Der 1. FSV Mainz 05 steht nach zehn Spielen mit nur fünf Punkten auf Platz 17 der Bundesliga. Trainer Bo Henriksen, der den Klub 2024 vor dem Abstieg rettete und ein Jahr später in den Europacup führte, hat aktuell keinen Erfolg mehr. Für die Krise der Rheinhessen gibt es Gründe.
Mainz 05 erlebt in dieser Bundesligasaison genau das Gegenteil zur vergangenen Spielzeit. Knappe Spiele, wie zum Beispiel gegen Köln (0:1), Leipzig (0:1), Bremen (1:1) oder Wolfsburg (1:1) werden nicht gewonnen. Das zieht sich bisher wie ein Roter Faden durch die Saison. Spieler wie Paul Nebel, Nadiem Amiri oder Jae-Sung Lee kommen aktuell nicht an Ihr Leistungsvermögen ran. Einige Akteure im Team haben in der abgelaufenen Spielzeit offensichtlich auch „überperformt“. Auch deshalb gibt es zwei Mannschaftsteile, in denen akuter Handlungsbedarf besteht.
Die Offensive: Jonathan Burkardt konnte nicht ersetzt werden
Mainz 05 fehlt in dieser Saison die Durchschlagskraft im Angriff. Nach dem Weggang von Nationalspieler Jonathan Burkardt (Eintracht Frankfurt) war die Neubesetzung der Position des Mittelstürmers bislang nicht erfolgreich. Der Mainzer Rekordtransfer Benedict Hollerbach – für rund 10 Millionen Euro von Union Berlin geholt – verletzte sich gleich am ersten Spieltag am Oberschenkel und fiel mehrere Wochen aus. Seit seiner Rückkehr auf den Platz fehlt dem Angreifer, der eher über die Flügel kommt und nicht als reiner Burkardt-Ersatz verpflichtet wurde, häufig die Bindung zum Spiel. In der Bundesliga wartet er noch immer auf seinen ersten Treffer für Mainz 05. Lediglich ein Tor in der Conference League gegen Florenz hat der 24-Jährige auf dem Konto.
Mit Blick auf die klassische Mittelstürmer-Position hoffte der Verein darauf, dass Nelson Weiper den nächsten Schritt machen würde und in Burkardts Fußstapfen treten könnte. Weiper, der noch im Sommer bei der U21 Europameisterschaft zusammen mit Nick Woltemade überragende Spiele abgeliefert hat, ist aktuell aber in der Versenkung verschwunden. 05-Trainer Bo Henriksen wechselt ihn in der Bundesliga, wenn überhaupt, meist nur für die Schlussminuten ein.
Weiteres Manko: Ohne Ballgewinne durch hohes Pressing (wie beim bisher einzigen Saisonsieg in Augsburg) gelingt es den 05ern kaum, Chancen herauszuspielen. In der Winterpause muss der Verein auf der Mittelstürmerposition nachlegen.
Mögliche Kandidaten für den Sturm
Eine Traumverstärkung wäre Niklas Füllkrug, der seinen Verein West Ham United schnellstmöglich verlassen will. Füllkrug würde sich am liebsten bis Sommer verleihen lassen – Hauptsache weg aus London. Der 32-Jährige will spielen, sich präsentieren – am liebsten in Deutschland – und für die WM 2026 empfehlen. Das Problem ist sein Gehalt. Er soll auf der Insel zwsichen vier und fünf Millionen Euro netto verdienen. Selbst wenn er auf Teile seines Salärs verzichten und West Ham sich beteiligen würde, bleibt der Deal für Mainz 05 fast unerreichbar.
Da liegt die Verpflichtung von Robert Glatzel schon näher. Eine seiner Qualitäten: Glatzel kann mit dem Rücken zum Tor Bälle festmachen, ist ein guter Kopfballspieler und bringt die in Mainz geforderte Mentalität mit. Beim Hamburger SV steht er aktuell auf dem Abstellgleis, weil der Aufsteiger seine Spielidee geändert hat. Glatzel passt da nicht mehr rein und will weg. Zudem hat der gelernte Mittelstürmer Mainz-Erfahrung, spielte vor einigen Jahren schon mal für die 05er. Glatzel wäre die preiswertere Lösung.
Auch Jonas Wind vom VfL Wolfsburg oder Isac Lidberg von Darmstadt 98 wären interessante Spieler für die Mittelstürmerposition des FSV. Fakt ist: Ein Abstieg käme Mainz 05 teurer als eine kostspielige Winter-Neuverpflichtung.
Die Defensive: Viel zu viele Gegetreffer
Mainz 05 kassiert in dieser Saison bislang im Schnitt fast zwei Gegentore pro Bundesligaspiel. Seit Februar 2025 haben die Rheinhessen kein Meisterschaftsspiel mehr zu Null gespielt. Nach dem Weggang von Moritz Jenz im Sommer haben die Mainzer keinen Abwehrchef mehr. Auch hier wurde kein adäquater Ersatz verpflichtet. Die Fünfer-Abwehrkette wechselt fast in jedem Spiel ihre Formation. Dazu kommen individuelle Fehler, die Punkte kosten – so wie der von Andreas Hanche-Olsen kurz vor Schluss gegen Werder Bremen.
Anthony Caci ist seit dem Mainzer Sieg in Augsburg Mitte September langzeitverletzt, der Franzose fällt mit einer Muskelsehnenverletzung bis 2026 aus. Die Verpflichtung eines Innenverteidigers zur Stabilisierung der Abwehr ist dringend geboten.
Mögliche Kandidaten für die Abwehr
Marvin Friedrich von Borussia Mönchengladbach ist ein erfahrener Innenverteidiger. Der 29-Jährige kommt in dieser Saison auch unter dem neuen Borussen-Coach Eugen Polanski nur noch sporadisch zum Einsatz. Friedrich kennt Abstiegskampf, kann eine Defensive aus der Zentrale heraus organisieren. Er wäre einer, der kurzfristig die 05-Abwehr stabilisieren könnte.
Kevin Akpoguma steht aktuell in Diensten der TSG Hoffenheim. Der 30-Jährige war bis zur aktuellen Saison meistens Stammspieler. Akpoguma gilt als sehr kommunikativ. Der TSG Innenverteidiger ist ein physisch starker Spieler, der in dieser Saison erst zwei Kurzeinsätze zu verzeichnen hat. Er scheint bei TSG-Trainer Christian Ilzer keine Rolle mehr zu spielen. Sein Wechselwille soll vorhanden sein.
Trainer Bo Henriksen und die Krise mit Mainz 05
Bo Henriksen hat mit Mainz 05 in der Spielzeit 2023/2024 ein Fußballwunder geschafft. Er übernahm die Rheinhessen an Fastnacht 2023 mit einem Rückstand von neun Punkten zum rettenden Ufer. Der Däne hat Mainz wieder angezündet. In der Saison danach führte er den Klub sogar in die Conference League. Es ging immer nur nach oben. Jetzt hat er zum ersten Mal in seiner Mainzer Zeit ordentlich Schlagseite.
Im Verein genießt der 50-Jährige jedoch vorbehaltslose Rückendeckung. Sportvorstand Christian Heidel erklärt, dass es keine Trainerdiskussion gäbe. Man säße jede Woche zusammen und sei nach wie vor davon überzeugt, dass Henriksen der richtige Mann sei.
Auffällig ist: Henriksen wechselt meistens sehr spät im Spiel. Kritiker sagen, er solle Weiper häufiger eine Chance von Beginn an geben. Die erhielt der U21-Nationalspieler aber meistens nur in der Conference League. Der Mainzer Kader ist in der Breite nicht tief genug. Anders als bei Bayern, Dortmund, Leverkusen oder Frankfurt ist das Leistungsgefälle zwischen erster Elf und der Bank zu hoch. Daran kann Coach Henriksen in der aktuellen Situation nichts ändern.
Fazit: Europa kostet im Alltag Körner
Mainz 05 ergeht es ähnlich wie Hoffenheim, Heidenheim und, mit Abstrichen, Stuttgart in der abgelaufenen Saison. Alle drei Vereine spielten europäisch – alle drei hatten große Probleme in der Liga, ihr Niveau aus dem Vorjahr zu erreichen. Hoffenheim und Heidenheim wären fast abgestiegen.
Das, was Mainz 05 aktuell erfährt, ist ein bisschen der „Fluch der guten Tat“. Mann könnte auch sagen: hausgemacht, weil man wegen einer Europacup-Saison bei Neuverpflichtungen nicht verstärkt ins finanzielle Risiko gehen wollte.
In der Bundesliga hat Mainz 05 eine Ergebniskrise. Noch lässt sich an den statistischen Spieldaten kein Total-Einbruch ablesen. Bei der 0:1 Niederlage in Frankfurt lief das Mainzer Team beispielsweise fast drei Kilometer mehr als der Gegner. Die Doppelbelastung durch die Conference League wiegt aber trotzdem schwerer als gedacht. Eine mentale Ermüdung ist zwar numerisch nicht ablesbar, aber sie führt auch zu Fehlern, die Spiele entscheiden können.
Zur Wahrheit gehört außerdem: Mainz 05 hat saisonübergreifend aus den vergangenen 19 Spielen nur 13 Punkte geholt. Das ist die Bilanz eines Absteigers. Trotzdem stehen Die 05-Fans weiter dicht an der Seite von 05-Trainer Bo Henriksen. Auch am Freitag im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim.
Sendung am Do., 20.11.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Rheinland-Pfalz, SWR RLP
