„Starmirror“ im KW Institute: Hi, Hildegard von Bingen

Die schönste Adventsmusik der Saison kann man im Berliner KW Institute for Contemporary Art hören, dort wird das geistliche Singspiel Ordo virtutum der Benediktineräbtissin Hildegard von Bingen in einer neuen Version aufgeführt. Hildegard lebte im 12. Jahrhundert, aber erfreut sich im 21. noch großer Beliebtheit; gerade hat die katalanische Sängerin Rosalía ihr einen Song namens Berghain gewidmet. Im KW Institute hat das Künstlerpaar Holly Herndon und Mat Dryhurst einen dunklen Kirchenraum eingerichtet, in der Mitte wächst ein Turm aus Holzstreben, an den Wänden sind Lautsprecher montiert. Das Publikum nimmt auf Kirchenbänken Platz und wird von holden Chorgesängen umschlossen, unter denen düstere Bässe brummen. So kämpfen das Gute und das Böse um die menschliche Seele: Die Tugenden singen sehr schön, und der Teufel meckert hässlich dazwischen. Starmirror heißt die Klanginstallation, und die Musik stammt von Chören, mit denen Holly Herndon und Mat Dryhurst gearbeitet haben. Mit den Gesängen wurde ein Programm trainiert, das Klangbilder und Vokalharmonien erschafft. Und es lernt immer weiter: Jeden Sonntag, solange die Ausstellung läuft, laden Herndon und Dryhurst Berliner Laienchöre ein, um einen „Berliner KI-Chor“ zu generieren, der bei der nächsten Station in Düsseldorf sein Debüt feiern wird. Für Herndon und Dryhurst ist KI kein Gegner. Wenn man sie richtig benutzt, kann sie neue Kollektive stiften und neue Rituale. Wie schön zu sehen und zu hören das ist: eine Kunst, die sich mit neuer Technologie befasst und nicht den Teufel an die Wand malt, sondern liebe Engel aus den Maschinen lockt, jubelnd und jauchzend.