CRPS: Symptome, Diagnose und Behandlung bei Morbus Sudeck

Stand: 03.12.2025 08:25 Uhr
| vom

Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS), früher Morbus Sudeck, hat oft schwerwiegende Folgen. Eine rechtzeitige Diagnose und entschiedene Behandlung sollen dauerhafte Symptome vermeiden.

von Sarah Emminghaus

Es ist eine schwerwiegende Komplikation nach Operationen, Brüchen oder Verletzungen: In etwa fünf Prozent der Fälle kommt es zu einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom, kurz CRPS (englisch: complex regional pain syndrome). Vor allem Hände und Füße sind von der chronischen neurologischen Erkrankung betroffen. 

Früher war die Erkrankung als Morbus Sudeck bekannt. Benannt wurde sie nach dem Arzt Paul Sudeck, der die Krankheit im Jahr 1900 beschrieben hatte. Heute ist CRPS der international einheitliche Name. 

Was ist CRPS?

CRPS macht sich besonders durch spezielle Nervenschmerzen, Bewegungs- und Sensibilitätsstörungen bemerkbar – beginnend einige Tage bis Wochen nach dem auslösenden Ereignis. Die betroffene Region an der Hand, am Arm oder Bein schwillt an, die Haut verfärbt sich und es kommt zu unerträglichen Dauerschmerzen. Bereits leichte Berührungen sind extrem schmerzhaft, Belastung und Bewegung werden unmöglich. Um als CRPS diagnostiziert zu werden, dürfen die Symptome sich nicht mehr mit dem ursprünglichen Trauma erklären lassen, das zu dem Zeitpunkt eigentlich fertig behandelt ist. Bei CRPS sind Schmerzen und Schwellungen, die kurz nach einem Trauma üblich sind, sehr viel länger anhaltend und sorgen oft monatelang für Beschwerden.  

CRPS-Symptome: Diagnose mit Budapest-Kriterien

Ein Hinweis auf CRPS ist beispielsweise eine auffällige Empfindlichkeit gegenüber einem harmlosen Pinselstrich, also eine eindeutige Sensibilitätsstörung. Zusammengefasst wurden alle Beschwerden unter den sogenannten Budapest-Kriterien. Mit ihrer Hilfe kann man das Schmerzsyndrom durch Befragung und körperliche Untersuchung diagnostizieren. Apparative Diagnostik wird nur verwendet, wenn andere Erkrankungen ausgeschlossen werden müssen.   

Zu den Symptomen bei CRPS gehören unter anderem:  

Schwellung und Schmerz 

  • unerklärlich starke Schmerzen (handschuhförmig oder strumpfförmig) 
  • auffällige Schwellungen 

Veränderungen der Haut  

  • Temperatur: überwärmt oder kälter als der Rest 
  • Farbe: entzündlich gerötet, auffällig blass oder violett 
  • gespannt und dystroph (vorgealtert, schlecht ernährt, degeneriert) 
  • übermäßiges Schwitzen  
  • starkes Haar- oder Nagelwachstum 

Störungen des Gefühls 

  • vermehrtes Kälteempfinden 
  • Berührung wird als Schmerz empfunden 
  • gestörtes Lageempfinden: Stellung von Hand oder Fuß wird nicht richtig wahr genommen 
  • Körperschemastörung: das Gefühl das betroffene Körperteil „gehöre nicht mehr dazu“ 

Medikamente und multimodale Behandlung bei Morbus Sudeck

Eine schnelle Diagnose ist besonders wichtig, um rasch auch mit Medikamenten beginnen zu können. Die deutsche Leitlinie empfiehlt dabei Wirkstoffe gegen die akute Entzündung, konkret antiinflammatorische Bisphosphonate und Glucocorticoide. Das komplexe Schmerzsyndrom CRPS muss auch komplex behandelt werden. Oberstes Ziel ist dabei nicht unbedingt die Heilung, aber eine Verbesserung der Beschwerden – diese ist fast immer zu erreichen.  

Die Behandlung erfolgt multimodal, besteht also aus mehreren Komponenten verschiedener Fachrichtungen – wie es bei chronischen Schmerzen üblich ist. Dazu gehören bei CRPS Physio- und Ergotherapie sowie psychologische Betreuung. Verschiedene Medikamente können zur Schmerzbekämpfung und zur besseren Schmerzverarbeitung beitragen. Die aktuell eingesetzten Wirkstoffe wurden oftmals zur Behandlung anderer Erkrankungen entwickelt und müssen immer individuell ausgewählt werden. Beispiele sind Mittel gegen Nervenschmerzen wie das Epilepsiemittel Gabapentin, Antidepressiva wie Amitriptylin oder Duloxetin (aber nie zusammen!), das Narkosemittel Ketamin als Infusion oder in Salben, außerdem Wirkstoffe gegen Husten wie N-Acetylcystein als Tablette oder Ambroxol in Salbenform sowie Capsaicin-Pflaster mit dem Wirkstoff der Chili.   

Angstfreie Bewegung und Spiegeltherapie

Zur Behandlung gehört immer dazu, Betroffenen ihre Ängste vor der Bewegung zu nehmen. Deshalb darf motorisches Training in der Physio- und Ergotherapie die Schmerzen nicht verstärken. Auch über den Umfang von passiver Bewegung sollten Patientinnen und Patienten immer selbst bestimmen können. Im Laufe der Therapie darf die Belastung zwar steigen, aber immer kontrolliert und ohne Schmerzen akut zu provozieren. 

Einen besonderen Stellenwert in der Behandlung von CRPS hat die Spiegeltherapie. Diese soll das Gehirn sozusagen „überlisten“ und neu regulieren. Wenn beispielsweise die rechte Hand betroffen ist, soll der Patient die Bewegungen seiner gesunden linken Hand im Spiegelbild beobachten. Dadurch entsteht im Gehirn die Illusion, die kranke Hand wäre normal beweglich. Das positive visuelle Feedback aktiviert dabei die betroffenen Hirnregionen. So können sich die Motorik, Sensibilität und Wahrnehmung sowie Schmerzen verbessern. Aber: Das muss regelmäßig – am besten mehrmals am Tag – geübt werden.    

Wie es bei chronischen Schmerzen üblich ist, geht auch CRPS in der Regel mit starken psychischen Belastungen einher. Ein weiterer wichtiger Baustein ist daher die Psychotherapie. Die Therapie kann auch in Gruppen stattfinden, in denen man sich mit anderen Betroffenen austauschen kann.   

Einige Menschen mit CRPS bleiben arbeitsunfähig

Je früher die Therapie begonnen wird, desto höher sind die Chancen auf deutliche Besserung. Meist bessern sich die Symptome nach drei Monaten bis etwa einem Jahr. Aber: Auch mit multimodaler Therapie ist CRPS für sehr viele Betroffene nicht heilbar. Bei mehr als der Hälfte der erwachsenen Patientinnen und Patienten bleibt zumindest ein Teil der Beschwerden, vor allem Schmerzen. Die meisten von ihnen können dennoch weiter ihrer Arbeit nachgehen, aber ein Drittel mit anhaltenden Symptomen bleibt arbeitsunfähig.   

Welche Ursache hat Morbus Sudeck?

Die typischen CRPS-Symptome können nach einer OP oder durch einen Unfall entstehen, nach einem Trauma oder Verletzung jeglicher Art. Auch kleinere Eingriffe wie eine Kniespiegelung oder ein als harmlos erlebter Stoß können Auslöser sein. Etwa 40 bis 50 Prozent der CRPS-Betroffenen haben vorher einen Knochenbruch erlitten.  

Der Heilungsprozess ist allerdings gestört, es kommt zu einer chronischen Entzündung. Der Körper setzt an der betroffenen Stelle massenhaft Botenstoffe frei, die Immunprozesse aktivieren. Die Folgen: Schwellungen, Durchblutungsstörungen und Nervenschmerzen. Die immunologischen und entzündlichen Fehlsteuerungen reichen wahrscheinlich bis in das Gehirn, sodass Schmerzsignale besonders stark wahrgenommen werden. Ein Teufelskreis. Außerdem kommt es zu Störungen im Sympathikus, einem Teil des autonomen Nervensystems, der Temperatur und Schweißbildung reguliert. 

Warum CRPS bei manchen Menschen auftritt und bei anderen nicht, ist noch nicht klar. Bekannt ist aber, dass nach sogenannten Radiusfrakturen am Handgelenk seltener CRPS auftritt, wenn danach leichte und professionell angeleitete Bewegungsübungen durchgeführt werden.  

Am häufigsten sind Menschen zwischen 40 und 70 Jahren von CRPS betroffen, Frauen doppelt so oft wie Männer. Insbesondere Frauen nach der Menopause haben ein erhöhtes Risiko, wenn aufgrund von Osteoporose vermehrt Knochenbrüche auftreten. Doch auch Kinder und Jugendliche können an CRPS erkranken.  

Expertinnen und Experten aus dem Beitrag

   

Eine Frau greift sich an Nacken und am Rücken, ihre Wirbelsäule wird als blaue Linie angedeutet, um auf einen Schmerz hinzuweisen.

Wenn chronische Schmerzen unaushaltbar sind, kann ein Schmerzschrittmacher mit Elektroden am Rückenmark helfen.

Eine Frau mit Kinesiotapes auf der Schulter

Kinesiotapes sollen bei Muskel-, Lymphproblemen und Schmerzen helfen. Doch die Studienlage ist uneindeutig.