Wasserstoff-Wirtschaft: Es muss mehr sein als Symbolik

In Hamburg wird am Montag der Grundstein für einen der hierzulande bislang größten Wasserstoff-Elektrolyseure gelegt. Gebaut wird die Anlage an einem symbolträchtigen Ort. Doch für den Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft müssen vor allem umfangreiche und wettbewerbsfähige Mengen dieses Energieträgers importiert werden. Davon ist Deutschland weit entfernt.

Das Steinkohlekraftwerk in Hamburg Moorburg lieferte nur rund sechseinhalb Jahre lang Strom, bevor es im Jahr 2021 vom Netz genommen wurde. Bald darauf begann der Abriss der riesigen, vom Energiekonzern Vattenfall gebauten Anlage, die drei Milliarden Euro gekostet hatte.

An diesem Ort legen am heutigen Montag die Unternehmen Hamburger Energiewerke und Luxcara den Grundstein für den Bau einer Anlage zur Wasserstoff-Elektrolyse. Mit einer Leistung von zunächst 100 Megawatt ist dieser Elektrolyseur einer der größten in Deutschland, wenn er wie geplant 2027 in Betrieb geht. Etwa 10.000 Tonnen Wasserstoff im Jahr kann die Anlage in Moorburg in der ersten Ausbaustufe erzeugen. „Grüner“ Wasserstoff soll es sein, denn der Elektrolyseur wird bilanziell mit Ökostrom aus norddeutschen Windparks betrieben.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Umweltsenatorin und Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) sind bei der Grundsteinlegung mit dabei, auch Wirtschaftssenatorin und SPD-Landeschefin Melanie Leonhard. Symbolträchtiger kann man die Konversion des Energiesystems ja auch kaum vollziehen – an einem Standort, an dem jahrzehntelang mit fossilen Energien betriebene Kraftwerke Strom lieferten, entsteht nun ein Kernstück einer „grünen“ Energiewirtschaft. Auch ein eigenes, zunächst 40, später 60 Kilometer langes Wasserstoffnetz baut Hamburg derzeit am Hafen auf, das später Teil des gesamtdeutschen „Wasserstoff-Kernnetzes“ werden soll.

Diese und viele andere Projekte in Hamburg und in anderen Bundesländern können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland beim Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft nicht wie erhofft vorankommt. Würde man das volle Potenzial zur Elektrolyse in Moorburg – von nach heutigem Stand 800 Megawatt – nutzen, könnte die Anlage dort etwa 880 Millionen Kubikmeter Wasserstoff im Jahr erzeugen. Allein Hamburgs Industrie und Gewerbe allerdings bräuchten für den Ersatz von Kohle, Erdgas und Atomkraft rund drei Milliarden Kubikmeter „grünen“ Wasserstoff im Jahr.

Der Bundesrechnungshof stellte Ende Oktober fest: „Trotz milliardenschwerer Förderungen verfehlt die Bundesregierung ihre ambitionierten Ziele beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.“ Die heimische Produktion und die verfügbaren Mengen an „grünem“ Wasserstoff genügten mit Blick auf die kommenden Jahre bei Weitem nicht, um Deutschland auch mithilfe von Wasserstoff auf den Pfad für die angestrebte „Klimaneutralität“ bis zum Jahr 2045 zu bringen.

Notwendig wären dafür vor allem große Projekte für den Import von Wasserstoff, zum Beispiel in der gut transportablen Form von „grünem“ Ammoniak. Dieses Ammoniak wird nach der Einfuhr, zum Beispiel im Hamburger Hafen, in seine Bestandteile Wasserstoff und Stickstoff aufgespalten. Das Unternehmen MB Energy will ein solches Großprojekt gemeinsam mit dem US-Konzern Air Products in Hamburg realisieren. In der ersten Ausbaustufe könnte MB Energy jährlich 600.000 Tonnen Ammoniak importieren. Darin enthalten wären 100.000 Tonnen Wasserstoff, das ist zehnmal so viel wie die zunächst geplante Jahresproduktion des Elektrolyseurs in Moorburg hervorbringen soll. Wann der Import von Ammoniak in Hamburg startet, ist allerdings noch offen.

Solche großen Importprojekte werden jedoch entscheidend dafür sein, ob Deutschland – und auch der Europäischen Union – der Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft gelingt. MB Energy kalkuliert dabei für den Auftakt auch mit „blauem“ Ammoniak, das zum Beispiel in den USA erzeugt wird. Dem dort reichlich vorhandenen Erdgas wird dabei der Kohlenstoff entzogen und mithilfe der CCS-Technologie unterirdisch eingelagert. Mit dem dann verfügbaren Wasserstoff und Stickstoff aus der Atmosphäre lässt sich gut transportierbares Ammoniak herstellen. Ökologisch mag das nicht ideal sein, weil zunächst Erdgas gefördert und aufgespalten werden muss. Aber für den Hochlauf einer Wasserstoff-Infrastruktur wäre es hilfreich.

Idealerweise wird „grüner“ Wasserstoff künftig vor allem aus sonnen- und windreichen Regionen kommen, wo Ökoenergie für die Elektrolyse zu minimalen Kosten erzeugt werden kann, vom Persischen Golf oder aus Nordafrika, aus Australien, dem südlichen Afrika, Südamerika, Kanada und den USA.

Die Eigenerzeugung von Wasserstoff in Europa wird nur den kleineren Teil des künftigen Gesamtbedarfs ausmachen. Vor allem dafür, um die Elektrolyse besser zu verstehen und sie fortwährend zu optimieren, ist die neue Anlage in Moorburg ein Leuchtturmprojekt. Das deutsche Wasserstoffproblem allerdings werden solche Anlagen allein nicht lösen können.

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als 35 Jahren über die deutsche und die internationale Energiewirtschaft.