Deutschland bei der Handball-WM der Frauen 2025: Das Feuer ist entfacht – Sport

Alina Grijseels war sich direkt nach dem Spiel noch nicht ganz sicher, wie sie alles einordnen sollte. Da waren auf der einen Seite der klare 32:25-Sieg gegen Island, die begeisterten Zuschauer in der vollen Stuttgarter Porsche-Arena, der gelungene Start in die Heim-Weltmeisterschaft. Aber da waren auch die ersten 20 Minuten der Eröffnungspartie, die vermeidbaren leichten Fehler, die vielen Fehlpässe, der zähe Start in das Turnier. Aber die 29-Jährige hat schon viel erlebt, sie war jahrelang neben Emily Vogel das Gesicht dieser Mannschaft, sie ist auch bei den Weltspielen in Deutschland und den Niederlanden eine, die vorausgehen soll.

Natürlich habe die Nervosität zu Beginn eine Rolle gespielt, erklärte Grijseels, der Druck war so groß wie die Kulisse in der mit 5527 Zuschauern ausverkauften Halle, was auch schwer zu übersehen war. Den flüssigen Spielzügen und gut choreografierten Tempogegenstößen standen unnötige Ballverluste gegenüber, gleichwohl wusste sich das deutsche Team sukzessive davon freizumachen. Bis zum 6:6 war die Partie ausgeglichen, dann setzte sich zusehends die bessere Auswahl durch – und das waren die auch körperlich klar überlegenen Deutschen. Vor allem Grijseels übernahm in den holprigen Phasen Verantwortung, tankte sich im Eins-gegen-eins-Spiel durch die isländische Abwehrreihe oder setzte die Mitspielerinnen in Szene. Die Spielmacherin war mit sieben Treffern nicht nur die beste Torschützin, sie wurde auch, wie das bei großen Titelkämpfen Usus ist, zur besten Spielerin der Partie gekürt.

Es ist die Rolle, die ihr Trainer Markus Gaugisch zugedacht hat, dass Grijseels Verantwortung übernimmt, den Takt auf dem Spielfeld bestimmt, die Mannschaft führt. Die Rückraumspielerin nimmt diese Führungsposition an: „Klar, ich bin mit Emily diejenige, die vorangehen und die Jungen an die Hand nehmen soll, das mache ich gerne.“ Wie die angesprochene Teamkollegin Vogel, 27, die seit fünf Jahren für den ungarischen Topklub Ferencvaros Budapest spielt, hat auch Grijseels viel Erfahrung auf höchstem Niveau gesammelt. Nach Stationen beim französischen Serienmeister Metz und dem rumänischen Äquivalent Bukarest ist sie in dieser Saison zu ihrem Heimatklub Borussia Dortmund in die Bundesliga zurückgekehrt, spielt mit den Schwarz-Gelben auch in der Champions League.

Diese Erfahrung soll helfen, um bei der Heim-WM über das Viertelfinale hinauszukommen, das ist der ambitionierte Anspruch des Gastgebers. In den vergangenen Jahren war stets spätestens im Viertelfinale Schluss, die letzte WM-Medaille war Bronze 2007. Das Team von Bundestrainer Gaugisch hatte in Frankreich, Norwegen, Dänemark und Schweden vier übermächtige Nationen vor sich, spätestens wenn es gegen eine dieser Mannschaften ging, war Endstation. Auch Co-Gastgeber Niederlande rechnet sich für die aktuelle WM einiges aus.

Bundestrainer Gaugisch hat eine gute Mischung aus bewährten Kräften und hoffnungsvollen Talenten

Wie also sieht Grijseels den Start ins Turnier? „Ich bin stolz auf die Mannschaft, wie cool wir in der zweiten Halbzeit reagiert haben, denn die Isländerinnen haben nie aufgegeben.“ Natürlich wisse sie, dass man sich steigern müsse und ein Sieg gegen Island nicht der Anspruch der deutschen Auswahl ist, sie sei aber zuversichtlich: „In der Abwehr hatten wir zu Beginn nicht den gewünschten Zugriff, das können wir besser. Und im Angriff sind wir sehr variabel, vor allem die Souveränität in der zweiten Halbzeit hat mir gefallen.“

In der Tat, nach dem 18:14 zur Halbzeit steigerte sich der Gastgeber weiter und gab den begeisterten Zuschauern eine Idee davon, wie das große Ziel zu schaffen ist: Die zupackende Abwehr vor der starken Katharina Filter im Tor kam zu Ballgewinnen, die in schnelle Konter und sichere Tore vorwiegend durch die flinke Jenny Behrend auf Rechtsaußen, die fünfmal traf, umgesetzt wurden. Zudem überzeugten die jungen Novizinnen im Team: Aimée von Pereira gab neben Vogel und der starken Xenia Smits der Abwehr Stabilität, Nieke Kühne steuerte auf Halblinks fünf Treffer zum Sieg bei. Linkshänderin Viola Leuchter, wie Pereira und Kühne 21 Jahre alt, ist bereits im Rückraum gesetzt. Die wuchtige Angreiferin steuerte vier Treffer bei, sah aber ebenfalls noch Steigerungspotenzial: „Ich war schon sehr aufgeregt, habe stabil angefangen, dann etwas nachgelassen, aber das wird besser.“

Dem Team ist die kontinuierliche Arbeit von Gaugisch der vergangenen Jahre anzumerken, er hat sich eine Mischung aus erfahrenen Kräften und hoffnungsvollen Talenten zusammengestellt, die nun den Durchbruch schaffen soll. „Es ist das Ergebnis eines längeren Prozesses. Wir sind schon das ganze Jahr auf Betriebstemperatur. Jetzt brennen alle für das gemeinsame Ziel, das wir haben“, bestätigte der Trainer, er habe ein Personal-Puzzle zusammengebaut, „in dem jede Spielerin ihre Stärken einbringen kann.“

In noch einem Punkt waren sich die Protagonistinnen nach dem Eröffnungsspiel einig, Grijseels sprach den Kolleginnen aus der Seele: „Es hat unfassbar viel Spaß gemacht.“ Am Freitag ist Außenseiter Uruguay der Gegner, am Sonntag folgt das letzte Vorrundenspiel gegen Serbien (beide 18 Uhr), das die Südamerikanerinnen 26:17 bezwang. Dann geht es zur Hauptrunde nach Dortmund, im Idealfall mit zwei weiteren Siegen, denn die Punkte aus der Vorrunde werden mitgenommen. Und spätestens dann wartet eine der Topnationen im Viertelfinale, doch so weit wollte noch niemand vorausblicken: Der Spaß hat gerade erst begonnen.