beste Lösung.

BSW stürzt in aktueller Wahlumfrage ab

Die Thüringer scheinen die von der Regierung vorgetragenen Vorteile der „Brombeere“ allerdings nicht durchgängig zu würdigen, wie eine aktuelle Umfrage der Agentur Insa nahelegt. Die CDU kann mit dem Ergebnis zufrieden sein, sie hält mit einer Zustimmung von 24 Prozent ihr Wahlergebnis von vor einem Jahr. Die SPD erreicht ebenfalls ihr Wahlergebnis, das mit sechs Prozent allerdings mager ausgefallen war.

Das Thüringer BSW ist hingegen deutlich in der Zustimmung abgestürzt. Es kommt nur noch auf sieben Prozent Zustimmung und hat damit im Vergleich zur Landtagswahl mehr als die Hälfte eingebüßt. Damals stimmten knapp 16 Prozent der Wähler für das BSW. Wolf will das am Freitag damit erklären, dass die Umfrage in zeitlicher Nähe zum Bundesparteitag des BSW stattfand, als Wagenknecht und andere Bundespolitiker den Thüringer Landesverband für sein pragmatisches Regieren abermals harsch kritisierten.

Die AfD, die bei der Landtagswahl vor einem Jahr knapp 33 Prozent erreicht hatte, kommt in der Umfrage auf 39 Prozent. Die Linke, auf deren Zustimmung die Brombeer-Regierung angewiesen ist, liegt mit 14 Prozent im Bereich ihres Ergebnisses bei der Wahl im vergangenen Jahr. Sie hat sich nach Verhandlungen mit der Koalition darauf festgelegt, den Doppelhaushalt 2026/27 durch eine Enthaltung im Landtag passieren zu lassen. Die Abstimmung über den Haushalt soll in der kommenden Woche stattfinden.