Eurovision Song Contest 2026: Israel dabei, andere ziehen zurück – Desaster mit Ansage – Medien

Es geht nur um die Musik, nicht um Politik, natürlich. Der Eurovision Song Contest, das ist Party und Spaß, und sicher nicht immer Hochkultur. Aber auf jeden Fall Gemeinschaft, über Ländergrenzen hinweg. Doch egal, wie oft die Europäische Rundfunkunion (EBU) dieses Mantra zum ESC wiederholt, schon vor der letztlich entscheidenden Abstimmung war klar: Die Gräben sind da, und sie sind zu tief. Am Donnerstagabend zeigte sich dann wie tief.

Schon 2025 hatte sich unter einigen Ländern wegen des Vorgehens in Gaza Unmut gegen die Teilnahme Israels am ESC geregt. Die EBU, die das riesige Medienspektakel organisiert, sah sich also einer unmöglichen Herausforderung gegenüber: Wie schafft man es in diesem politisch aufgeheizten Klima, niemanden vor den Kopf zu stoßen?

Und das, obwohl es gar nicht zu einem direkten Votum über die Teilnahme Israels am Eurovision Song Contest 2026 kam. Die EBU umging diese von einigen Rundfunkanstalten geforderte Einzelentscheidung mit einem Kniff: Zunächst ließ sie über einige Regeländerungen abstimmen – einhergehend mit der Vereinbarung, dass alle Mitglieder, die diese neuen Regeln anerkennen und einhalten, am ESC teilnehmen dürfen. Also auch Israel.

Wären diese Regeländerungen nicht angenommen worden, hätte wohl eine separate Abstimmung zur Teilnahme Israels stattgefunden. Doch dazu kam es nicht, die anwesenden Vertreter der Rundfunkanstalten aus 56 – vornehmlich, aber nicht nur europäischen – Ländern stimmten für den Vorschlag der EBU, mit einer „großen Mehrheit“, ließ die Rundfunkunion verlauten. Ein Foto in den sozialen Medien soll die Abstimmungsergebnisse zeigen: Rund zwei Drittel der Anwesenden stimmten demnach dafür, etwa 24 Prozent dagegen. Knapp zehn Prozent der Anwesenden enthielten sich. Die EBU äußerte sich zur Echtheit des Fotos zunächst nicht.

Zuerst verkündeten dann die Niederlande, aufgrund der Entscheidung pro Israel nicht am ESC 2026 teilzunehmen und den Contest nicht auszustrahlen, wenige Minuten später folgten Spanien, Irland, Slowenien. Keines dieser Statements kam überraschend, die Länder hatten ihren Boykott vor der Abstimmung bereits angedroht: Entweder Israel oder wir.

Der Eurovision Song Contest wird an solchen Konflikten nicht zerbrechen

Nun gab es schon immer Länder beim ESC, die unter zweifelhaften Bedingungen angetreten sind. 2014, als Russland völkerrechtswidrig die Krim annektierte, sah man maximal ein resigniertes Schulterzucken, Belarus, Ungarn – autoritäre Regime waren keine Seltenheit. Spanien gewann den Wettbewerb zweimal während der Franco-Diktatur. Aber bei Israel werden andere Maßstäbe angesetzt. Das war schon immer so, in vielen Bereichen des Kulturbetriebs. Dass es jetzt den ESC trifft, ist nur der nächste logische Schritt.

Da waren wettbewerbsbezogene Vorwürfe gegen Israel: Beeinflussung des Televotings zugunsten des eigenen Beitrags mit staatlichen Geldern, eine im Lied gar nicht so unauffällig verstecke politische Message. Diesen Kritikpunkten versuchte die EBU mit den Regelveränderungen entgegenzuwirken. Doch dann gibt es da eben noch die größeren, politischen und menschenrechtlichen Streitpunkte – und eine massive Ablehnung Israels in der gesamten Pop-Industrie. Dies alles lässt sich nicht durch Veränderungen im Votingsystem wegwischen.

Und so schnell zerplatzt die EBU-Wunschvorstellung von einem unpolitischen Wettbewerb. Nachdem jahrelange mehr oder weniger auffällig die Teilnahme am Wettbewerb in irgendeiner Art politisch genutzt wurde, wird es jetzt die Nichtteilnahme. Es war schon immer politisch beim ESC, nur die Prioritäten dieser Politik scheinen sich in einigen Ländern geändert zu haben: Ein Zeichen zu setzen, einer bestimmten Linie treu zu bleiben, das scheint in einigen Nationen wichtiger geworden zu sein als der Blick auf das Verbindende. Und auch da ist es keine Überraschung, dass diese Grenze ausgerechnet bei Israel gezogen wird.

Nun muss man sich die Frage stellen: Was wäre in einem alternativen Universum geschehen, in dem Israel vom ESC ausgeschlossen worden wäre? Auch dann wäre, das ist nun einmal der Charakter einer solchen Abstimmung, die Mehrheit mit dem Ausgang des Votums einverstanden gewesen. Aber auch dann hätte mit Deutschland ein großer Geldgeber beim ESC seine Teilnahme mindestens überdacht und mutmaßlich abgesagt. Und auch in diesem Fall hätten sich Politiker geäußert, Menschen einen Boykott gefordert.

Der Eurovision Song Contest wird an solchen Konflikten nicht zerbrechen. Aber er muss sich die Frage gefallen lassen, ob er seine politische Strahlkraft anerkennen und damit verantwortungsbewusst umgehen kann, oder ob er sich weiter hinter Plattitüden versteckt.