
Autobiografische Schreibprojekte beginnen oft mit einer Rückkehr zu den Quellen der Kindheit, rauschen durch die karstigen Landschaften der jüngeren Vergangenheit und münden im Hafenbecken der Seniorität. Das Alter als letzter Vorposten des Todes, von dem aus man auf die Kampfplätze des Lebens zurückblickt; das Alter als Abwurfplatz der Eitelkeit und des Leidens am Leben, sofern das Leiden am Leben wie im Fall der 1945 in Franken geborenen Natascha Wodin ein Motor der Kreativität und damit der Liebe gewesen ist.
Natascha Wodin, die erst über siebzigjährig mit einem Buch über ihre zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppte sowjetische Mutter zur gefeierten Autorin wurde, blickt nun auf ein Leben zurück, das aus bodenlosen Sehnsüchten bestand. Eine haltlose Kindheit, die vom Suizid der Mutter und von der Gewalttätigkeit des Vaters geprägt ist, begründet die spätere Liebesobsession. Ihre selbstzerstörerische Ehe mit dem Schriftsteller Wolfgang Hilbig offenbarte, wie man in dem 2009 erschienenen Roman Nachtgeschwister erfahren konnte, dass der Wunsch nach Symbiose in ihrem Leben enorm war – und leider illusorisch.
