Die amerikanische Regierung feiert sich als die transparenteste Regierung aller Zeiten. Als Beleg dienen ihr die regelmäßigen Pressebriefings im Weißen Haus und Donald Trumps mäandernde Gespräche mit Journalisten zu jeder sich bietenden Gelegenheit. Doch die jüngste Kontroverse um Verteidigungsminister Pete Hegseth zeigt abermals: Man kann viel reden, ohne viel mitzuteilen.
In Washington ist die Wahrheit ein biegsames Material. Der Bericht über einen zweiten Schlag auf Überlebende eines Angriffs auf ein mutmaßliches Drogenschmugglerboot war vier Tage alt, als Trump in einer Kabinettssitzung sagte, er habe noch immer wenig Informationen erhalten – vertraue Hegseth aber voll und ganz. Ein bemerkenswerter Satz, zumal auch republikanische Kongressmitglieder Aufklärung fordern. Es steht der Vorwurf eines Kriegsverbrechens im Raum.
In Washington kennt man viele Techniken, um von Unliebsamem abzulenken. Hegseth beherrscht sie wie kaum ein anderer. Sein Kommunikationsstil folgt einer festen Choreografie: Abwehr, Ablenkung und Gegenangriff. So auch im Frühjahr, als er in einem Gruppenchat in der kommerziellen Messenger-App Signal Angriffspläne auf die Huthi im Jemen teilte – zwei Stunden vor dem Angriff, und im Beisein eines Journalisten, der versehentlich hinzugefügt worden war.
Hegseth behauptete später, es seien gar keine Kriegspläne geteilt worden und nannte den Chefredakteur des „Atlantic“ hinterlistig. Mehr hatte er nicht zu sagen. Das Weiße Haus sprach von einem demokratischen Komplott, das von Trumps großen Erfolgen ablenken sollte. Ein wiederkehrendes Totschlagargument. Und Hegseth kam damit durch.
War der Admiral ein Bauernopfer?
Im Fall des Angriffs auf das Schmugglerboot dauerte es etwas länger, bis man sich auf eine Darstellung geeinigt hatte. Erst rief Hegseth „Fake News“, später bestätigte das Weiße Haus einen zweiten Angriff selbst. Es wurde nachjustiert. Nun heißt es, der Angriff sei unter dem Kommando von Admiral Frank Bradley angeordnet worden, dem Chef der amerikanischen Spezialkräfte. Ein Bauernopfer? Selbst Fox-News-Moderator Brit Hume kommentierte Hegseths überschwängliches Lob für den „Helden“ Bradley mit der Bemerkung: „Wie ich mit dem Finger auf jemanden zeige, während ich so tue, als unterstützte ich ihn.“

Hegseth hatte ein Video des ersten Angriffs auf X hochgeladen und in einem Interview noch von den Live-Bildern geschwärmt. Nun will er den Raum nach diesem ersten Schlag verlassen und erst Stunden später von der zweiten Rakete erfahren haben. Überlebende habe er auch keine gesehen; „das Ding“ habe schließlich in Flammen gestanden.
Die amerikanische Regierung betreibt ein Krisentheater mit grellen Scheinwerfern. Dahinter bleibt vieles im Dunklen. Als der unabhängige Kontrolleur des Pentagon mit Hegseth über den Signal-Chat sprechen wollte, erhielt er nur eine kurze schriftliche Stellungnahme. Und in dem Briefing über die Operation gegen das Schmugglerboot in der Karibik stand am Donnerstag Admiral Bradley im Kongress Rede und Antwort. Nicht der Verteidigungsminister.
