Wehrdienst: Bundestag beschließt neues Wehrdienstgesetz

Der Bundestag hat nach einer abschließenden Debatte die
Modernisierung des Wehrdienstgesetzes beschlossen. Der Gesetzentwurf der Regierungskoalition aus Union und SPD wurde in namentlicher Abstimmung mit der nötigen Mehrheit angenommen. Deutschland kehrt damit zur
verpflichtenden Musterung ganzer Jahrgänge zurück. Der Wehrdienst an sich
bleibt aber freiwillig.

„Dieser Wehrdienst ist freiwillig, und er bleibt
es“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) während der Debatte im
Bundestag
– zumindest, wenn es so komme, wie die Bundesregierung es sich
erhoffe. Dennoch betonte er: „Dieser Staat schützt sich nicht von allein.
Das müssen Menschen tun, die bereit sind, für ihn einzutreten, und nicht die, die am
Gartenzaun stehen und darauf warten, dass andere das machen.“

Die Freiwilligkeit gilt jedoch nur, sofern angestrebte
Personalziele erreicht werden. Wenn nicht, könnte die Einführung einer
teilweisen Wehrpflicht kommen – das würde dann allerdings einen weiteren
Bundestagsbeschluss erfordern. Betroffene könnten dann gegebenenfalls auch über
ein Los- oder ein anderes Zufallsverfahren ausgewählt werden.

Der CDU-Verteidigungspolitiker Norbert Röttgen sagte, die
Erhöhung der Personalstärke der Bundeswehr sei angesichts der Bedrohung durch
Russland nötig. „Wir müssen uns wieder verteidigen können, um uns nicht
verteidigen zu müssen“, sagte er. Grüne, Linke und AfD lehnten die Pläne
aus unterschiedlichen Gründen ab.

Schulstreiks gegen die Wehrdienstpläne

Parallel zu der Debatte im Bundestag gab es bundesweit
Aufrufe zu Schulstreiks gegen die Wehrdienstpläne
. Pistorius sagte, er finde es
„großartig“, dass Schüler und junge Leute streiken und demonstrieren und sich
damit einbringen. Die Linkenabgeordnete Desiree Becker unterstützte die Streiks:
„Geht auf die Straße, streikt heute gegen die Wiedereinführung der
Wehrpflicht“, sagte sie an die jungen Menschen gewandt. „Informiert
euch über das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und nutzt es.“

Die Modernisierung des Gesetzes sieht eine verpflichtende
Musterung für junge Männer ab dem Geburtsjahr 2008 vor. Diese beginnt aber erst
ab dem 1. Juli 2027. Schließlich muss die Bundeswehr zunächst ihre Kapazitäten dafür
schnell und erheblich ausbauen. Der neue Wehrdienst dauert mindestens sechs
Monate. Darüber hinaus können die Betroffenen selbst entscheiden, wie lange sie
Wehrdienst leisten möchten. Wer sich mindestens ein Jahr als Soldat auf Zeit
verpflichtet, erhält 2.700 Euro inklusive Unterbringung.

Um die in der Nato vereinbarten Ziele vor dem Hintergrund
der verschärften Bedrohungslage durch Russland erfüllen zu können, seien laut Bundesregierung 460.000
Soldaten einschließlich der Reserve nötig. Bis 2035 soll
es rund 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten geben. Stand Ende Oktober waren
es gut 184.000. In der Beschlussvorlage für den Bundestag wurden die
zusätzlichen Kosten beim Verteidigungsministerium für das kommende Jahr auf 495
Millionen Euro beziffert. 2027 sind es dann 603 Millionen, 2028 rund 713
Millionen und 2029 dann 849 Millionen. Die Kosten für die verpflichtende
Musterung ab dem 1. Juli 2027 werden mit 54 Millionen Euro berechnet.

Hintergrund der Debatten um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht
ist die seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor bald vier Jahren
drastisch verschlechterte Sicherheitslage. Die Beziehungen zwischen den EU- und
Nato-Staaten sowie Russland sind auf einem Tiefpunkt, selbst ein militärischer
Angriff Russlands auf Nato-Gebiet gilt inzwischen als möglich.