Vier Regionen wetteifern darum, deutscher Olympia-Kandidat zu werden. Nach dem Bürgerentscheid hat München derzeit einen Vorsprung, während andere Kandidaten zu stolpern drohen.
Olympische Sommerspiele in Deutschland – diese Vision ist das zentrale Thema bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am Samstag in Frankfurt am Main. Nach mehreren Kurswechseln scheint es der Dachverband geschafft zu haben, die genervten Spitzenverbände zu besänftigen – auch wenn Details weiter Konfliktpotenzial bergen.
Die Spitzenverbände der olympischen Sportarten spielen bei den DOSB-Mitgliederversammlungen eine zentrale Rolle, schließlich stellen sie 52 Prozent der Stimmanteile. Beim Thema Olympiawerbung hatten sie sich lange schlecht behandelt gefühlt vom DOSB, aktuell scheinen sie aber nicht auf Konfrontationskurs zu sein. Dem Vernehmen nach werden sie dem detaillierten Entscheidungsprozess, den der DOSB entworfen hat, zustimmen.
Streit um den Abstimmungsprozess
Was nicht heißt, dass alle Details geklärt sind. Umstritten ist vor allem die Frage, wer am Ende überhaupt darüber abstimmen darf, welche Stadt oder Region für Deutschland ins internationale Olympiarennen gehen soll. Paragraf 16 der DOSB-Satzung besagt, dass bei „Angelegenheiten mit den Olympischen Spielen“ nur die Olympischen Spitzenverbände und einige Einzelpersonen Stimmrechte haben.
Gelebte Praxis war bisher eine andere, da hatte die Mitgliederversammlung auch bei Fragen zur Olympiabewerbung als Ganze abgestimmt. Die Handhabung am Samstag und im Herbst 2026, wenn eine außerordentliche Mitgliederversammlung den deutschen Kandidaten küren soll, wird noch ausgefochten.
München mit breiter Brust
Auswahlmöglichkeiten könnte es reichlich geben, denn immer noch sind alle vier Kandidaten München, Hamburg, Berlin und Nordrhein-Westfalen im Rennen. München hat mit 66 Prozent Ja-Stimmen bei seinem frühen Bürgerentscheid Ende Oktober beachtlich vorgelegt. Seither platzen den Verantwortlichen vor Selbstvertrauen die Hemdknöpfe, mit kürzlich vom Stadtrat bewilligten zusätzlichen 400.000 Euro feilen sie bereits an Details.
Der starke Referendums-Wert bringt München nicht nur gefühlt, sondern auch in der sogenannten Bewertungs-Matrix des DOSB Vorteile und wirft die Frage auf: Haben die anderen drei Bewerber überhaupt noch eine nennenswerte Chance?
Berlin scheint abgehängt
Vor allem in Berlin dürften sie sich diese Frage stellen. Die Hauptstadt ist der einzige Bewerber, der aus Verfassungsgründen kein Referendum plant, sondern eine Volksinitiative mit anschließender Abstimmung im Abgeordnetenhaus. In der DOSB-Matrix bringt dies unweigerlich Punktverluste.
Womöglich noch folgenreicher: Die Olympia-Gegner in der Hauptstadt mit Diskus-Olympiasieger Christoph Harting als Galionsfigur planen ebenfalls ein Volksbegehren, das 2027 in einem Volksentscheid münden soll – also erst nach der DOSB-Kandidatenkür. Beim Dachverband werden sie sich hüten, das Risiko einer nachträglichen Volksentscheid-Blamage in Berlin einzugehen.
Berlins Regierungschef will lieber Olympia als die Expo
Die Hauptstadtbewohner gelten angesichts zahlreicher Infrastruktur-Probleme bei klammer Stadtkasse als olympia-skeptisch. Dazu passt eine jüngste, vom Tagesspiegel beauftragte Umfrage, bei der nur 27 Prozent mit Ja oder „Eher ja“ zur Olympiabewerbung abstimmten. Das Umfrageinstitut Civey ist allerdings wegen seiner rein web-basierten Umfragen umstritten. Andere Umfragen sahen eine knappe Mehrheit pro Olympia.
Vielleicht lassen sich die Ergebnisse deshalb am besten mit einer anderen Civey-Umfrage aus Berlin vergleichen: Dabei sprachen sich immerhin 43 Prozent für eine Bewerbung um die Expo 2035 aus. Der schwarz-rote Berliner Senat könnte diese Gelegenheit nutzen, sich mit Verweis auf ein anderes Großprojekt elegant aus der holprigen Olympiabewerbung zurückziehen.
Doch stattdessen will Regierungschef Kai Wegner (CDU) lieber auf die Weltausstellung verzichten und weiter Geld in die Olympia-Träume stecken. Der Senat stellt in den Haushaltsjahren 2025 bis 2027 bis zu sechs Millionen Euro für die Bewerbung bereit.
Komplexes Referendum in Nordrhein-Westfalen
Auch Nordrhein-Westfalen treibt seine Olympiabestrebungen weiter voran – und muss dabei wohl noch mehr Geld in die Hand nehmen als Berlin. Schließlich sollen alle 17 am Konzept „Rhein-Ruhr“ beteiligten Kommunen am 19. April ein Referendum abhalten. Auch die zehn Kommunen, die lediglich eine Sportart beherbergen.
So sollen also alle Oberhausener darüber abstimmen, ob dort in elf oder womöglich 19 Jahren ein paar Volleyballspiele stattfinden sollen. Und die Pulheimer, ob bei ihnen weit draußen auf dem Land im illustren Gut Lärchenhof um Medaillen gegolft werden soll.
Sagt die Bevölkerung einer dieser Kommunen Nein, können die Wettbewerbe womöglich noch andernorts stattfinden. Aber was ist, wenn eine der größeren, für mehrere Sportarten auserkorenen Städte beim Referendum verliert? Etwa Essen, Düsseldorf oder Köln?
Köln: „Leading City“ mit Haushaltssperre
Letzteres wäre ein Desaster, denn erst am Dienstag haben die Organisatoren Köln als „Leading City“ der Bewerbung vorgestellt. Auslöser dafür war, dass der Name „Region Rhein-Ruhr“ international eher Fragezeichen und Missinterpretationen hervorruft. Der Kurswandel ist aber zögerlich, ein neuer Name ist noch nicht verkündet und die Bewerbungs-Website spricht weiter von „Olympia an Rhein und Ruhr“.
Offensichtlich sollen die 16 „Non Leading Citys“ nicht zu sehr verprellt werden, weil die Menschen dort ja noch Ja sagen müssen zur Olympiabewerbung. Ein Selbstläufer werden die Referenden nicht, schließlich klagen viele der Kommunen über prekäre Haushaltslagen.
Desaströs ist die Lage auch und gerade in Köln, dort gilt seit dem 4. November sogar eine Haushaltssperre. Seither darf die „Leading City“ nur Ausgaben tätigen, die rechtlich verpflichtend oder unbedingt notwendig sind.
Hamburg: Schlechte Referendums-Erfahrungen
Bleibt noch Hamburg, wo die Bürgerinnen und Bürger erst am 31. Mai abstimmen sollen. Die größte Herausforderung ist neben Umweltschutzbedenken das fehlende Leichtathletikstadion.
Die Umfrageergebnisse sind mau und 2015 ist die Hansestadt schon einmal an einem Referendum gescheitert: 51,6 Prozent stimmten damals gegen eine Bewerbung um Olympia 2024.
Zudem hat ein Volkentscheid im Oktober die Hansestadt dazu verpflichtet bis 2040 klimaneutral zu werden. Ob und wie sich das mit einer Bewerbung um Olympische Spiele verträgt, ist unklar.
DOSB will Fiasko von 2003 vermeiden
Auch 2003 hatte Hamburg einen Anlauf gestartet, damals ging es um die Sommerspiele 2012. Die Parallele zu heute: Auch seinerzeit bewertete das damalige Nationale Olympische Komitee (NOK) die fünf deutschen Olympiakandidaten per Punktesystem. Hamburg kam dabei am besten weg, die NOK-Versammlung wählte aber trotzdem Leipzig aus, die am schlechtesten bewertete Bewerbung. Sie fiel dann auch beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) schnell durch.
Einem derartigen Fiasko will der DOSB nun vorbeugen. Er bindet die olympischen Spitzenverbände schon bei der Bepunktung der Konzepte mit ein in der Hoffnung, dass sie anschließend entsprechend ihrer eigenen Bewertung abstimmen. Zudem soll eine Evaluierungskommission eine Wahlempfehlung aussprechen, falls die Bewertungsmatrix einen klaren Favoriten ausspuckt.
Zwischenschritte beim IOC und in Berlin
Insgesamt ist Deutschland auf dem Weg Richtung Olympia vergleichsweise weit. Vor einer Woche hat der DOSB beim IOC die Aufnahme in den sogenannten „Continuous Dialogue“ beantragt, gilt damit als offizieller Bewerber.
Friedrich Merz beim Olympia-Treffen am Donnerstag in Berlin
Ein anderer Schritt, der bei vergangenen Bemühungen mitunter fehlte: Die Bundesregierung bekennt sich zu finanzieller Unterstützung, steuert bis Ende 2027 sechs Millionen Euro bei. Unter anderem Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) unterschrieb am Donnerstag eine entsprechende Vereinbarung, die die Bewerbung eine „nationale Aufgabe“ nennt. Das Timing kurz vor der DOSB-Mitgliederversammlung war sicher kein Zufall.

