Es war ein symbolträchtiger Ort, an dem Leo XIV. betete – für den Frieden und insbesondere für Libanon. Der Papst besuchte am Montag das Grab von Charbel Makhlouf, des Schutzheiligen schlechthin für die libanesischen Christen. Das bärtige Konterfei des maronitischen Mönches, der 1977 von der katholischen Kirche heiliggesprochen wurde, ist ein ständiger Begleiter in ihrem Alltag: Es baumelt an Rückspiegeln im Auto, steht in kleinen Schreinen an Straßenecken, prangt auf Postern in Läden und Wohnungen. Immer wieder versuchen tiefgläubige Libanesen, sich an dem 1898 gestorbenen St. Charbel und dessen Wunderheilungen aufzurichten.
Zuversicht können sie gut gebrauchen. Libanon ist nicht nur das einzige Land in der Region, in dem Christen eine führende Rolle spielen und den Staatschef stellen. Es ist auch ein Land, das seit Jahren im Krisenmodus lebt. Der Staat ist ausgeplündert von einem korrupten Machtkartell an seiner Spitze. Die Wirtschaft befindet sich am Boden. Gerade droht ein neuer Krieg zwischen Israel und der Schiitenorganisation Hizbullah. Besonders die Christen fühlen sich in ihrer Stellung bedroht. Immer mehr von ihnen, vor allem die jungen, verlassen das Land.
Bis zu diesem Dienstag steht der heilige Charbel im Schatten des Heiligen Vaters aus Rom. „Selig sind, die Frieden stiften“, lautet das Motto seines Besuches. Leo XIV. beschwor am Sonntag im Präsidentenpalast die Widerstandskraft der Libanesen. „Ihr seid ein Volk, das nicht aufgibt, sondern angesichts von Prüfungen immer wieder den Mut findet, sich neu zu erheben“, sagte er. „Eure Widerstandsfähigkeit ist ein wesentliches Merkmal echter Friedensstifter, denn die Arbeit für den Frieden ist in der Tat ein ständiger Neuanfang.“
Hizbullah-Anführer Qassem hofft auf Leo
Er rief die Menschen auf, ihr Land nicht zu verlassen, was „wirklichen Mut“ erfordere. Und er nahm die politische Klasse in die Pflicht, sich für den Frieden und das Wohl des Landes einzusetzen. Am Montag erklärte Leo XIV., man könne auch an Orten, „die von Gebrochenheit geprägt sind“, „Zeichen von Gottes Geduld“ finden. Er beschwor das Gebet als Quelle der Kraft, selbst in Zeiten, in denen überall der Lärm der Waffen widerhalle.
Die Regierung und viele Libanesen nahmen dankbar an, dass der Papst auf seiner ersten Auslandsreise ihr Land besuchte, und bereiteten ihm einen enthusiastischen Empfang. Sogar in den südlichen Vorstädten Beiruts, die von der schiitischen Hizbullah beherrscht werden, hießen ihn die Leute willkommen. Hizbullah-Anführer Naim Qassem hatte sogar die Hoffnung geäußert, der Papstbesuch könne helfen, ein Ende der israelischen Luftangriffe zu erreichen, die trotz einer Waffenstillstandsvereinbarung zum Alltag gehören.
Bei aller Mühe ist es den libanesischen Gastgebern indes nicht gelungen, den Zustand ihres Landes zu verbergen. Die Eskorte, die aufstieg, als sich das Papstflugzeug „Shepherd One“ (Hirte eins) dem Flughafen von Beirut näherte, bestand aus zwei kleinen Propellerflugzeugen, weil die libanesische Luftwaffe nichts anderes hergibt. Straßen, auf denen das Papamobil zu den Besuchsterminen rollte, wurden frisch asphaltiert – jenseits davon aber sind sie weiter von Schlaglöchern gesprenkelt.

Die uniformierten Hizbullah-Pfadfinder, die Vatikanflaggen schwenkten, konnten nicht verbergen, dass die Schiitenorganisation eine andere Vorstellung von Verehrung und Friedensstiften hat als der Papst. „Mit unserem Blut und unserer Seele werden wir dich verteidigen, o Vater“, riefen sie Leo XIV. zu, als wäre er einer ihrer kriegerischen Anführer. Ein schiitischer Geistlicher nahm es mit der Bildauswahl ebenfalls nicht so genau und begrüßte den Papst mit Porträts von dessen Vorgängern.
Mancher in den Menschenmassen, die zeitweise im strömenden Regen ausharrten, schöpfte aus dem Besuch erklärtermaßen Zuversicht. Doch es gab auch kritische, skeptische und spöttische Töne. Einige Christen beschwerten sich, dass der Papst die christlichen Dörfer im südlibanesischen Stammland der Hizbullah nicht besuchte, die besonders unter Druck stehen. Der Papst verschaffe dem Land bestenfalls eine Atempause, der Krieg werde eben losgehen, wenn er wieder abgereist sei, hieß es.
In den sozialen Medien wurde die Frage aufgeworfen, ob jetzt auch die libanesischen Sparer ihr Geld zurückbekämen, das sie verloren haben, seit das von Korruption zersetzte Bankensystem zusammengebrochen ist. „Ja, ja, der Papst“, sagte eine christliche Wäschereibesitzerin lachend, die sich am Montag über eine verbesserte Stromversorgung freute.
Auch ein Fernsehinterview des Cheforganisators für den Papstbesuch auf libanesischer Seite war Quelle von Gewitzel. Sein Plan, Hunderttausende bei der großen Messe an diesem Dienstag vor dem Starkregenwetter zu schützen, lautete sinngemäß: Gottvertrauen.
