Traditionell schweigt das spanische Königshaus. Doch die Reaktion auf Juan Carlos kam sofort, sie war so knapp wie vernichtend. „Unangebracht und unnötig“ sei das nur gut eine Minute lange Video, das der emeritierte König am Montag im Internet verbreiten ließ. Zum ersten Mal seit seiner Abdankung vor elf Jahren hat sich Juan Carlos I. direkt an die Spanier gewandt. Vor einer wehenden Nationalflagge, als wäre es eine offizielle Erklärung.
Den Zarzuela-Palast besänftigt auch nicht, dass der Vater darum bittet, seinen Sohn, König Felipe VI., bei dessen „schwerer Aufgabe zu unterstützen“. Es hält sich die Sorge, dass weitere Werbevideos in eigener Sache folgen könnten. Denn Juan Carlos empfiehlt der „spanischen Jugend“ und allen, „die die Geschichte Spaniens nicht kennen“, seine Memoiren zur Lektüre. Sie kommen an diesem Mittwoch auf Spanisch heraus. Rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft ist dann „das am meisten erwartete Buch des Jahres“ auf dem Markt, für das die Buchhändler seit Wochen Reservierungen entgegennehmen.
In Spanien sprach bisher niemand mit ihm
Juan Carlos will sich mit den Spaniern versöhnen. Aber bis zu seinem selbst gemachten Videoclip, den er angeblich über Freunde im Internet verbreiten ließ, konnten die meisten Landsleute den emeritierten Monarchen buchstäblich nicht verstehen: Seine Autobiographie mit dem Titel „Versöhnung“ („Reconciliación“) ist bereits Anfang November auf Französisch erschienen. Der Monarch gab französischen Medien zwei Zeitungs- und ein Fernsehinterview. In Spanien sprach bisher niemand mit ihm. Nicht einmal am Erscheinungstag ist eine größere Präsentation des 500-Seiten-Werks des Autors geplant, der fast 40 Jahre lang auf dem spanischen Thron saß.
Die Spanier mussten sich fünf Wochen lang mit übersetzten Zitaten begnügen. So wissen sie bereits, dass sie keine zerknirschte Lebensbeichte des 87 Jahre alten Monarchen zu erwarten haben. Auf die Frage, ob er etwas bereue, antwortete er dem Sender „France 3“ knapp: „Nein!“
Es sind die ersten Memoiren, die ein spanischer König selbst geschrieben hat, unterstützt von der französischen Autorin Laurence Debray. Normalerweise geben spanische Könige keine Interviews, ihre Reden müssen sie vorher dem Regierungschef vorlegen. Aber daran fühlt sich der emeritierte König nicht mehr gebunden.
„In unserer Familie weint man nicht“
„Ich hatte große Angst zu verschwinden, ohne dass ich alles erzählen und erklären konnte“, schreibt er über seine Covid-Erkrankung in Abu Dhabi, wo er seit 2020 in seinem selbstgewählten Exil lebt. Er habe das Gefühl, dass man ihm seine eigene Geschichte stehle. Nicht ohne Grund war das Königshaus von Anfang an über seine schriftstellerischen Pläne beunruhigt, die er genauso wenig mit dem Palast koordinierte wie sein jüngstes Video. Einsam und verbittert beklagt er sich in seiner Villa auf einer künstlichen Insel am Golf über seine Familie und die undankbaren Spanier.
„In unserer Familie weint man nicht und beklagt sich nie“, setzt er an, um dann genau das sehr ausführlich zu tun. Er hält seinem Sohn und der spanischen Linksregierung sogar „psychologische Folter“ vor, angesichts der zermürbenden Ungewissheit über seine eigene Zukunft. Mit zwei Koffern sei er nach einem einsamen Entschluss Anfang August 2020 in den Emiraten angekommen. Er wollte nur einige Wochen bleiben und spätestens zu seinem Geburtstag am 25. Januar 2021 wieder zu Hause in Madrid sein.
„War ich verbannt?“
Den Weihnachtsgottesdienst seiner Angehörigen im Madrider Zarzuela-Palast verfolgte er 2020 auf seinem Tablet. Danach sei der Bildschirm schwarz geworden: „War ich verbannt? War ich in meiner eigenen Familie eine unerwünschte Person? Dieser Weihnachtsabend war der einsamste meines Lebens, ein Abend voller Fassungslosigkeit.“ Er habe sich gefühlt wie auf einem weit entfernten Planeten.
Wie in seinem Video macht Juan Carlos auf Hunderten von Seiten deutlich, dass es ihm vor allem um sein politisches Erbe geht, besonders seine Rolle beim Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie. „Ich habe nie behauptet, ein Heiliger zu sein, aber ich habe mein Bestes für Spanien gegeben, und ich habe als konstitutioneller König nicht versagt“, betont er. Er gesteht „persönliche Fehler“ ein, um sich dann über „Medien-Attacken und eine Flut von Fake-News“ zu beschweren.
Die Vorwürfe hält er für überzogen
Man habe ihm Dutzende außereheliche Beziehungen angedichtet, aber die meisten seien „völlig fiktiv“ gewesen. Seine frühere Geliebte, Corinna zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, erwähnt er nicht namentlich: „Am Rande dieses überladenen Lebens hatte ich einige emotionale Ausrutscher“, gesteht er ein. Damit spielt er auf die gemeinsame Elefantenjagd in Botswana an, bei der er sich 2012 die Hüfte brach und die seine Abdankung beschleunigte.
Er selbst habe sich am Ende gejagt gefühlt und sei gesundheitlich angegriffen eine leichte Beute gewesen. Die Vorwürfe finanzieller Unregelmäßigkeiten – insgesamt waren es rund ein Dutzend Steuerdelikte – hält er für erledigt und überzogen: In Wirklichkeit habe er von seinen unermüdlichen Reisen dank seiner persönlichen Kontakte Milliardenverträge für spanische Unternehmen nach Hause gebracht.
Unter dem Sternhimmel der Wüste sinniert er über sein eigenes Ende und seine Heimkehr. Die eigene Familie hatte er in den vergangenen Jahren vor allem bei Beerdigungen getroffen. Die Trauerfeier für seine britische Cousine Lilibeth, wie er Königin Elisabeth II. nennt, hat ihn beeindruckt. Doch die spanische Königsgruft im Escorial-Kloster bei Madrid sei voll, die Pläne für seine eigene Beerdigung kenne er nicht. „Wenn meine Stunde kommt, kommt sie“, meint er bitter. „Dann können sie mit mir machen, was sie wollen.“
