Winfried Kretschmann ehrt Angela Merkel mit Staufermedaille


Zwischen Angela Merkel und Winfried Kretschmann gab es nie Streit. Das Politikverständnis und schwarz-grüne Überzeugungen verband die frühere Bundeskanzlerin und den baden-württembergischen Ministerpräsidenten. Am Dienstag zeichnete Kretschmann die CDU-Politiker mit der Staufermedaille aus.

Zwei Mal half Winfried Kretschmanns gutes Verhältnis zur damaligen Bundeskanzlerin den Grünen im Wahlkampf: 2016 unterstützte Kretschmann die CDU-Bundeskanzlerin in der Flüchtlingspolitik. 2021 stand er in der Pandemie-Politik fest an ihrer Seite.

Für die CDU war es deshalb schwer, den grünen Ministerpräsidenten anzugreifen – sie hätte auch die Kanzlerin touchiert. Jetzt ist in Baden-Württemberg wieder Wahlkampf und Kretschmann suchte am Dienstag abermals den Schulterschluss mit der Merkel-CDU, auch wenn es die eigentlich nicht mehr gibt. Er verlieh Merkel im Neuen Schloss in Stuttgart die Staufermedaille für ihre umsichtige Pandemie-Politik. Für diejenigen in der CDU wie Annette Schavan, Volker Kauder oder Thomas Strobl, die sich die Grünen nach dem 8. März als Juniorpartner vorstellen könnten, war es ein gelungener Abend.

Appell zweier pragmatischer Regierungspolitiker

Für die jüngere Generation in der CDU, darunter der Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel, war es wohl eher ein Pflichttermin, bei dem man anwesend sein musste. Denn für Hagel ist Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz kein Projekt mehr, er wünscht sich einen „bürgerlichen Aufbruch“.

Im Wahlkampf dürfte der gemeinsame Auftritt des 77 Jahre alten Ministerpräsidenten und der 71 Jahre alten ehemaligen Bundeskanzlerin den Grünen diesmal nicht viel helfen. Aber als Appell der beiden pragmatischen Regierungspolitiker und faktenorientierten Naturwissenschaftler an ihre jeweilige Partei, das Heil nicht im Kulturkampf zu suchen, kann man den Festakt wohl doch verstehen.

Kretschmanns Handlungsanweisung für die Zukunft

„Klare Kommunikation, Detailkenntnis, Führungsstärke und Vertrauen – damit führten Sie unser Land durch die Krise“, sagte Kretschmann im Neuen Schloss. Tapferkeit und Heldentum seien in solchen Zeiten nicht die entscheidenden Tugenden, sondern Umsicht und Disziplin. „Deshalb sprachen nicht nur aus medizinischer, sondern auch aus ethischer und verfassungsrechtlicher Sicht eine Vielzahl von Argumenten für die Strategie der Vorsicht.“

Kretschmann, der im Frühjahr 2026 aus dem Amt scheidet, wollte seinen Nachfolgern mit seiner Rede offenbar auch eine Handlungsanweisung für die Zukunft mit auf den Weg geben: In Krisen könne man immer nur aus der Situation heraus entscheiden, Irrtümer und Fehler gehörten zur „conditio humana“. Merkel habe mit „besonnener Entscheidungsfreude“ gezeigt, was politische Führung in der Demokratie bedeute.

Die Pandemie als „demokratische Zumutung“

Angela Merkel erinnerte in ihrer Dankesrede daran, wie groß die politischen Herausforderungen waren, um die vom Grundgesetz verlangte Würde der Menschen nicht preiszugeben. Das Virus habe sich in einer „affenartigen Geschwindigkeit“ ausgebreitet, über einen Impfstoff habe man nicht verfügt. Das werde heute vergessen – auch wenn es richtig sei, die Fehler der Pandemie aufzuarbeiten. „Es ist richtig, dass das in einer Demokratie auch untersucht wird, aber nicht mit Schaum vorm Mund, und es muss mit dem gesamten Blick betrachtet werden.“ Während der Pandemie sei es eben nicht immer nur um die „Freiheit von etwas“, sondern auch um die „Freiheit für etwas“ gegangen, also für die Gesundheit der anderen.

Merkel schildert auch, wie befremdlich sie es fand, dass die Bundesregierung zu erheblichen Freiheitsbeschränkungen gezwungen war: „Die Pandemie war eine demokratische Zumutung, ich hatte, aus der DDR kommend, große Schwierigkeiten damit, dass ich bürgerliche Freiheiten außer Kraft setzen musste. Das konnte ich mir nicht vorstellen.“

Kretschmanns Entscheidung, die Staufermedaille an Merkel zu verleihen, ist auch deshalb ungewöhnlich, weil die Aufarbeitung der Pandemie-Politik durch die Enquete-Kommission noch nicht abgeschlossen ist und das Thema heute sowohl bei den Grünen als auch in der CDU kritisch gesehen wird. Aber der Ministerpräsident nutzte Preisverleihungen schon mehrfach, um auf Themen hinzuweisen, denen er eine größere Aufmerksamkeit wünscht. So ehrte er 2024 den Journalisten Heribert Prantl mit der Staufermedaille und ernannte dessen Kollegen Thomas Schmid zum Professor, um auf die Bedeutung des Qualitätsjournalismus für die Demokratie aufmerksam zu machen.