Therapie bei Depressionen: Wege zur Hilfe – Gesundheit

Peter Falkai: Der wichtigste Unterschied ist, dass man bei einer Depression nur noch reduzierte Gefühle wahrnehmen kann oder gar keine mehr. Man hat dann nur reduzierte Kraft, wenig Antrieb, geringe Belastbarkeit – und das mindestens 14 Tage lang.

Reicht es dann, zur Hausärztin oder zum Hausarzt zu gehen?

Das sollte die erste Adresse sein. Denn womöglich liegt, selbst wenn diese Symptome bestehen, keine Depression vor. Es kann auch eine Schilddrüsenunterfunktion sein oder ein chronischer Infekt. Das sollte in der Hausarztpraxis abgeklärt werden. Wird dort Organisches ausgeschlossen, empfehle ich aber den Gang zum Psychiater.

Zum Psychiater zu müssen, klingt für viele Menschen heftig …

Der Begriff ist leider negativ behaftet, das stimmt. Man kann auch zu einem erfahrenen psychologischen Psychotherapeuten gehen. Allerdings kann der keine Medikamente verschreiben, weil er kein Arzt ist. Wichtig ist jedenfalls eine Diagnose, damit zeitnah eine rationale Therapie erfolgen kann. Die ist gerade bei schwereren Formen von Depressionen wichtig, damit diese nicht chronifizieren.

Wie sieht die Therapie dann aus?

Da gibt es klare Leitlinien. Man unterscheidet leichte, mittelgradige und schwere Phasen einer Depression. Wenn es nur eine leichte Episode ist, wie zum Beispiel bei Liebeskummer, dann braucht man nicht mehr zu machen als Taschentücher zu besorgen und den Betroffenen zu trösten. Die Zeit heilt die Wunden.

Peter Falkai ist Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München sowie Ärztlicher Leiter der Klinik des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München.
Peter Falkai ist Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München sowie Ärztlicher Leiter der Klinik des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München. (Foto: Stephan Rumpf)

Und bei den schwereren Formen?

Bei mittelgradigen Depressionen ist die Funktionalität noch erhalten. Die Leute können ihr Leben leben, ihre Partnerschaft aufrechterhalten, arbeiten gehen. Aber wenn sie von der Arbeit nach Hause kommen, fallen sie ins Bett oder bleiben das ganze Wochenende über liegen. Sie kriegen ihr Leben also irgendwie noch hin, aber nicht mehr so richtig. Bei einer schweren Depression geht gar nichts mehr, da liegt man nur noch „im Bett“.

Welche Behandlung ist in diesen Fällen die richtige?

Bei mittelgradigen Depressionen bietet man den Patienten eine Psychotherapie und eine Pharmakotherapie, also Medikamente, an und entscheidet gemeinsam, welcher von den beiden Wegen der beste wäre. Wenn es mit der gewählten Strategie binnen drei Monaten nicht besser wird, sollte man aber noch die jeweils andere Behandlung dazunehmen oder an einen Klinikaufenthalt denken. Weder Patient noch Arzt sollten akzeptieren, dass die Depression unverändert bleibt. Bei schweren Depressionen kombiniert man von Anfang an beides. Wenn das alles nicht hilft, gibt es noch Schlafenzug, schnellwirksame Antidepressiva wie Ketamin oder die Elektrokrampftherapie.

Hausärzte verschreiben oft schon bei leichten Depressionen Psychopharmaka.

Ja, so kann es kommen. Die Patienten sagen oft zu ihren Hausärzten, ich will nicht zum Psychiater oder Therapeuten. Können Sie da nicht was machen? Dann werden vom Hausarzt oft Psychopharmaka verschrieben, obwohl es Alternativen gäbe.

Muss man denn Angst vor Psychopharmaka haben?

Wie alle Medikamente, die wirken, haben auch Psychopharmaka Nebenwirkungen. Aber sie gehören mit den zu den am besten geprüften Medikamenten in der Medizin. Sie machen weder das Gehirn kaputt noch andere Organe. Und sie machen auch nicht abhängig, wenn sie entsprechend den Leitlinien verordnet werden. Wichtig ist dabei: Schlafmittel wie die Z-Substanzen und die Benzodiazepine, die wegen der Schlafstörungen und Ängste bei Depressionen gegeben werden, sollte man nicht länger als drei Wochen nehmen. Und Antipsychotika und Antidepressiva sollte man nicht schlagartig absetzen, sonst kann es zum Absetzphänomen wie Schlafstörungen, Unruhe, Ängsten kommen. Man sollte die Medikamente deshalb ausschleichen, wenn man sie absetzen möchte.

Und Psychotherapie? Die Wartelisten sind oft lang.

Das Problem ist nicht so groß, wie es oft dargestellt wird. So erreicht man unter der Telefonnummer 116 117 oder unter www.116117.de eine Servicestelle, die psychotherapeutische Sprechstunden vermittelt. Man hat ein Anrecht auf drei baldige Termine, in denen abgeklärt wird, welche Hilfe man braucht. Darüber hinaus gibt es häufig Ausbildungsinstitute für Psychotherapeuten. Da kriegt man in der Regel auch relativ schnell einen Platz.

Wie hilfreich ist es, wenn sich Menschen ihrer Antriebslosigkeit und Traurigkeit zunächst mit Methoden wie Sporttherapie, Lichttherapie oder Schlafhygiene widmen?

Es ist sehr sinnvoll, das zu probieren. Wir kennen vier Säulen der Prävention gegen die Entwicklung von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen: soziale Kontakte, Bewegung, vernünftige Ernährung, geordneter Schlaf. Es lohnt sich, sich mit Menschen zu treffen, vor allem mit netten. Bewegung hilft selbst bei mittelgradiger Depression noch ähnlich gut wie ein Antidepressivum. Auch das wäre also einen Versuch wert. Und frische Luft ist nicht zu unterschätzen – auch weil es draußen sehr viel heller ist als in jedem Raum. Es gibt eine Studie, die gezeigt hat: Studierende, die auf dem Weg zu einem Hörsaal in der Uni außen rum gehen statt durchs Haus, haben ein signifikant geringeres Depressionsrisiko.

Hinweis: Im einem SZ-Gesundheitsforum zum Thema „Depression – was wirklich hilft“ geht es am Dienstag, den 9. Dezember ab 19.30 Uhr um Behandlungsmöglichkeiten. Während der Online-Veranstaltung werden auch Fragen von Zuschauenden beantwortet. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung zum Livestream ist erforderlich.