Jule Brand mit den DFB-Frauen in der Nations League gegen Spanien: „Ich kann freier sein, mich überall bisschen mehr bewegen“ – Sport

Während einige ihrer Kolleginnen zu den Mikrofonen geleitet worden waren und sich den Fragen der Journalisten stellten, hatte Jule Brand etwas anderes vor, manche mögen sagen: etwas Besseres. Im Kabinengang des Fritz-Walter-Stadions traf sie sich mit Alexia Putellas zu einer Übergabe.

Die beiden Fußballerinnen hielten das Trikot der jeweils anderen in der einen Hand und klatschten sich ab. „Danke für das Jersey“, sagte Brand auf Englisch, wie in einem Video zu sehen ist. Und Putellas, Spielerin für Spaniens Nationalteam und den FC Barcelona, antwortete: „Viel Glück mit Lyon, aber nicht gegen uns!“, woraufhin Brand mit „nein, nein!“ beschwichtigte und lächelte. In der Champions League führt Barça die Gruppenphase punktgleich mit Brands Klub Olympique Lyon an. Die Deutsche wirkte etwas schüchtern, für sie ist Putellas nunmal die Beste des Planeten. Und diese zweimalige Weltfußballerin hatte gerade mit ihr eine Geste der gegenseitigen Achtung ausgetauscht. Mit ihr!

Womöglich wird Putellas sich noch fragen, ob sie dieses Ritual nicht besser diesen Dienstag in Madrid nach dem Final-Rückspiel der Nations League (18.30 Uhr, ARD) statt am vergangenen Freitag nach dem 0:0 im Hinspiel in Kaiserslautern vollzogen hätten. Das Selbstvertrauen von Brand ist im deutschen Nationalteam seit geraumer Zeit ohnehin schon mehr als stabil. Und nun dieser offenbar nicht erst spontan vereinbarte Trikottausch, der in gewisser Weise auch den Status der 23-Jährigen als international etablierte Spielerin widerspiegelt. Brand hat sich weiterentwickelt, was auch Bundestrainer Christian Wück hilft. Bei seinen Überlegungen, was sich nach der Europameisterschaft ändern sollte, spielt Brand eine wichtige Rolle. Sie ist fester Bestandteil der neuen Achse.

Im Sommer noch bildete die Offensivspielerin auf der rechten Seite mit Klara Bühl auf der linken Seite die Flügelzange. Und es wurde schnell deutlich, wie viel besser das deutsche Spiel läuft, wenn diese beiden sich frei bewegen können. Brand stach damit heraus, dass sie mutig in die Zweikämpfe ging und die Gegnerinnen ausdribbelte, um dann davonzuziehen. Diese Position war zu ihrem Revier geworden, seit sie bei der WM 2023 von der Einwechselspielerin zur Stammkraft aufgestiegen war, als Svenja Huth notgedrungen in die Abwehrkette rücken musste. „Jule ist eine sehr quirlige Spielerin, ihr Dribbling kannst du kaum stoppen“, sagte Bühl damals. „Sie macht immer weiter, das ist sehr wichtig.“

Dass Brand in diesem Terrain noch keine Erfahrung gesammelt hatte, war ihr kaum anzumerken

Und doch hat der Bundestrainer sich nach der EM dazu entschieden, diese harmonierenden Konterparts aufzulösen und Brand taktisch zentraler einzusetzen. Eine Reaktion darauf, dass er im 4-2-3-1-System bleiben wollte – aber eine Schwachstelle ausgemacht hatte: die Spielmacher-Position. Im ganzen Turnier sei kein finaler Pass von Linda Dallmann oder Laura Freigang im Strafraum gelandet, erklärte Wück bei einer Analyse. Er wollte die Zehn anders interpretieren, mit Brand bot sich ihm eine passende Spielerin („unheimlichen Zug zum Tor mit Ball“) für seine Überlegung.

Dass Brand in diesem Terrain bisher noch keine Erfahrung gesammelt hatte, war ihr in den Halbfinal-Partien der Nations League gegen Frankreich kaum anzumerken. Brand zog weiter ihr Ding durch, vielleicht sogar noch freier als auf dem Flügel. Wenngleich mit dem gleichen Fallstrick, manchmal zu lange am Ball zu kleben und sich dann in Aktionismus zu verlieren. „Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich mag die Position, ich kann freier sein, mich überall bisschen mehr bewegen“, sagte Brand danach. „Ich hoffe, ich werde da noch ein paar Mal spielen.“

Die Weltfußballerinnen Alexia Putellas und Aitana Bonmatí (re.) ausgetanzt: Jule Brand (li.) fühlt sich auf ihrer neuen Position als Spielmacherin sichtbar wohl.
Die Weltfußballerinnen Alexia Putellas und Aitana Bonmatí (re.) ausgetanzt: Jule Brand (li.) fühlt sich auf ihrer neuen Position als Spielmacherin sichtbar wohl. (Foto: Grant Hubbs/Imago)

Zumindest derzeit sieht es nicht danach aus, als würde der Bundestrainer sie so bald wieder auf den Flügel ziehen, wo er zuletzt Carlotta Wamser und Selina Cerci einsetzte. Denn auch im Final-Hinspiel gegen Spanien in ihrem 68. DFB-Einsatz funktionierte das Spiel mit Brand auf der Zehn, sie gestaltete und kam zu zwei guten Torchancen. Putellas jedenfalls zeigte sich auf dem Platz weniger erfreut als im Kabinengang, Brand zu begegnen. Nicht nur einmal dribbelte die Deutsche sie aus. Bisweilen gelang ihr das auch bei Aitana Bonmatí; gegen zwei Spielerinnen also, die auf insgesamt fünf Ballon d’Or kommen. Revanchieren können wird sich im Estadio Metropolitano aber nur Putellas. Bonmatí hat sich am Sonntag im Training das linke Wadenbein gebrochen und fällt für mehrere Monate aus.

Dass Brand für das Nationalteam wichtig werden könnte, deutete sich schon bei ihrem Debüt im April 2021 an. Die damals 18-Jährige wurde nach einer Stunde eingewechselt, wenige Minuten später schoss sie ein Tor und gab kurz darauf die Vorlage zum nächsten Treffer. Ihr Aufstieg mündete in der Auszeichnung als beste U21-Spielerin Europas 2022. Aber bald darauf kriselte es, ihr ging die Leichtigkeit verloren. Mit dem Wechsel von der TSG 1899 Hoffenheim zum VfL Wolfsburg hatte sie den nächsten Schritt gewagt, zu einem Champions-League-Klub mit starker Konkurrenz. Ihre Zeit dort war von Leistungsschwankungen geprägt, was Direktor Ralf Kellermann 2023 in einem Kicker-Interview schließlich öffentlich kritisierte. Brand müsse hart an sich arbeiten, wenn sie eine Top-Spielerin werden wolle. Der Klub helfe ihr bestmöglich, „aber ihr Umfeld können wir nicht beeinflussen“.

Letzterem Vorwurf widersprach Brand, ansonsten zeigte der Appell wohl Wirkung, was Brands Spiel konstanter werden ließ und Begehrlichkeiten weckte. Seit Sommer 2025 spielt sie für den Champions-League-Rekordsieger Lyon. Auch hier läuft noch nicht alles, ihr Französisch ruckelt noch und auf dem Platz muss sie sich noch durchkämpfen in einem Kader, der zu den stärksten im Klub-Fußball zählt. Aber sie gehört dazu.

Als DFB-Kapitänin Giulia Gwinn in einer Doku über Jule Brand sagte: „Wenn bei Jule der Kopf nicht angewachsen wäre, würde sie ihn schon mal vergessen“, antwortete sie während der EM in der Schweiz ganz gelassen zustimmend: „Ich würde sagen, ich bin vielleicht etwas verpeilt.“ Auf das Wesen der Jule Brand mag das nach wie vor zutreffen. Ihr Fußball aber ist reifer geworden. Auch dafür steht der gelungene Wechsel der Nummer 22 auf die Zehn – und Trikottauschs mit Spielerinnen wie Alexia Putellas.