

Der Bundeswehrverband steht vor einer Neuorientierung. Nachdem sich die Hauptversammlung der gewerkschaftsähnlichen Vereinigung überraschend gegen die Wiederwahl des stellvertretenden Bundesvorsitzenden Marcel Bohnert gestellt hat, ist unklar, wie sich die mehr als 205.000 Mitglieder zählende Organisation in Zukunft präsentiert – nicht zuletzt in der Öffentlichkeit.
Bohnert, ein erfahrener Generalstabsoffizier mit Einsätzen auf dem Balkan, in Afghanistan und zuletzt im Irak, hatte sich in den vergangenen Jahren im Verband besonders für Fragen der Sicherheitspolitik, das Einsatzgeschehen und den Umgang mit Veteranen stark gemacht. Insbesondere der erste bundesweite Veteranentag in diesem Jahr ging auch auf Bohnerts Engagement zurück.
Wer ist Marcus Meissner?
Dennoch konnte er sich bei den Delegierten nicht gegen einen Vertreter der Mannschaftsdienstgrade durchsetzen, den Oberstabsgefreiten Marcus Meissner, der bei der Abstimmung unter etwa 350 Delegierten mit einem Vorsprung von sechs Stimmen zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde. Meissner gehört der Bundeswehr seit 2008 an, zunächst als Wehrpflichtiger beim Gebirgsjägerbataillon 232 in Berchtesgaden. Zuletzt gehörte er seit 2019 dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss (GVPA) im Verteidigungsministerium an, neben den Personalvertretungen von Beamten und Angestellten das Mitsprachegremium der Soldaten im Ministerium.
Alle drei Vertretungen sind dafür bekannt, dass sie Veränderungen im Ministerium äußerst aufmerksam und nicht selten skeptisch begleiten. Der jeweilige Verteidigungsminister muss darauf Rücksicht nehmen, ohne die Dynamik von Veränderungen zu gefährden. Meissner will die Stellung der einfachen Soldaten, der sogenannten Mannschaften, in der Bundeswehr stärken. Zu seiner Arbeit sagte er kürzlich in einem Beitrag auf den sozialen Medien: „Wir nehmen O-Töne in der gesamten Bundeswehr auf, verarbeiten sie in unseren Vorgängen und teilen sie mit der politischen Leitung, um Entscheidungen herbeizuführen.“
Der abgewählte Bohnert hatte dem Verband neben militärischer Kompetenz einen Zuwachs an Reichweite in allen Belangen sozialer Medien verschafft. Er galt als Kandidat für die künftige Nachfolge des Vorsitzenden André Wüstner, der bei der Hauptversammlung mit 92 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde. Nach Auskunft aus dem Verband solle Anfang Januar über die Zuteilung der Zuständigkeiten beraten werden. Bohnert tritt demnächst in Strausberg bei Berlin eine länger geplante Verwendung bei der europäischen Ausbildungsmission für ukrainische Soldaten an.
